Vom Fremdenführer zum Infotainer
Tourismus. Neu konzipierte, kürzere Kurse sorgen in Wien dafür, dass der Bedarf an kompetenten Fremdenführern in Zukunft gedeckt sein wird.
Fremdenführer zu sein ist mehr als ein Nebenjob für Studenten. Es ist ein Hauptberuf, der auf selbstständiger Basis ausgeführt wird, wofür eine dreiteilige Befähigungsprüfung erforderlich ist. Dabei wird historisches sowie kunsthistorisches Wissen in Theorie und Praxis (Bustour, Stadtspaziergang und Museumsbesuch) abgefragt, ergänzt um eine Art Unternehmerprüfung, die rechtliche, buchhalterische und verkaufstechnische Aspekte umfasst. Jeder Fremdenführer muss Führungen in Deutsch und mindestens einer Fremdsprache beherrschen. Die Gewerbeordnung schreibt vor, dass mindestens 200 Stunden Unterricht plus 50 Stunden Exkursionen absolviert werden müssen. Doch wie und wo erlangt man die Fähigkeiten, die so einen Infotainer – wie sich Fremdenführer gern selbst nennen – auszeichnen?
Jahrelang wurde die Ausbildung zum Fremdenführer berufsbegleitend in Wien vom Wirtschaftsförderungsinstitut der Wirtschaftskammer (Wifi) und vom Berufsförderungsinstitut (BFI) angeboten. Beide Kurse übertrafen die Mindeststundenanzahl bei Weitem: Der Wifi-Kurs dauerte vier Semester, der BFI-Kurs drei. Durch das Auftreten eines dritten Kursanbieters, des Instituts Dr. Rampitsch, hat sich seit vergangenem Jahr einiges geändert.
Intensivkurs gefragt
Zusätzlich zum altbewährten Abendkurs wurde am Wifi erstmals ein Tagesintensivkurs ins Leben gerufen, der lediglich acht Monate dauert. Ein Abendkurs kam im Sommersemester nicht zustande, der aktuelle Intensivkurs startete vor wenigen Tagen. „Offensichtlich verlangt es der Markt“, sagt Gina Husa, seit vielen Jahren als Austria Guide und in der Ausbildung zukünftiger Kollegen tätig. „Das Kursangebot entspricht wohl den Anforderungen des AMS, das berufsbegleitende Kurse nur sehr selten genehmigt. Ob der geblockte Unterricht von zum Beispiel 40 Stunden Geschichte pro Woche zielführend ist, wird sich erst zeigen.“Wifi-Lehrgangsleiterin Lisa Zeiler berichtet, dass der Tageskurs gut angenommen wurde: „Ich war selbst positiv überrascht, wie engagiert die 24 Teilnehmer im vergangenen Intensivkurs waren. Die ersten haben im Frühjahr die Prüfungen bereits erfolgreich abgelegt.“Der Abendkurs erhält einen Relaunch, der nächste Start ist für Februar 2020 geplant.
Themen gestrafft
Das BFI hat seinen berufsbegleitenden Fremdenführer-Lehrgang neu strukturiert und von drei auf zwei Semester reduziert. Themen aus der Geschichte und Kunstgeschichte des Mittelalters wurden gestrichen, einige Exkursionen aus dem Programm genommen. Der nächste Kurs startet am 17. September in Wien. „Unsere Ausbildung dauert jetzt zwei längere Semester und endet im Juli 2020“, erklärt BFI-Kursleiterin Katharina Saudino. Die Teilnehmer haben die Möglichkeit, beim Herbsttermin 2020 alle drei Modulprüfungen abzulegen. Saudino: „Ein einjähriger, berufsbegleitender Kurs erscheint mir ideal für Studierende, die in den Beruf des Fremdenführers neu einsteigen wollen. Bedarf ist auf alle Fälle vorhanden.“
Einstieg jedes Semester
Wifi und BFI reagieren mit der Neuorganisation der Fremdenführer-Ausbildung auf den neuen Kursanbieter. Das Bildungsforum – Institut Dr. Rampitsch bietet einen dreisemestrigen Kurs an, der berufsbegleitend ist und den Vorteil hat, dass ein Einstieg in jedem Semester möglich ist. „Unsere ersten Teilnehmer werden im Herbst zur Prüfung antreten“, sagt Gerd Brandstätter, Programmverantwortlicher beim Bildungsforum. „In unserem rollierenden System wiederholen sich alle drei Semester die Inhalte. Derzeit stehen rund 30 bis 40 Studierende in der Ausbildung.“Brandstätter sieht den Fremdenführer-Lehrgang beim Bildungsforum als Reaktion auf Veränderungen im Tourismus. Spezialkurse für Reiseleiter und Rezeptionisten sollen noch folgen.
Gerti Schmidt, Obfrau der Freizeit- und Sportbetriebe der Wirtschaftskammer Wien, beobachtet die Änderungen bei den Kursen: „Wir schauen uns die Entwicklung genau an. Die abschließende Befähigungsprüfung ist ja dieselbe, insofern können wir sicherstellen, dass die Qualität der Ausbildung gehalten wird.“Schmidt ist davon überzeugt, dass der Markt die vielen neuen Fremdenführer problemlos aufnehmen wird: „Die Berufssituation hat sich in den vergangenen 30 Jahren gravierend verändert. Früher gab es viele Fremdenführer, die den Job in Teilzeit ausgeübt haben, heute ist der Job häufig ein Hauptberuf. Die Aufgaben sind komplexer, herausfordernder und anstrengender geworden.“