Die schwäbische Hausfrau
Sie war eine Art Mater Germaniae: Großmutter von Bettine und Clemens Brentano, Verlobte von Christoph Martin Wieland, Ehefrau des kurtrierischen Kanzlers Georg Michael Frank La Roche, einem treuen Diener des Grafen Anton Heinrich Friedrich von Stadion, Brieffreundin bedeutender Männer und Frauen, darunter Goethes Mutter, und Autorin der „Geschichte des Fräuleins von Sternheim“. Dieses Buch zur Erziehung und Bildung der bürgerlichen Fräuleins in Deutschland machte sie über die Grenzen des Heiligen Römischen Reiches hinaus berühmt. Heutige Feministinnen würden ihren konservativen Ansatz, der keineswegs auf Gleichberechtigung und Umsturz der patriarchalischen Verhältnisse angelegt war, zwar verurteilen, vielleicht aber übersehen, dass 1771 schon allein die Tatsache, dass sie ein Buch unter ihrem Namen veröffentlichte, ein emanzipatorischer Akt war.
Sophie von La Roche kann als Urbild dessen gelten, was heute abschätzig schwäbische Hausfrau genannt wird. Sie war fleißig, ordentlich, sparsam, führte den Haushalt, gebar ihrem Mann (der im Übrigen oft und lange außer Haus war) acht Kinder, sorgte sich um eine gesunde Ernährung, legte selbst Hand an bei der Gartenpflege und war zudem eine beliebte Gesprächspartnerin der adeligen Dienstherren ihres Gemahls. Die Verhältnisse infrage zu stellen wäre ihr nicht in den Sinn gekommen. Und doch war sie eine Pionierin der Frauenemanzipation: Sie trug mit ihrem Bestseller über das „Fräulein von Sternheim“zum Haushaltseinkommen bei und gründete unter dem Titel „Pomona“die erste Frauenzeitschrift Deutschlands. Darunter darf man sich jedoch keine frühe „Emma“vorstellen, sondern eher eine vormoderne
Brigitte“
unseres Erdbodens, von seinen Gewächsen, Nutzbarkeit und Schönheit erlangen“sollten. Trotz – vielleicht sogar wegen – ihres Pietismus war Maria Sophia Gutermann, wie sie bei ihrer Geburt am 6. Dezember 1730 hieß, an naturwissenschaftlichen Erkenntnissen sehr interessiert und bedauerte es außerordentlich, aufgrund der Umstände ihre Mathematikübungen abbrechen zu müssen.
Im Zeitalter der aufgeklärten, wenn auch absoluten Herrscher gingen, was Armin Strohmeyer in seiner sehr atmosphärischen Biografie genau herausarbeitet, Wissenschaft und Religion gut zusammen. Heute hat man ja den Eindruck, dass jene das Erbe der Aufklärung am liebsten im Munde führen, die am wenigsten Ahnung von ihr haben. Geht man nicht von einem Menschenbild de La Mettries aus, das nur eine Facette der damaligen geistigen Strömungen ausmacht, kann man Sophie La Roches Beitrag zur bürgerlich weiblichen Emanzi eines der Empfindsamkeit. So beschreibt Strohmeyer ausführlich die damalige Sitte, an langen Abenden einander fremde Briefe vorzulesen.
Goethe alterierte sich in späteren Jahren darüber und meinte: „Es war überhaupt eine so allgemeine Offenherzigkeit unter den Menschen, dass man mit keinem einzelnen sprechen oder an ihn schreiben konnte, ohne es zugleich als an mehrere gerichtet zu betrachten.“In Ehrenbreitenstein, wo Sophie von La Roche das Jahrzehnt nach Erscheinen des „Fräuleins von Sternheim“verbrachte, empfing sie gerne Gäste, ließ Gewürzwein und Mokka servieren, und forderte zur Lektüre aus den jeweiligen Schatzkästchen auf. Das galt damals nicht als Indiskretion, sondern als geistiger Austausch verwandter Seelen.
Je näher die Französische Revolution kam, desto mehr ging die Zeit über die „Mutter der Nation“hinweg. Die bisher fremde Idee der Nation griff um sich. Als sie 1784 in Mannheim eine Aufführung von Schillers „Räuber“sieht, ist sie vom Pathos und der Gewaltverherrlichung darin entsetzt. Zwischen 1984 bis 86 macht sie noch drei Reisen, in die Schweiz, nach Italien und England – ein Höhe-, in gewisser Weise aber auch Schlusspunkt eines intensiven Lebens. Als ihr Ehemann 1788 aus dem Leben scheidet, verarmt sie nicht nur in finanzieller Hinsicht. Es vergehen zwar noch fast 20 Jahre, bis sie 1807 an Entkräftung stirbt, ihre Zeit aber war da schon lange vorüber.
Armin Strohmeyer hat viel Material gesammelt, gesichtet und zu einem würdigen Porträt dieser beeindruckenden Frau zusammengestellt.
„Sie war die wunderbarste Frau . . .“Das Leben der Sophie von La Roche
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