Von jedem Gipfel die Stadt im Blick Den Weitwanderweg rund um Innsbruck geht man nicht wegen der sportlichen Aufstiege oder der hohen Gipfel. Sondern wegen spektakulärer Blicke auf die Stadt, eher untypischer Hüttenküche und der Nähe zur Landeshauptstadt.
Tirol.
Am höchsten Punkt der Tagesetappe, am Faltegartenköpfl, herrscht regelrecht Stau. Fast ein Dutzend Wanderer haben auf dem schmalen Grat ihre Smartphones aus den Rucksäcken oder Hosentaschen gezogen und machen Selfies oder Gruppenfotos. Wobei es ihnen hier auf dem 2184er-Gipfel weniger um das Dokumentieren eines geschafften Aufstiegs geht, als um das Festhalten des beeindruckenden Panoramas. Von hier oben sieht man auf die Ausläufer des Innsbrucker Beckens, nicht direkt auf die Tiroler Landeshauptstadt, aber auf die Orte Silz, Stams und, etwas weiter östlich, auch Telfs. Weil der Köpfl nördlich so steil in die Tiefe geht, ist das hier ein Platz für spektakuläre Fotos.
Es sind Blicke wie diese, die die Weitwanderroute rund um Innsbruck dominieren. Seit einem Jahr
kann man sich der Stadt, die manche Touristiker etwas protzig als „Hauptstadt der Alpen“bezeichnen, über ihre angrenzenden Gebirgsketten nähern oder neu erobern. Die Idee dieser Siebentagestour ist, dass man insgesamt weit wandert, zwischendurch aber immer wieder in die Zivilisation respektive eine „Stadt“, also Innsbruck, zurückkehrt. Wer will, kann sich auch im Vier-Sterne-Stadthotel The Penz einquartieren und nach dem Frühstück im Dachgeschoß mit Blick auf Nordkette und Patscherkofel loswandern.
Abends Cocktails an der Bar
Manchen mag die Idee schräg erscheinen, weil sie in die Berge in erster Linie wegen der Ruhe, Einfachheit und Einsamkeit wollen. Noch mehr, wenn man mehrere Tage, also weitwandernd, unterwegs sein will. Aber es gibt eben mittlerweile auch die anderen, die wollen Natur und Kuhglockengebimmel untertags und abends ein Dampfbad und Cocktails an der Bar. Wenn ein solches Berg-trifftStadt-Angebot wo hinpasst, dann ohnehin nur nach Innsbruck. Wer hier lebt, weiß die Berge in seinen Alltag, inklusive Kinderbetreuung, Wochenendeinkauf und Büropflichten einzubauen.
So kann man sich vom Innsbruck Trek auch nicht die spektakulären, anspruchsvollen oder gar hohen Aufstiege erwarten, sondern vor allem gemütliche Tagestouren mit reichlich Almencharme und vielen Tieren. Man stapft durch Futterwiesen großer Pferdeherden, geht ausgerechnet im Kühtai ein Stück des Weges mit sehr entspannten Kühen und ihrem Hirten; sein Kompagnon ist kurz davor mit dem Moperl weggebrummt. Am Ende des malerischen Wegs vom Ort Obsteig am stark befahrenen Fernpass, der zuerst durch einen zauberhaft schönen Wald und dann neben einem ebenso lieblichen Bach entlangführt, begegnet man putzigen Schafen mit schwarzen Hufen und schwarzem Gesicht. Die BlackFace-Gang gehört zum Lehnberghaus in der Mieminger Kette wie der Spielplatz. Beides ein guter Grund für eine Rast dort, die Speisekarte weniger. Die empfiehlt sich eher im Arzkasten, einem richtigen Gasthof, der schon nach dem ersten Drittel des Wegs auf der rechten Seite auftaucht.
So wie der Blick begleitet einen auf dieser Wanderroute das gute Essen. Die Tour lässt sich sogar mit einer Einkehr starten. Die erste Etappe beginnt je nach Gehfreude entweder direkt am Innufer in der Altstadt oder mit einer Fahrt mit der Hungerburgbahn zur Mittelstation auf der Nordkette – von dort geht es eine gute Stunde wei
ter zur 2017 eröffneten, komplett neu erbauten Umbrüggler Alm auf 1123 Metern. Der sehr modern gestaltete Betrieb bietet einerseits eine erfreuliche Karte, auf der die üblichen Hüttenklassiker in der Minderheit sind, und andererseits einen Blick auf den gegenüberliegenden Patscherkofel. Jenen Gipfel, auf dem die Wanderung in sieben Tagen zu Ende gehen wird.
Nach Etappen aufs Sonnenplateau von Mieming, über Lärchenwiesen und die Stubaier Alm, vorbei an Bergsteigerdörfern im Sellraintal erwartet einen dort oben, auf dem 2248 Meter hohen Gipfel des Patscherkofels, wieder dieser beeindruckende Blick auf die Stadt. Diesmal breitet sich Innsbruck vor einem aus. Einer der Höhepunkte der Tour kommt zum Schluss: der sehr kommode Zirbenweg rund um den Patscherkofelgipfel. Auch hier gibt es mehrere Einkehrmöglichkeiten, zum Beispiel bei der Boschebenhütte, wo es den besten Graukas und Zirbenschnaps der Innsbrucker Hausberge gibt.
Viel bevölkerte Wege
Überanstrengen wird man sich auf dieser Tour nicht, die man individuell oder geführt machen kann. Noch dazu gibt es täglich die Wahl zwischen zwei Varianten: einer leichten mit maximal fünf Stunden und einer mittelschweren mit bis zu acht Stunden. Auch richtig ausgesetzte Passagen fehlen, wenn man von den schmalen Stellen für die besten Instagram-Fotos auf dem Faltegartenköpfl absieht. Natürlich lässt sich die tägliche Gehzeit verlängern, indem man den ein oder anderen Gipfel mitnimmt, den man streng der Tour folgend auslassen würde. Die Tagesziele der leichten Variante sind jedenfalls gut für Großfamilienwanderungen inklusive Großeltern und Enkel geeignet.
Was einem vor allem auf dem Patscherkofel und der Nordkette bewusst wird: Das sind die Hausberge der Innsbrucker und Tagestouristenziele noch dazu. Hier ist also immer viel los. Den Zirbenweg gehen viele auch, nachdem sie mit der Seilbahn auf den Gipfel gefahren sind. Die Hütten sind voll. Und man muss leider wieder runter wie alle anderen auch. Weil die Unterkunft ist ja im Tal. Sonnenuntergänge auf einsamen Gipfeln spielt’s hier also nicht.