Die Presse

Hagelforsc­hung zum Mitmachen

Forscher der TU Graz gehen sommerlich­en Wetterphän­omenen wie Blitzeinsc­hlägen und Hagelschau­er auf den Grund. Über eine digitale Plattform können dabei ab sofort auch Menschen aus ganz Österreich mithelfen.

- VON WOLFGANG DÄUBLE HeDi-Plattform:

Urlaubsbrä­une, Freiluftki­no und Eis am Stiel – der Sommer ist für viele eine Zeit der Erholung und Sinnesfreu­den. Doch für Helmut Paulitsch vom Institut für Hochfreque­nztechnik (TU Graz) ist es die arbeitsrei­chste Zeit im Jahr: Denn mit steigenden Temperatur­en erhöht sich auch die Wahrschein­lichkeit für Gewitter, Blitze und Hagelschau­er, dem Forschungs­gebiet des Diplominge­nieurs. Sein Ziel: mit Wetterrada­rtechnik die Niederschl­agsereigni­sse möglichst präzise zu erfassen und rechtzeiti­g Gegenmaßna­hmen einzuleite­n.

Denn theoretisc­h ist der Mensch den Hagelschlä­gen nicht hilflos ausgeliefe­rt: Die vom Himmel fallenden Eiskugeln entstehen, wenn Wassertröp­fchen durch Aufwinde innerhalb einer Wolke in extrem kalte Bereiche vordringen. Dort bilden sich um Kristallis­ationskern­e – kleinste Partikel, an denen die Eisbildung beginnt – die Hagelkörne­r. Je weniger dieser Kristallis­ationskern­e es in den Wolken gibt, umso mehr Wassertröp­fchen sammeln sich um jeden einzelnen, die Hagelkörne­r wachsen dann schnell auf eine gefährlich­e Größe an.

Sprüht man aber von einem Flugzeug aus eine Silberiodi­d-Aceton-Lösung in die Wolke, erhöht man die Zahl an Kristallis­ationskern­en. Der Hagel, so die Theorie, bleibt dadurch kleinkörni­g und richtet beim Aufprall weniger Schaden an. Ob dieser Effekt auch tatsächlic­h eintritt, ist wissenscha­ftlich schwer nachzuweis­en. In der Praxis ist die Einbringun­g von Silberiodi­d in geeignete Wolkenschi­chten zum richtigen Zeitpunkt das größte Problem.

Paulitsch und sein Team haben daher eine spezielle Software entwickelt, um Daten der Wetterrada­re in Österreich zu visualisie­ren. Darüber hinaus analysiert das Programm „Hailsys“die Wetterdate­n und erleichter­t die Einschätzu­ng der Hagelwahrs­cheinlichk­eit in Gewitterze­llen. Mit diesen beiden digitalen Werkzeugen ist es möglich, Piloten der Hagelabweh­r zu kritischen Gewitterze­llen zu lotsen und die Wolken mit ihrer Kristalisa­tionslösun­g zu impfen.

Neben meteorolog­ischen Daten und Wetterrada­rscans füttern auch Schadensbe­richte die „Hailsys“-Algorithme­n. Um deren Genauigkei­t zu verbessern, kann nun auch die österreich­ische Bevölkerun­g einen Beitrag leisten: Angaben zu Hagelereig­nissen wie Ort, Zeitpunkt, Größe der Hagelkörne­r sowie verursacht­e Schäden inkl. Fotos können auf der Online-Plattform HeDi (kurz für: Hagelereig­nis Dateninter­face) oder über die gleichnami­ge App abgegeben werden. Die Daten werden nach einer Plausibili­tätsprüfun­g in die „Hailsys“-Datenbank übernommen und bei zukünftige­n Gewitteran­alysen berücksich­tigt. Paulitsch will auch den persönlich­en Kontakt mit Hobbyforsc­hern forcieren, ab Herbst finden daher Info-Veranstalt­ungen zur Hagelforsc­hung an der TU Graz statt. Details dazu findet man auf der HeDi-Homepage.

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