Man darf die Polizei filmen
Video. Die Exekutive rückte gegen einen mutmaßlichen Staatsverweigerer an. Dessen Frau filmte den Einsatz. Ein im Video erkennbarer Polizist klagte. Die Staatsgewalt müsse sich Aufnahmen gefallen lassen, sagt der OGH.
Ein Polizist klagte, weil er im Einsatz mit dem Handy gefilmt worden war. Er muss es sich gefallen lassen.
Wien. Ein Handy ist heutzutage immer dabei – und damit auch die Möglichkeit, die Exekutive zu filmen. Aber muss es sich ein Polizist überhaupt gefallen lassen, dass er erkennbar abgelichtet wird? Und was gilt, wenn das Video danach auch noch auf YouTube landet? Fragen, bei denen sich die Gerichtsinstanzen nicht einig waren. Doch nun klärte der Oberste Gerichtshof (OGH) die Rechtslage.
Begonnen hatte alles mit einem Konkursverfahren gegen einen Unternehmer, der als mutmaßlicher „Staatsverweigerer“eingestuft wurde. Um Exekution führen zu können, kamen neben zwei Gerichtsvollziehern daher auch mehrere Polizisten (teils maskiert, teils erkennbar) zum Einsatz. Der Unternehmer und seine am Firmengelände anwesende Frau wurden von der Aktion überrascht.
Der Mann forderte seine Frau auf, den Polizeieinsatz zu filmen. Auch die Exekutive selbst setzte Kameras ein. Der Oberleutnant, der den Polizeieinsatz leitete, erklärte der Frau, dass sie zwar auch berechtigt sei, den Einsatz zu filmen. Allerdings dürfte sie die Aufnahme nicht veröffentlichen. Doch Überraschung: Noch am selben Tag landete das Video über die Plattform YouTube im Internet. Ein Polizist wurde von seinen Kollegen darauf angesprochen, weil er im Video zu erkennen sei.
Ebendieser Polizist forderte die Frau nun schriftlich auf, die Videoaufzeichnung zu löschen. In ihrer Antwort empfahl die Frau dem Beamten, er möge überdenken, ob seine Handlungen der Würde des Menschen, der Ehre und der Moral entsprechen. „Rechtsbrüche gegenüber lebenden Menschen werden online gestellt, vergleichbar mit der Veröffentlichung der vermummten Exekution in den Medien. Jeder Mensch darf sehen, wie Recht und Gesetz mit Füßen getreten werden, gegenüber einem lebenden Weib“, schrieb die Frau.
Der Polizist suchte nun bei Gericht Hilfe und meinte, er hätte gar nicht erst erkennbar gefilmt werden dürfen. Bei dem von der Frau gedrehten Videomaterial handle es sich überdies um Schulungsmaterial für weitere Staatsverweigerer.
Die Frau erklärte hingegen, sie habe nie den einen Polizisten als Individuum filmen wollen, sondern nur den Einsatz als solchen. Nun kam aber noch dazu, dass im Video auch der Familienname des betroffenen Polizisten vom Unternehmer genannt wird. Jedoch nur beiläufig, wie seine Frau meinte. Denn ihr Mann sei überrascht gewesen, dass er einen der beteiligten Polizisten gekannt habe.
Was erlaubt das Hausrecht?
Das Landesgericht Ried im Innkreis ließ den Exekutivbeamten abblitzen. Es sei zulässig, als Betroffener eine Filmaufnahme von Polizisten zu machen, wenn diese in das Hausrecht eingreifen. Die Dokumentation zu Beweiszwecken sei wichtiger als das Persönlichkeitsrecht der Polizisten. Das Bildmaterial veröffentlichen, dürfe man aber nicht. Da der Polizist jedoch nicht beweisen könne, dass die Frau das Material selbst online gestellt hat, wies das Gericht das Unterlassungsbegehren auch in diesem Punkt ab.
Das Oberlandesgericht Linz (OLG) sah die Sache restriktiver. Der Grundsatz der Waffengleichheit gelte nicht zwischen Staatsbürger und Exekutive, meinte es. Auch das Hausrecht erlaube es nicht, Polizisten identifizierbar zu filmen, um eine mögliche ungerechtfertigte Amtshandlung nachzuweisen. Und die massive Polizeipräsenz (die dem Unternehmer offenbar missfiel), hätte man auch so dokumentieren könne, dass niemand persönlich erkennbar ist.
Das OLG gab dem Unterlassungsbegehren des Polizisten in beiden Punkten statt: Weder habe man ihn filmen dürfen, noch das Video veröffentlichen. Es sei für den Erfolg der Klage nicht entscheidend, ob die Frau das Video selbst hochgeladen habe, es reiche, wenn sie Beitragstäterin war.
Vor dem OGH macht die Frau geltend, dass ihr der Oberleutnant erklärt habe, dass sie filmen dürfe. Das heiße nichts, meinte der OGH. Der Einsatzleiter habe nur darüber informiert, wie er die Rechtslage sehe. Deswegen müsse diese Auskunft noch nicht stimmen. Und für den einzelnen Polizisten könne der Oberleutnant auch nicht in die Filmaufnahme einwilligen.
Doch sei das Filmen trotzdem gerechtfertigt gewesen. „Die Staatsgewalt muss bei einem hoheitlichen Einsatz mit Zwangsgewalt akzeptieren, dass diese Vorgänge festgehalten werden, zumal dadurch auch ein gewisser präventiver Effekt gegen allfällige rechtswidrige Übergriffe erreicht wird“, betonte der OGH. Und man könne einen Einsatz nicht sinnvoll filmen, ohne auch Polizisten identifizierbar abzulichten. In diesem Punkt scheiterte die Unterlassungsklage des Polizisten somit.
Kein Grund, zu veröffentlichen
Doch untersagte der OGH (6 Ob 6/19d) der Frau, das Filmmaterial zu veröffentlichen. Dafür gebe es nämlich keinen Grund. Es sei aber denkbar, dass durch die Veröffentlichung des Videos die Staatsgewalt und der Polizist heruntergemacht werden sollten.