Das Rennen der Währungen hat begonnen
Geld. Facebooks Libra-Projekt ist ein Angriff auf das staatliche Währungsmonopol. Zwar muss Libra sich das Vertrauen der Nutzer erst erarbeiten. Aber die Regulierer sind alarmiert. Andere Konzerne und Banken wollen ins Rennen einsteigen.
Private Währungen. Früher gab es sie mal, meist wurden sie von Banken herausgegeben. Das hat zu Bank-Runs geführt, die das System ins Wanken gebracht haben. Dann kam der Staat, gründete Zentralbanken und errichtete ein Monopol, das auch im Krisenfall die Liquiditätsversorgung sicherstellen sollte. Ewig könne das Monopol aber nicht halten, sagte Friedrich August von Hayek schon in den 1970er-Jahren voraus. Wie früher würden die Banken eines Tages wieder ihr eigenes Geld drucken und am freien Markt an Mann und Frau bringen. Milton Friedman wurde Ende der 1990erJahre konkreter. Er prophezeite den Aufstieg einer Internetwährung. Bitcoin gibt es nun seit mehr als zehn Jahren. Jetzt setzt Facebook mit Libra noch eins drauf. Der Schweizer Thinktank Avenir
Suisse fragt in einer aktuellen Analyse: Will sich Mark Zuckerberg gar für die nächste Finanzkrise positionieren? Kann Facebook so zum Krisengewinner aufsteigen, wenn es wieder einmal kracht?
Es sind noch viele Fragen offen, was Facebooks extrem ambitioniertes Libra-Projekt betrifft. Überhaupt ist der Währungsteil von Libra nur eine von mehreren Facetten, mit der Facebook den Finanzmarkt genauso aufmischen will wie die Onlineshopping- und die Werbeindustrie.
Aber unter der Haube steckt so einiges, schreiben Jürg Müller und Pascal Lago von Avenir Suisse: „So wie Libra aufgesetzt ist, kann die neue Währung auch als Wette auf den Zusammenbruch der etablierten Finanzordnung verstanden werden. Warum sonst sollen sich Facebook und Co. in vollem Bewusstsein der Schwierigkeiten für eine neue Währung mit eigener Denomination entschieden haben? Dieser Ansatz macht die Einführung von Libra zu Beginn viel umständlicher.“Es ist so: Facebook will gemeinsam mit dem Libra-Konsortium eine Art private Zentralbank gründen. Beteiligt sind auch Visa, Mastercard, Uber und andere große Firmen – aber keine einzige traditionelle Bank. Libra wird durch eine Reserve an Wertpapieren gedeckt sein – wohl vor allem durch Staatsanleihen. So soll die Stabilität der neuen Währung gesichert werden.
Wilde Preisfluktuationen will man vermeiden, um die User nicht abzuschrecken. Libra wird kein Spekulationsobjekt wie Bitcoin sein. „Mit einer Währung mit eigener Denomination gilt es, große kognitive Hürden zu überwinden. Die Menschen müssen sich vom liebgewordenen Status quo lossagen, Vertrauen in das neue Geld aufbauen und ihre innere Maßeinheit anpassen: Einen Kaffee mit 2,20 Dollar in Kryptotoken zu zahlen, ist intuitiv, aber dafür 3,45 Libra ausgeben? Ein solcher Wechsel braucht Zeit und stellt hohe Anforderungen an jede neue Währung“, schreiben Müller und Lago.
Das schlechte Image von Facebook erschwert die Aufgabe zusätzlich. Aber wenn es gelingt, viele der mehr als zwei Milliarden Facebook-Nutzer von Libra zu überzeugen, könnte die zweite Stufe der Rakete gezündet werden. Wie es die Zentralbanken im 20. Jahrhundert mit der Abschaffung des Goldstandards gemacht haben, könnte das Libra-Konsortium sich schrittweise von der Deckung durch Wertpapiere verabschieden. Libra würde dann auf eigenen Beinen stehen – und eine vollwertige, private Währung mit weltweiter Akzeptanz darstellen. Angesichts dieser Perspektive ist es kein Wunder, dass Aufseher und Regulierer in der ganzen Welt nervös werden. Man müsse verhindern, dass Libra zu einer „Parallelwährung“werde, sagte Nationalbank-Vize Gottfried Haber kürzlich.
Die Konzerne und Banken haben andere Sorgen. Sie wollen Libra nicht das Spielfeld überlassen. Retailgigant Walmart soll schon an einem eigenen Projekt arbeiten. Und der Bundesverband der deutschen Banken fordert „alternative Digitalwährungen, die von Banken und Staaten getragen werden“. Und es gibt ja noch Bitcoin, das den umgekehrten Weg geht und die Preisfindung gänzlich dem Markt überlässt.
Es sei ein Rennen gegen die Zeit, schreiben Müller und Lago. Denn im Fall einer neuen Finanzkrise könnten die Karten rasch neu gemischt werden: „Das heutige auf den traditionellen staatlichen Währungen basierende Finanzsystem ist schließlich alles andere als kerngesund.“Sollten bei einer Krise die Währungen unter Druck geraten, wäre das eine Möglichkeit für private Alternativen, sich zu etablieren. „Falls es ihnen im Vorfeld gelingt, Vertrauen zu schaffen und eine effiziente und stabile Zahlungsinfrastruktur aufzubauen.“