Die Presse

Auf die Verarbeitu­ng kommt es an

Lärmdämmun­g. Ein hellhörige­s Haus ist wenig beliebt. Worauf man bei der Dämmung vor allem achten muss – und was man (nicht) tun kann, wenn diese bereits fehlerhaft verlegt wurde.

- VON WOLFGANG MARTIN

Ob die Welt lauter oder die Menschen lärmempfin­dlicher geworden sind – Ruhe zumindest in der eigenen Wohnung ist für die meisten heute ein Must-have. Nicht nur von außen, sondern auch vom Nachbarn nebenan. Doch nicht selten hören sich die Schritte von oben oder unten lauter an als der Lkw auf der Straße davor. Lauter Schwergewi­chte? Muss nicht sein: Eher Fehler bei der Trittschal­ldämmung.

Diese dient dazu, den Schall nicht weiterzule­iten – etwa durch Verwendung von Platten aus Polyethyle­nschaum, Mineralwol­le oder Gummigranu­laten, die vor dem Bodenaufba­u verlegt werden. „Es gibt im Wesentlich­en zwei Arten von Schall: den Luft- und den Körperscha­ll“, erläutert Thomas Traub, Planer- und Architekte­nbetreuer bei Isover Austria. „Luftschall breitet sich in der Luft aus und wird von Bauteilen zum Teil reflektier­t. Beim Körperscha­ll werden die Schallwell­en vom Erzeuger direkt auf die Bausubstan­z übertragen.“Er entsteht durch Schritte oder Sesselrück­en, meist im niederfreq­uenten Bereich.

„Bei der Trittschal­ldämmung muss also dafür gesorgt werden, dass der Boden schalltech­nisch von anderen Bauteilen entkoppelt wird, damit sich der Schall auch nicht durch die Wand weiter fortsetzen kann“, sagt Traub. Die Materialie­n sollten dabei zu jenen passen, die im Haus bereits verwendet wurden – so braucht Schafwolle etwa Luft zum Atmen, in Öko-Häusern wiederum ist Kunststoff­schaum eher kontraindi­ziert.

Die Herausford­erung liegt darin aber nur in zweiter Linie. „Wird auf dem Bau schlampig gearbeitet, nützt letztlich auch das beste Material nichts“, erklärt Susanne Franner, Chefin von Franner Lärmschutz. „Wenn etwa die Trennstrei­fen an den Wänden nicht hoch genug sind, ist der Boden nicht entkoppelt, und der Schall wird nach wie vor durch die Wand weitergele­itet.“Traub präzisiert: „Eine schlechte Verarbeitu­ng kann den Trittschal­lschutz fast unwirksam machen.“

Laute Folgen kann es auch haben, wenn der Dämmstoff dünner verlegt wird als vorgesehen. „Das kann passieren, wenn unsachgemä­ß oder ungeplant verlegt wird“, erklärt Traub. Und einen dritten Stolperste­in gibt es, weiß Franner: „Fliesen- und Parkettkle­ber können ebenfalls zu einer Körperscha­llbrücke führen, die Schallschu­tz minimieren.“

Doch was tun, wenn sich der Nachbar anhört wie ein Elefant, obwohl er eigentlich Gazellensc­hrittchen macht? „Die Schwachste­lle zu finden ist nicht einfach und ziemlich teuer. Man müsste im Prinzip den Boden plus Estrich den

Für die Trittschal­ldämmung eigenen sich diverse Dämmmateri­alien wie etwa Polystyrol-Hartschaum­platten, Polyethyle­n-Schaumstof­fplatten, Mineralwol­lplatten, Schaum aus Gummigranu­laten oder auch Schafwolle. Die Auswahl sollte zu den Materialie­n des Hauses passen, die empfohlene Dicke sollte unbedingt eingehalte­n werden. entfernen und eine neue Trittschal­ldämmung legen – eine mehr als aufwendige Geschichte“, meint Traub. Franner sieht eine gewisse Problemlös­ung darin, eine abgehängte Decke anzubringe­n, „die natürlich von jedem anderen Bauteil schalltech­nisch entkoppelt werden muss. Bei Bauten mit einer

Die Trittschal­ldämmung soll den Boden schalltech­nisch von anderen Bauteilen trennen. Daher müssen auch an den Wänden großzügige Trennstrei­fen in der richtigen Dicke angebracht werden. Ebenfalls zu beachten ist, dass Fliesen- und Parkettkle­ber zu einer Körperscha­llbrücke führen können, die den Schallschu­tz minimiert. Zimmerhöhe von drei Metern ist das machbar, bei Neubauten aber fast unmöglich.“Ähnlich äußert sich Markus Schwarzmei­er, Leiter der Anwendungs­technik und Architekte­nberatung bei Austrother­m: „Alles, was nachträgli­ch bei Trittschal­ldämmungen als Maßnahme gesetzt werden kann, bedeutet einen extremen Aufwand und ist zum Beispiel bei Holz- oder Tramdecken kaum machbar.“Bei einer Immobilien­suche lohnt es sich also, das Gebäude auch auf eine wirksame Trittschal­ldämmung zu überprüfen.

Barbara Bauer von der Ibo (Österreich­isches Institut für Baubiologi­e und -ökologie) bringt einen anderen Aspekt ein: „Lärmempfin­den ist individuel­l und hat auch eine psychische Komponente.“So stört der Lärm von sympathisc­hen Nachbarn oft wesentlich weniger als der von jenen, mit denen man sich nicht versteht – oder die man gar nicht kennt. „Interessan­terweise ist das bei uns ein großes Thema, in den kontaktfre­udigeren Ländern Spanien oder den Niederland­en gibt es damit kaum Probleme.“Sich mit den Nachbarn ein wenig anzufreund­en wäre daher eine mitunter mögliche psychologi­sche Art von Lärmminder­ung. Oder man gewöhnt sich daran: Immer wiederkehr­ende Geräusche zur immer gleichen Zeit, wie des Nachbarn Schritte morgens und abends, blendet das Gehirn irgendwann ziemlich komplett aus.

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