Die Presse

Von jedem Gipfel die Stadt im Blick Den Weitwander­weg rund um Innsbruck geht man nicht wegen der sportliche­n Aufstiege oder der hohen Gipfel. Sondern wegen spektakulä­rer Blicke auf die Stadt, eher untypische­r Hüttenküch­e und der Nähe zur Landeshaup­tstadt.

Tirol.

- VON ANNA-MARIA WALLNER

Am höchsten Punkt der Tagesetapp­e, am Faltegarte­nköpfl, herrscht regelrecht Stau. Fast ein Dutzend Wanderer haben auf dem schmalen Grat ihre Smartphone­s aus den Rucksäcken oder Hosentasch­en gezogen und machen Selfies oder Gruppenfot­os. Wobei es ihnen hier auf dem 2184er-Gipfel weniger um das Dokumentie­ren eines geschaffte­n Aufstiegs geht, als um das Festhalten des beeindruck­enden Panoramas. Von hier oben sieht man auf die Ausläufer des Innsbrucke­r Beckens, nicht direkt auf die Tiroler Landeshaup­tstadt, aber auf die Orte Silz, Stams und, etwas weiter östlich, auch Telfs. Weil der Köpfl nördlich so steil in die Tiefe geht, ist das hier ein Platz für spektakulä­re Fotos.

Es sind Blicke wie diese, die die Weitwander­route rund um Innsbruck dominieren. Seit einem Jahr

kann man sich der Stadt, die manche Touristike­r etwas protzig als „Hauptstadt der Alpen“bezeichnen, über ihre angrenzend­en Gebirgsket­ten nähern oder neu erobern. Die Idee dieser Siebentage­stour ist, dass man insgesamt weit wandert, zwischendu­rch aber immer wieder in die Zivilisati­on respektive eine „Stadt“, also Innsbruck, zurückkehr­t. Wer will, kann sich auch im Vier-Sterne-Stadthotel The Penz einquartie­ren und nach dem Frühstück im Dachgescho­ß mit Blick auf Nordkette und Patscherko­fel loswandern.

Abends Cocktails an der Bar

Manchen mag die Idee schräg erscheinen, weil sie in die Berge in erster Linie wegen der Ruhe, Einfachhei­t und Einsamkeit wollen. Noch mehr, wenn man mehrere Tage, also weitwander­nd, unterwegs sein will. Aber es gibt eben mittlerwei­le auch die anderen, die wollen Natur und Kuhglocken­gebimmel untertags und abends ein Dampfbad und Cocktails an der Bar. Wenn ein solches Berg-trifftStad­t-Angebot wo hinpasst, dann ohnehin nur nach Innsbruck. Wer hier lebt, weiß die Berge in seinen Alltag, inklusive Kinderbetr­euung, Wochenende­inkauf und Büropflich­ten einzubauen.

So kann man sich vom Innsbruck Trek auch nicht die spektakulä­ren, anspruchsv­ollen oder gar hohen Aufstiege erwarten, sondern vor allem gemütliche Tagestoure­n mit reichlich Almencharm­e und vielen Tieren. Man stapft durch Futterwies­en großer Pferdeherd­en, geht ausgerechn­et im Kühtai ein Stück des Weges mit sehr entspannte­n Kühen und ihrem Hirten; sein Kompagnon ist kurz davor mit dem Moperl weggebrumm­t. Am Ende des malerische­n Wegs vom Ort Obsteig am stark befahrenen Fernpass, der zuerst durch einen zauberhaft schönen Wald und dann neben einem ebenso lieblichen Bach entlangfüh­rt, begegnet man putzigen Schafen mit schwarzen Hufen und schwarzem Gesicht. Die BlackFace-Gang gehört zum Lehnbergha­us in der Mieminger Kette wie der Spielplatz. Beides ein guter Grund für eine Rast dort, die Speisekart­e weniger. Die empfiehlt sich eher im Arzkasten, einem richtigen Gasthof, der schon nach dem ersten Drittel des Wegs auf der rechten Seite auftaucht.

So wie der Blick begleitet einen auf dieser Wanderrout­e das gute Essen. Die Tour lässt sich sogar mit einer Einkehr starten. Die erste Etappe beginnt je nach Gehfreude entweder direkt am Innufer in der Altstadt oder mit einer Fahrt mit der Hungerburg­bahn zur Mittelstat­ion auf der Nordkette – von dort geht es eine gute Stunde wei

ter zur 2017 eröffneten, komplett neu erbauten Umbrüggler Alm auf 1123 Metern. Der sehr modern gestaltete Betrieb bietet einerseits eine erfreulich­e Karte, auf der die üblichen Hüttenklas­siker in der Minderheit sind, und anderersei­ts einen Blick auf den gegenüberl­iegenden Patscherko­fel. Jenen Gipfel, auf dem die Wanderung in sieben Tagen zu Ende gehen wird.

Nach Etappen aufs Sonnenplat­eau von Mieming, über Lärchenwie­sen und die Stubaier Alm, vorbei an Bergsteige­rdörfern im Sellrainta­l erwartet einen dort oben, auf dem 2248 Meter hohen Gipfel des Patscherko­fels, wieder dieser beeindruck­ende Blick auf die Stadt. Diesmal breitet sich Innsbruck vor einem aus. Einer der Höhepunkte der Tour kommt zum Schluss: der sehr kommode Zirbenweg rund um den Patscherko­felgipfel. Auch hier gibt es mehrere Einkehrmög­lichkeiten, zum Beispiel bei der Boschebenh­ütte, wo es den besten Graukas und Zirbenschn­aps der Innsbrucke­r Hausberge gibt.

Viel bevölkerte Wege

Überanstre­ngen wird man sich auf dieser Tour nicht, die man individuel­l oder geführt machen kann. Noch dazu gibt es täglich die Wahl zwischen zwei Varianten: einer leichten mit maximal fünf Stunden und einer mittelschw­eren mit bis zu acht Stunden. Auch richtig ausgesetzt­e Passagen fehlen, wenn man von den schmalen Stellen für die besten Instagram-Fotos auf dem Faltegarte­nköpfl absieht. Natürlich lässt sich die tägliche Gehzeit verlängern, indem man den ein oder anderen Gipfel mitnimmt, den man streng der Tour folgend auslassen würde. Die Tagesziele der leichten Variante sind jedenfalls gut für Großfamili­enwanderun­gen inklusive Großeltern und Enkel geeignet.

Was einem vor allem auf dem Patscherko­fel und der Nordkette bewusst wird: Das sind die Hausberge der Innsbrucke­r und Tagestouri­stenziele noch dazu. Hier ist also immer viel los. Den Zirbenweg gehen viele auch, nachdem sie mit der Seilbahn auf den Gipfel gefahren sind. Die Hütten sind voll. Und man muss leider wieder runter wie alle anderen auch. Weil die Unterkunft ist ja im Tal. Sonnenunte­rgänge auf einsamen Gipfeln spielt’s hier also nicht.

 ?? [ Anna-Maria Wallner ] ?? Kurz vor der letzten Etappe auf dem Rückweg nach Innsbruck belohnt der Blick vom Patscherko­fel auf das Innsbrucke­r Becken. Hier beginnt der malerische Zirbenweg.
[ Anna-Maria Wallner ] Kurz vor der letzten Etappe auf dem Rückweg nach Innsbruck belohnt der Blick vom Patscherko­fel auf das Innsbrucke­r Becken. Hier beginnt der malerische Zirbenweg.
 ?? [ Wallner ] ?? Die nächste Einkehr ist es nie weit.
[ Wallner ] Die nächste Einkehr ist es nie weit.

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