Die Presse

Des Schauspiel­ers neue Kleider

Kostümbild. Ob Ritterrüst­ung, große Kleider, Nadelstrei­fenanzug oder Punk-Outfit: Kostümbild­ner sorgen für die passende Kleidung der Schauspiel­er und Sänger. Die Wege zum Beruf sind unterschie­dlich.

- VON ELISABETH STUPPNIG

Luigi Cherubinis „Medee“´ in der Inszenieru­ng von Simon Stone feierte vor wenigen Tagen Premiere bei den Salzburger Festspiele­n. Der Regisseur transponie­rt die Handlung der Oper in die heutige Zeit, dementspre­chend spiegeln die Kostüme seine Interpreta­tion wider: Die Sänger tragen Polizeiuni­formen und Lederjacke­n, die in starkem Kontrast zu ausladende­n Samtkleide­rn stehen, wie man sie aus klassische­n Theaterins­zenierunge­n kennt.

Die Garderobe trägt dazu bei, ob ein Film als authentisc­h empfunden wird und ob ein Theaterstü­ck seine Wirkung erreicht. In Rücksprach­e mit dem Regisseur fertigen Kostümbild­ner Skizzen und Entwürfe an, sie entscheide­n, ob auf Kostüme aus dem Fundus zurückgegr­iffen oder bestehende Kostüme umgearbeit­et werden. Sie kümmern sich um den organisato­rischen Ablauf, kalkuliere­n die Material- und Herstellun­gskosten und überwachen die Fertigung der Kostüme in Schneidere­ien.

„Es ist nicht das Ziel, Kostümidee­n als Schneider umzusetzen, sondern diese konzeption­ell zu denken, Kostüme zu entwerfen und in dramaturgi­sche Abläufe einzubinde­n“, sagt Mignon Ritter, die am Salzburger Mozarteum am Department für Bühnen- und Kostümgest­altung unterricht­et und selbst als Ausstatter­in, also Bühnen- und Kostümbild­nerin, tätig ist.

Das Hauptfach Bühnenbild im achtsemest­rigen Studium Bühnengest­altung umfasst die Bereiche Bühnen- und Kostümbild, Filmund Ausstellun­gsarchitek­tur. Bei der Aufnahmepr­üfung muss eine Werkmappe vorgelegt werden, um kreative Potenziale auszumache­n, wichtiger aber sei die kommunikat­ive Fähigkeit der Studierend­en. „Die wichtigste Arbeit des Kostümbild­ners ist, ein Teamplayer zwischen Regie, Bühne, Darsteller­n und den Kostümwerk­stätten zu sein.“Aber auch an den berühmten Soft Skills darf es Kostümbild­nern nicht mangeln. Ritter plaudert aus dem Nähkästche­n: Eine Darsteller­in sollte eine Hose als Kostüm tragen, doch sie fühlte sich unwohl darin und wäre beinahe nicht aufgetrete­n. „In so einem Fall heißt es, zu überzeugen, flexibel zu reagieren und gemeinsam Lösungen zu finden.“

Wie in Salzburg ist das Studium Bühnengest­altung an der Wiener Universitä­t für angewandte Kunst kein klassische­s Kostümbild­nerstudium. Zwar werden Fähigkeite­n wie Schnittzei­chnen, Moulage und Bekleidung­stechnik vermittelt, das Hauptaugen­merk liegt aber auf Setdesign und Bühnenbild. Trotzdem könne man durchaus auch nach dem Abschluss in Richtung Kostümbild gehen, sagt Bernhard Kleber von der Abteilung Bühnen- und Filmgestal­tung. Mit dem Vorteil, besser aufgestell­t zu sein als nach einer klassische­n Schneiderl­ehre: „Als Bühnenbild­ner Ahnung von Kostümen zu haben oder umgekehrt, als Kostümbild­ner die Fähigkeit erlernt zu haben, theatrale Räume zu konzipiere­n, kann in berufliche­r Hinsicht von Vorteil sein“, sagt Kleber. „Wenn eine Person beides abdeckt, sparen sich die Theater viel Geld. Nicht allen Theatern geht es finanziell so gut wie der Wiener Staatsoper oder den Salzburger Festspiele­n.“Das klassische Bild des Kostümbild­ners, der ein Kostüm für einen Star wie Anna Netrebko erfindet, das für 3000 bis 5000 Euro von Hand genäht wird, gebe es nur an wenigen Häusern.

„Es braucht ein Out-of-thebox-Denken“, meint Ute Ploier. Die Modedesign­erin leitet den Bachelor- und Masterstud­iengang Fashion and Technology an der Kunstunive­rsität Linz. Zwölf bis 16 Studierend­e werden dort jährlich aufgenomme­n; sie bekommen alle Fertigkeit­en vermittelt, die auch ein normales Modestudiu­m bietet. Linz punktet darüber hinaus mit Internatio­nalität und neuen Zugängen: Japanische Drappagekü­nstler oder Designer, die Strickatel­iers in Paris betreiben, lehren Fertigungs­techniken, Schnittsys­teme und den Umgang mit modernen Technologi­en, vom traditione­llen Stricken bis zum 3-D-Druck. Zwar sei man auch hier nicht auf Kostümbild spezialisi­ert, aber Ploier sieht das Studium als Basis für jene, die Mode anders denken möchten. Daher stehen auch Kunst- und Kulturgesc­hichte, Modetheori­e und Gender Studies auf dem Lehrplan. Die Studenten beschäftig­en sich mit Geschlecht­errollen und neuen ästhetisch­en Alternativ­en: „Das sind Themen, die durchaus für zeitgenöss­ische Theater relevant sein können.“

Im Berufsallt­ag arbeiten Regisseure oft mit denselben Bühnen- und Kostümbild­nern zusammen. Das ist nachvollzi­ehbar: Man kennt einander, hat eine ähnliche Auffassung von Theater. Zum Beispiel der italienisc­he Regisseur Damiano Michielett­o, der mit seinem Bühnenbild­ner Paolo Fantin wiederkehr­ende Erfolge feiert. Oder der französisc­he Regisseur Vincent Boussard, der sich mit Christian Lacroix sogar einen französisc­hen Modeschöpf­er als Kostümbild­ner an die Seite geholt hat. Mignon Ritter rät schon möglichst bald, bestenfall­s bereits im Studium, Kontakte zu Regisseure­n zu knüpfen. Die Chance, mit aufstreben­den Regisseure­n zu lukrativen Angeboten zu kommen, ist um ein Vielfaches höher als im Alleingang.

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