Ab in die Zwangspension
Potenzial. Mehr Unternehmen als zuletzt schieben Mitarbeiter auch gegen deren Wunsch in die Pension. Diese sehen das eher als Zwei Drittel wollen weiterarbeiten.
Leopold Stieger (80) lebt, was er predigt. Vor 15 Jahren, mit 65, übergab er seine drei Firmen an seine vier Söhne (eine Herausforderung per se) und teilte der überraschten Familie mit, beruflich noch einmal durchstarten zu wollen. Mit einer Plattform für Menschen rund um die Pensionierung. Denn, wie er sagt, „die meisten von uns haben noch zwanzig gute Jahre vor sich. Die sollten sie nützen.“
Schon deshalb, weil arbeiten gesund hält. Stieger predigte das bereits zu einer Zeit, als die Pension noch mit Tauberlnfüttern im Park assoziiert wurde.
15 Jahre später ist seine Plattform seniors4success.at eine Anlaufstelle einerseits für Menschen vor der Pensionierung, die sich gezielt auf eine produktive Zeit danach vorbereiten wollen. Stieger nennt die Lebensphase vor dem endgültigen Ruhestand die Freitätigkeit, „weil man frei wählen kann, ob und wie man tätig sein will“.
Andererseits werden Plattform und Beratung von Unternehmen frequentiert, die sich auch für ihre älteren Mitarbeiter verantwortlich fühlen. Oder die ihren Frischpensionierten etwas mit auf den Weg geben wollen.
Am Mittwoch veröffentlichte Stieger zum dritten Mal seine von Telemark Marketing durchgeführte Studie. Befragt wurden 500 Menschen, älter als 45 Jahre und erwerbstätig Zwei Drittel der Österreicher wollen in der Pension 2017 waren es erst 56 Prozent. Das geht aus einer Studie der Plattform seniors4success.at hervor. Auffallend steigt die Zahl derer, die gegen ihren Willen vom Arbeitgeber in Pension geschickt werden: von acht Prozent 2017 auf 15 Prozent zuletzt. Motiv sind erhoffte Einsparungen. oder pensioniert. Markanteste Erkenntnis: Trotz Fachkräftemangels schicken Arbeitgeber wieder vermehrt ältere Mitarbeiter in Zwangspension – auch gegen deren Willen.
2014 fühlten sich neun Prozent in die Pension gedrängt, ähnlich 2017 mit acht Prozent. 2019 stieg dieser Wert unerwartet auf 15 Prozent an. „Diese Arbeitgeber sehen nur den Spareffekt“, kritisiert Stieger. Billige Junge rein, teure Alte raus, selbst wenn sie länger arbeiten wollen, „das gilt für die Leistungsträger genauso wie für die Mitgeschleppten“.
2014 konnten von den verbleibenden Befragten 54 Prozent den Pensionierungszeitpunkt frei wählen. 2017 waren es 69 Prozent, 2019 schwenkt das zurück auf 66 Prozent. Der Rest nannte andere, etwa gesundheitliche Gründe.
66 Prozent der Neopensionäre aber denken laut Studie noch lang nicht ans Aufhören. Voll- oder Teilzeit, bezahlt oder ehrenamtlich, zwei Drittel geben an, sich weiterhin beruflich engagieren zu wollen: „Weil es Spaß macht, weil sonst die sozialen Kontakte abreißen, weil man seine Zeit sinnvoll nützen will – und natürlich auch, weil man dazuverdienen will. Oder muss.“
Zum Vergleich: 2017 hielten erst 56 Prozent ein Weitermachen für erstrebenswert. Damals überwog auch bei 60 Prozent die Vorfreude auf die Pension – jetzt sind es 54 Prozent. Explizite Angst äußern aktuell sieben Prozent, der Rest ist neutral.
Für Stieger wird „immer deutlicher, dass Arbeit eine Quelle von Wertschätzung, Sinn und Befriedigung ist. So hat man das früher nicht gesehen.“
Vor allem die Wertschätzung wird schmerzlich vermisst. 2017 fühlten sich 20 Prozent in der Pension weniger gebraucht als davor. Jetzt sind es 27 Prozent.