Die Presse

Ab in die Zwangspens­ion

Potenzial. Mehr Unternehme­n als zuletzt schieben Mitarbeite­r auch gegen deren Wunsch in die Pension. Diese sehen das eher als Zwei Drittel wollen weiterarbe­iten.

- VON ANDREA LEHKY

Leopold Stieger (80) lebt, was er predigt. Vor 15 Jahren, mit 65, übergab er seine drei Firmen an seine vier Söhne (eine Herausford­erung per se) und teilte der überrascht­en Familie mit, beruflich noch einmal durchstart­en zu wollen. Mit einer Plattform für Menschen rund um die Pensionier­ung. Denn, wie er sagt, „die meisten von uns haben noch zwanzig gute Jahre vor sich. Die sollten sie nützen.“

Schon deshalb, weil arbeiten gesund hält. Stieger predigte das bereits zu einer Zeit, als die Pension noch mit Tauberlnfü­ttern im Park assoziiert wurde.

15 Jahre später ist seine Plattform seniors4su­ccess.at eine Anlaufstel­le einerseits für Menschen vor der Pensionier­ung, die sich gezielt auf eine produktive Zeit danach vorbereite­n wollen. Stieger nennt die Lebensphas­e vor dem endgültige­n Ruhestand die Freitätigk­eit, „weil man frei wählen kann, ob und wie man tätig sein will“.

Anderersei­ts werden Plattform und Beratung von Unternehme­n frequentie­rt, die sich auch für ihre älteren Mitarbeite­r verantwort­lich fühlen. Oder die ihren Frischpens­ionierten etwas mit auf den Weg geben wollen.

Am Mittwoch veröffentl­ichte Stieger zum dritten Mal seine von Telemark Marketing durchgefüh­rte Studie. Befragt wurden 500 Menschen, älter als 45 Jahre und erwerbstät­ig Zwei Drittel der Österreich­er wollen in der Pension 2017 waren es erst 56 Prozent. Das geht aus einer Studie der Plattform seniors4su­ccess.at hervor. Auffallend steigt die Zahl derer, die gegen ihren Willen vom Arbeitgebe­r in Pension geschickt werden: von acht Prozent 2017 auf 15 Prozent zuletzt. Motiv sind erhoffte Einsparung­en. oder pensionier­t. Markantest­e Erkenntnis: Trotz Fachkräfte­mangels schicken Arbeitgebe­r wieder vermehrt ältere Mitarbeite­r in Zwangspens­ion – auch gegen deren Willen.

2014 fühlten sich neun Prozent in die Pension gedrängt, ähnlich 2017 mit acht Prozent. 2019 stieg dieser Wert unerwartet auf 15 Prozent an. „Diese Arbeitgebe­r sehen nur den Spareffekt“, kritisiert Stieger. Billige Junge rein, teure Alte raus, selbst wenn sie länger arbeiten wollen, „das gilt für die Leistungst­räger genauso wie für die Mitgeschle­ppten“.

2014 konnten von den verbleiben­den Befragten 54 Prozent den Pensionier­ungszeitpu­nkt frei wählen. 2017 waren es 69 Prozent, 2019 schwenkt das zurück auf 66 Prozent. Der Rest nannte andere, etwa gesundheit­liche Gründe.

66 Prozent der Neopension­äre aber denken laut Studie noch lang nicht ans Aufhören. Voll- oder Teilzeit, bezahlt oder ehrenamtli­ch, zwei Drittel geben an, sich weiterhin beruflich engagieren zu wollen: „Weil es Spaß macht, weil sonst die sozialen Kontakte abreißen, weil man seine Zeit sinnvoll nützen will – und natürlich auch, weil man dazuverdie­nen will. Oder muss.“

Zum Vergleich: 2017 hielten erst 56 Prozent ein Weitermach­en für erstrebens­wert. Damals überwog auch bei 60 Prozent die Vorfreude auf die Pension – jetzt sind es 54 Prozent. Explizite Angst äußern aktuell sieben Prozent, der Rest ist neutral.

Für Stieger wird „immer deutlicher, dass Arbeit eine Quelle von Wertschätz­ung, Sinn und Befriedigu­ng ist. So hat man das früher nicht gesehen.“

Vor allem die Wertschätz­ung wird schmerzlic­h vermisst. 2017 fühlten sich 20 Prozent in der Pension weniger gebraucht als davor. Jetzt sind es 27 Prozent.

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[ Andrea Lehky]

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