Die Aktionäre wurden reicher – ist es für den Rest zu spät?
In Nullzinsphasen Aktien zu kaufen, ist grundsätzlich eine gute Idee. Neueinsteiger sollten aber vorsichtig sein. Bald brauchen sie Nervenstärke. Mit dem Sparbuch wird man nicht reich. Mit Aktien schon eher. Aber auch nur dann, wenn man in Krisen nicht di
Manche Kapitalismuskritiker meinen, dass hohe Zinsen die Kluft zwischen Arm und Reich erhöhen. Nachdem die Notenbanken weltweit Zinsen gesenkt und Geld gedruckt haben, wissen wir: Niedrige Zinsen können das besser. Die Inflation in Europa und den USA ist durch die niedrigen Zinsen zwar noch nicht wirklich gestiegen, dafür kam es zu einer „Asset Inflation“: Bei Vermögenswerten, deren Wertentwicklung sich kaum in den Verbraucherpreisindizes niederschlägt, sind die Preise in teilweise absurde Höhen geklettert.
Nicht nur bei den Anleihen, deren Kurse durch die Käufe der Notenbanken so stark gestiegen sind, dass man bereits draufzahlen muss, wenn man dem Staat Geld borgt. (Am Freitag notierten sogar 30-jährige deutsche Anleihen erstmals negativ.)
Doch auch die Preise für Kunstgegenstände, Gold, Immobilien und Aktien sind in den vergangenen Jahren stark gestiegen. Das ist schön für jene Leute, die schon länger solche Vermögenswerte besitzen. Weniger erfreulich ist die Entwicklung für jene, die noch keine Immobilien oder Aktien haben. Letzteres trifft auf die meisten Österreicher zu, die ihr Geld auf dem Sparbuch parken. Während man sich dort mit der schrittweisen Geldentwertung abfindet, gelten Aktien als gefährliche Spekulation.
Das wird häufig beklagt. Nicht ganz zu Unrecht: Hätten die Österreicher angefangen, vor zehn Jahren in großem Stil Aktien zu kaufen, und zwar nicht nur österreichische, sondern allen voran auch US-amerikanische, wären sie jetzt wohl reicher. Das haben sie aber nicht getan. Unter anderem deswegen nicht, weil viele erst kurz vorher schlechte Erfahrungen gemacht hatten. Ausgerechnet in den Jahren vor der Finanzkrise war der ATX aufgrund der Osteuropa-Fantasie exorbitant angestiegen, und viele Anleger hatten ihre ersten Schritte auf dem Finanzmarkt gewagt und die damals stark gehypten Finanz- und Immobilientitel gekauft, die im Zuge der Finanzkrise besonders deutlich abgestürzt waren.
Viele, die sich damals die Finger verbrannt hatten, wollten danach von Aktien nichts mehr wissen. Wäre es für sie eine gute Idee, jetzt doch noch in den Aktienmarkt einzusteigen? Immerhin hat die US-Notenbank Fed die Zinsen kürzlich – erstmals seit zehn Jahren – gesenkt, und die Europäische Zentralbank dürfte noch länger an ihrer Nullzinspolitik festhalten.
Doch gerade Letzteres birgt Gefahren: Die Fallhöhe, auf die die Notenbanken die Preise für Aktien getrieben haben, ist schon ziemlich hoch. Sollte es einmal wirklich kriseln (derzeit lässt das Wirtschaftswachstum lediglich ein wenig nach), kann man sich auch nicht mehr allzu viel Hilfe von den Notenbanken erhoffen. Die Europäische Zentralbank könnte ihr Pulver schon
weitgehend verschossen haben, die US-Notenbank Fed ist gerade dabei, das zu tun.
Es ist also nicht auszuschließen, dass die Börsen irgendwann so richtig kräftig korrigieren. Nun ist das für langfristig orientierte Anleger nicht so schlimm, sie können das aussitzen und die günstiger gewordenen Preise zum Nachkauf nutzen. In der Theorie. In der Praxis braucht man Nervenstärke, um nicht zur Unzeit alles zu verkaufen. Solche zeigen am ehesten Anleger, die schon einige Crashs erlebt haben. Also wieder die, die schon länger Aktien haben.
Neueinsteiger laufen Gefahr, sich das zweite Mal in diesem Jahrhundert die Lust auf Aktien gründlich zu verderben. Ihnen ist zu wünschen, dass kein großer Crash kommt, sondern viele kleinere Korrekturen, die daran erinnern, dass man an der Börse nicht schnell reich wird, sondern höchstens langfristig. Das ist dafür wahrscheinlicher als mit dem Sparbuch.