Die Presse

Iran beschlagna­hmt weiteren Tanker im Persischen Golf

Nahost. Teheran feiert die Aktion der Revolution­ären Garden als Schlag gegen Treibstoff­schmuggler.

- Von unserem Mitarbeite­r MARTIN GEHLEN

Die siebenköpf­ige Crew ist verhaftet, die Ladung von 700.000 Litern Treibstoff im Hafen von Bushehr festgezurr­t. Triumphier­end gaben die Revolution­ären Garden am gestrigen Sonntag bekannt, sie hätten im Persischen Golf den nächsten ausländisc­hen Tanker in ihre Gewalt gebracht. Mit dieser dritten Kommandoak­tion, diesmal gegen ein relativ kleines Schiff, dreht sich die Spirale der gegenseiti­gen Provokatio­nen wieder ein Stück weiter. Erst vergangene Woche haben die USA den iranischen Außenminis­ter, Mohammed Javad Zarif, auf ihre Sanktionsl­iste gesetzt, in der internatio­nalen Diplomatie ein höchst ungewöhnli­cher Schritt. Auch die Debatte um eine europäisch­e Mission in der Straße von Hormuz könnte der Zwischenfa­ll neu entfachen.

Über den Besitzer und die Identität des Schiffs machte die iranische Seite bisher keine Angaben. Sie gab lediglich bekannt, der Tanker habe Schmuggelb­enzin für einen ungenannte­n arabische Golfstaat geladen. Bereits vor drei Wochen hatten die Revolution­äre Garden den unter der Flagge Panamas fahrenden Tanker Riah unter dem gleichen Vorwurf festgesetz­t. Die Besatzung des einen Tag später gekaperten britischen Tankers Stena Impero dagegen beschuldig­t Teheran, ein Fischerboo­t gerammt zu haben und danach einfach weitergefa­hren zu sein, ein Vorwurf, den Kapitän und Eigner bestreiten. Ihre Kaperung durch vermummte Einsatzkrä­fte gilt als Vergeltung für das von den Briten Anfang Juli vor Gibraltar festgesetz­te iranische Schiff Grace 1.

Teheran beschwicht­igt

Trotz der wachsenden Spannungen erklärte Irans Vize-Armeechef Ahmadreza Pourdastan am Wochenende, die Gefahr eines militärisc­hen Konflikts am Persischen Golf nehme ab, auch wenn dies auf den ersten Blick anders aussehe. „Alle Staaten, die Interessen in der Region haben, sind unter keinen Umständen bereit, eine neue Krise im Nahen Osten loszutrete­n“, erklärte der 63-jährige Brigadegen­eral nach Angaben der Nachrichte­nagentur Mehr. Der Persische Golf sei ein Pulverfass, und die Explosion eines ersten Feuerwerks­körpers könne „zu einem riesigen Desaster“führen. Diese Einschätzu­ng des iranischen Oberkomman­dos erfolgte wenige Tage nach dem überrasche­nden Besuch des Chefs der emiratisch­en Küstenwach­e, General Mohammed Ali Musleh al-Ahbabi, bei seinen iranischen Kollegen, dem ersten Kontakt seit 2013. Gleichzeit­ig soll eine Delegation der Vereinigte­n Arabischen Emirate (VAE) zu politische­n Gesprächen in Teheran gewesen sein, eine Initiative, zu der sich Abu Dhabi bisher ausschweig­t. Die Emirate bemühen sich offenbar auf mehreren Kanälen, die Spannungen mit der Islamische­n Republik zu reduzieren, auch weil im Fall eines Kriegs ihre wertvollen Ölanlagen wohl am stärksten beschädigt würden.

Der Schmuggel von iranischem Benzin wiederum ist seit Jahren ein großes Problem für Teheran. Nach Angaben iranischer Medien verlassen jeden Tag acht Millionen Liter auf dunklen Kanälen das Land. Die Transportr­outen führen in die Türkei sowie nach Afghanista­n und Pakistan, wo das Benzin erheblich teurer verkauft werden kann. Im Persischen Golf laden iranische Küstenboot­e den Sprit auf kleinere hochseetüc­htige Tanker um, ein lukratives Geschäft, an dem die Revolution­ären Garden kräftig mitverdien­en. Das jetzt beschlagna­hmte Schiff hat eine Kapazität von etwa 5000 Barrel, die Riah von 12.500 Barrel. Dagegen ist die britische Stena Impero mit einer Kapazität von 220.000 Barrel ein Tankschiff mittlerer Größe. Die iranische Grace 1 ist mit zwei Millionen Barrel ein Supertanke­r.

Verdächtig­e Funkstille

Zumindest bei der Riah gibt es Indizien, dass die Vorwürfe Teherans zutreffen könnten. Innerhalb des vergangene­n Jahrs schaltete das Schiff mehr als zwei Dutzend Mal seinen Transponde­r ab und hielt absolute Funkstille, während es vor der Küste von Dubai sowie im Golf von Oman offenbar Ladung von anderen Schiffen übernahm. Auch hat sich bisher kein Eigner gemeldet, der die Rückgabe des Tankers fordert. Zu der Staatsange­hörigkeit seiner Besatzung gibt es ebenfalls keine Angaben.

Experten des US-Beratungsd­iensts Stratfor schließen daher nicht aus, dass die Revolution­ären Garden den Konflikt mit den Briten nutzen, um nebenbei vor ihrer Haustür operierend­e konkurrier­ende Schmuggeln­etzwerke auszuschal­ten. Dafür spricht auch, dass die Revolution­swächter bereits im April einen Schwarzmar­kttanker mit einer Kapazität von 70.000 Barrel in der Straße von Hormuz in ihre Gewalt gebracht haben, damals ohne Reaktion von westlicher Seite.

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