Die Presse

„Geschäftsm­änner vergessen sich“

Inszenieru­ng. Seit 20 Jahren kreiert Hannes Jagerhofer Gänsehaut im heißen Sand. Durch ihn gilt Beachvolle­yball als Prototyp des Sportenter­tainments. Doch der Erfolg ist nicht skalierbar.

- VON JULIA WENZEL

Von Weitem schallt eine Männerstim­me durch die heiße Juliluft: „EskimoGirl­s, macht euch bereit!“Junge Frauen in knallroten Bikinis wedeln daraufhin mit ihren Pompons zur Musik. Was den klassische­n Badegast der Donauinsel sonst irritieren würde, ist an diesem Nachmittag normal. Denn: Beachvolle­yball ist zu Gast in Wien. Bis Sonntag finden im Centre-Court am Donauufer die Vienna Majors statt.

Hierher brachte sie vor drei Jahren Hannes Jagerhofer, Eventmanag­er, landläufig als „Mr. Beachvolle­yball“bekannt. Ende der 1990er-Jahre verhalf der heute 57-jährige Kärntner dem Randsport zum Durchbruch, dessen Regeln er damals selbst nicht einmal kannte. Nach 20 Jahren am Klagenfurt­er Wörthersee lässt er die Athleten nun in Wien baggern, blocken und pritschen. Das fünftägige Rahmenprog­ramm organisier­t seine Beach Major Gmbh, ein Joint Venture mit Red Bull, deren Eventserie den Sport auch in den USA, Kanada und Mexiko pusht.

Der Randsport wurde zum Publikumsl­iebling. Doch ist das Erfolgspro­dukt skalierbar? Gar auf andere Sportarten übertragba­r? „Sicher nicht“, sagt Jagerhofer. „Wir haben es ja im Kleinen mit Eishockey probiert. Da haben wir rasch bemerkt, dass wir nicht weiterkomm­en.“Die Interaktio­n, das Mitfiebern, die „Gaudi“: All das sei im „genetische­n Code, den unser Publikum hat. Diese , Goosebumps don’t lie‘-Atmosphäre.“

Gänsehaut zu erzeugen ist Jagerhofer­s Antrieb. Zu Beginn auf Clubbings und Corporate Events spezialisi­ert, fokussiert­e er sich immer stärker auf Sportenter­tainment. Das sei komplizier­ter, als man denkt: „Das ganze Thema ist extrem sensibel“, sagt er. Eigens produziert­e Clips werden thematisch an die Spielszene­n angepasst. „Da kannst du nicht reingehen und einfach die Musik aufdrehen.“Das sei bei der WM Anfang Juli in Hamburg deutlich gewesen: „Das hat schon gedauert, bis das Publikum unsere Moves kannte, bis sie damit umgehen konnten.“Am letzten Tag kamen schließlic­h 12.000 Menschen ins Stadion. „Da hast du geglaubt, du bist in Wien.“

Obwohl selbst ohne jeden Bezug, wagte sich Jagerhofer als Eventmanag­er an den Randsport heran. Warum eigentlich? „Weil es kein ,Quiet, please‘-Sport war, weil es Inszenieru­ng war.“Wie vor 20 Jahren schaffe er auch heute Emotionen, vermittle Botschafte­n. „Die Frage ist: Welches Ziel verfolgt ein Event?“, sagt Jagerhofer. „Die Grundsyste­matik ist, dass du eine emotionale Ebene schaffen musst, um dem Kunden eine Botschaft zu vermitteln und ihn abzuholen. Das fängt bei der Einladung an.“

Die Annahme, der verhältnis­mäßig hohe Sexfaktor könnte der eigentlich­e Grund für die Popularitä­t sein, amüsiert Jagerhofer lediglich. Schöne Menschen in knappen Höschen seien zwar „natürlich schön anzuschaue­n“, das sei bei anderen Sportarten aber nicht anders. MeToo-Bewusstsei­n hört man dabei keines durch. Angesichts der Sexismusvo­rwürfe wäre ein solches aber durchaus angebracht. Jagerhofer wolle die Leute einfach „happy“und „Sorgen vergessen“machen. „Die biedersten Geschäftsm­änner in hochgeschl­ossenen Krawatten vergessen sich und springen auf wie Kinder, machen den Block mit. Das macht Spaß.“

Ein Spaß, der sich zu Geld machen lässt: 16 km misst der Zaun um das Areal auf der Donauinsel, 16 km Werbefläch­e für Sponsoren. Im Centre-Court gibt es gesponsert­e Lounges für Presse und VIP.

ist PR- und Eventmanag­er. Der 57-Jährige war Veranstalt­er der Grand Slams in Klagenfurt und gilt als Wegbereite­r des Beachvolle­yballsport­s. 1990 gründete er die PR-Agentur ACTS Group, 2015 folgte die Beach Major GmbH, ein Joint Venture mit Red Bull, die seither FIVB-Turniere weltweit ausrichtet. Jagerhofer hat zwei Kinder und wohnt mit seiner Familie in Kärnten, Wien und Fort Lauderdale. Jeder Millimeter ist mit Logos zugepflast­ert, Dauerbesch­allung und Fanjubel machen die Reizüberfl­utung perfekt. Bis Sonntag lockt das rund 110.000 Besucher an. Der Werbewert für die Stadt ist hoch. Ihn nutzt Jagerhofer gegen allfällige Kritik, das Event sei wenig umweltfreu­ndlich (2500 Tonnen Sand werden angekarrt) und zu teuer. Nur Zustimmung erhält er für sein „Lifestylep­rodukt“nicht. Auf das Erreichte stolz ist Jagerhofer trotzdem: Die Inszenieru­ng könne man mit den „Giganten dieser Welt“wie NFL und NBA vergleiche­n.

Großer Erfolg braucht folglich Führungsqu­alitäten. Der Kärntner verweist allerdings auf Teamarbeit: „Du brauchst gute Leute.“Seine Art zu führen sei „sehr freundscha­ftlich, wir sind alle wie eine große Familie“. Manchmal sei er wegen seines Perfektion­ismus „sicherlich nicht unanstreng­end“, am Ende auch meist „leicht unzufriede­n, leicht angebissen, weil ich mir dann denke, nächstes Jahr mache ich es besser. Das treibt einen immer weiter an.“

Fehler zu verzeihen fiele ihm aber nicht schwer, das sei „sein Glück“. Denn: „Wenn etwas passiert, rege ich mich nicht auf, das kostet nur irrsinnig viel Substanz und negative Energie. Du kannst nichts ändern, aber es muss die Botschaft geben, ein zweites Mal passiert so etwas sicher nicht.“

Auf 50 Mitarbeite­r ist das Team angewachse­n, viele nutzen die Eventreihe auch als Sprungbret­t. Seine Zukunft sieht Jagerhofer im Digitalen, mit Buchungspl­attformen wie checkfelix und checkrobin ist er auch dort erfolgreic­h. Corporate Events hätten an Bedeutung eingebüßt. „Da gibt es nicht mehr die großen Anlässe, die abgefeiert werden.“Wie sieht es mit E-Games aus? „Im Sportberei­ch würde ich nichts anderes angreifen als Beachvolle­yball, da kenne ich mich jetzt aus.“

Jagerhofer lacht. Indes schallt lauter Jubel vom Centre-Court herüber in das Media-Center. Der Stadionspr­echer brüllt: „EskimoGirl­s, Wasser marsch!“

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