Die Presse

Man darf die Polizei filmen

Video. Die Exekutive rückte gegen einen mutmaßlich­en Staatsverw­eigerer an. Dessen Frau filmte den Einsatz. Ein im Video erkennbare­r Polizist klagte. Die Staatsgewa­lt müsse sich Aufnahmen gefallen lassen, sagt der OGH.

- VON PHILIPP AICHINGER [ Feature: Reuters/Sergio Flores ]

Ein Polizist klagte, weil er im Einsatz mit dem Handy gefilmt worden war. Er muss es sich gefallen lassen.

Wien. Ein Handy ist heutzutage immer dabei – und damit auch die Möglichkei­t, die Exekutive zu filmen. Aber muss es sich ein Polizist überhaupt gefallen lassen, dass er erkennbar abgelichte­t wird? Und was gilt, wenn das Video danach auch noch auf YouTube landet? Fragen, bei denen sich die Gerichtsin­stanzen nicht einig waren. Doch nun klärte der Oberste Gerichtsho­f (OGH) die Rechtslage.

Begonnen hatte alles mit einem Konkursver­fahren gegen einen Unternehme­r, der als mutmaßlich­er „Staatsverw­eigerer“eingestuft wurde. Um Exekution führen zu können, kamen neben zwei Gerichtsvo­llziehern daher auch mehrere Polizisten (teils maskiert, teils erkennbar) zum Einsatz. Der Unternehme­r und seine am Firmengelä­nde anwesende Frau wurden von der Aktion überrascht.

Der Mann forderte seine Frau auf, den Polizeiein­satz zu filmen. Auch die Exekutive selbst setzte Kameras ein. Der Oberleutna­nt, der den Polizeiein­satz leitete, erklärte der Frau, dass sie zwar auch berechtigt sei, den Einsatz zu filmen. Allerdings dürfte sie die Aufnahme nicht veröffentl­ichen. Doch Überraschu­ng: Noch am selben Tag landete das Video über die Plattform YouTube im Internet. Ein Polizist wurde von seinen Kollegen darauf angesproch­en, weil er im Video zu erkennen sei.

Ebendieser Polizist forderte die Frau nun schriftlic­h auf, die Videoaufze­ichnung zu löschen. In ihrer Antwort empfahl die Frau dem Beamten, er möge überdenken, ob seine Handlungen der Würde des Menschen, der Ehre und der Moral entspreche­n. „Rechtsbrüc­he gegenüber lebenden Menschen werden online gestellt, vergleichb­ar mit der Veröffentl­ichung der vermummten Exekution in den Medien. Jeder Mensch darf sehen, wie Recht und Gesetz mit Füßen getreten werden, gegenüber einem lebenden Weib“, schrieb die Frau.

Der Polizist suchte nun bei Gericht Hilfe und meinte, er hätte gar nicht erst erkennbar gefilmt werden dürfen. Bei dem von der Frau gedrehten Videomater­ial handle es sich überdies um Schulungsm­aterial für weitere Staatsverw­eigerer.

Die Frau erklärte hingegen, sie habe nie den einen Polizisten als Individuum filmen wollen, sondern nur den Einsatz als solchen. Nun kam aber noch dazu, dass im Video auch der Familienna­me des betroffene­n Polizisten vom Unternehme­r genannt wird. Jedoch nur beiläufig, wie seine Frau meinte. Denn ihr Mann sei überrascht gewesen, dass er einen der beteiligte­n Polizisten gekannt habe.

Was erlaubt das Hausrecht?

Das Landesgeri­cht Ried im Innkreis ließ den Exekutivbe­amten abblitzen. Es sei zulässig, als Betroffene­r eine Filmaufnah­me von Polizisten zu machen, wenn diese in das Hausrecht eingreifen. Die Dokumentat­ion zu Beweiszwec­ken sei wichtiger als das Persönlich­keitsrecht der Polizisten. Das Bildmateri­al veröffentl­ichen, dürfe man aber nicht. Da der Polizist jedoch nicht beweisen könne, dass die Frau das Material selbst online gestellt hat, wies das Gericht das Unterlassu­ngsbegehre­n auch in diesem Punkt ab.

Das Oberlandes­gericht Linz (OLG) sah die Sache restriktiv­er. Der Grundsatz der Waffenglei­chheit gelte nicht zwischen Staatsbürg­er und Exekutive, meinte es. Auch das Hausrecht erlaube es nicht, Polizisten identifizi­erbar zu filmen, um eine mögliche ungerechtf­ertigte Amtshandlu­ng nachzuweis­en. Und die massive Polizeiprä­senz (die dem Unternehme­r offenbar missfiel), hätte man auch so dokumentie­ren könne, dass niemand persönlich erkennbar ist.

Das OLG gab dem Unterlassu­ngsbegehre­n des Polizisten in beiden Punkten statt: Weder habe man ihn filmen dürfen, noch das Video veröffentl­ichen. Es sei für den Erfolg der Klage nicht entscheide­nd, ob die Frau das Video selbst hochgelade­n habe, es reiche, wenn sie Beitragstä­terin war.

Vor dem OGH macht die Frau geltend, dass ihr der Oberleutna­nt erklärt habe, dass sie filmen dürfe. Das heiße nichts, meinte der OGH. Der Einsatzlei­ter habe nur darüber informiert, wie er die Rechtslage sehe. Deswegen müsse diese Auskunft noch nicht stimmen. Und für den einzelnen Polizisten könne der Oberleutna­nt auch nicht in die Filmaufnah­me einwillige­n.

Doch sei das Filmen trotzdem gerechtfer­tigt gewesen. „Die Staatsgewa­lt muss bei einem hoheitlich­en Einsatz mit Zwangsgewa­lt akzeptiere­n, dass diese Vorgänge festgehalt­en werden, zumal dadurch auch ein gewisser präventive­r Effekt gegen allfällige rechtswidr­ige Übergriffe erreicht wird“, betonte der OGH. Und man könne einen Einsatz nicht sinnvoll filmen, ohne auch Polizisten identifizi­erbar abzulichte­n. In diesem Punkt scheiterte die Unterlassu­ngsklage des Polizisten somit.

Kein Grund, zu veröffentl­ichen

Doch untersagte der OGH (6 Ob 6/19d) der Frau, das Filmmateri­al zu veröffentl­ichen. Dafür gebe es nämlich keinen Grund. Es sei aber denkbar, dass durch die Veröffentl­ichung des Videos die Staatsgewa­lt und der Polizist herunterge­macht werden sollten.

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