Aus dem Harem fliehen mit Joseph Haydn
Donaufestwochen: Jubel für die Türkenoper „L’incontro improvviso“.
Osmin und Rezia? Zusammen in einer Oper? Ja – aber das im Stadttheater Grein aufgeführte Stück ist nicht ein Pasticcio aus Mozarts „Entführung aus dem Serail“und Webers „Oberon“, sondern Joseph Haydns „L’incontro improvviso“. 1775 in Esterhaza´ uraufgeführt und damit sieben Jahre älter als die „Entführung“, stillt auch dieses dreiaktige Dramma giocoso denselben modischen Publikumshunger: Hundert Jahre nach der Zweiten Wiener Türkenbelagerung gierte man nach dem exotischen Kitzel einer fremden Kultur und gleichzeitig danach, die in den Hinterköpfen sehr wohl noch präsente reale „Angst wegzulachen“, wie es Dirigent Rene´ Jacobs einmal formuliert hat. Die Handlung ähnelt jener der „Entführung“, ist aber breiter angelegt und auf psychologischer Ebene einfacher gestrickt. In beiden Fällen wird der Topos des andersgläubigen, aber doch aufgeklärten Herrschers bedient, der am Schluss allen verzeiht und die Europäer ziehen lässt. Die „unverhoffte“oder „zufällige Begegnung“, die der Titel verheißt, ereignet sich zwischen der persischen Königstochter Rezia und Ali, dem Prinzen von Balsora: Das Liebespaar ist unter Piraten gefallen. In Kairo erblickt nun Rezia, die mit zwei Gespielinnen an den dortigen Sultan verkauft worden ist, durchs Fenster des Serails den nach ihr suchenden Ali . . .
Die kaum je gespielte farbige Partitur enthält einige musikalische Prunkstücke, die Michi Gaigg am Pult von L’Orfeo Barockorchester mit Sinn für Humor, zauberhaften Kantilenen und exotischer Verve ins rechte Licht rückt. Auf breitenwirksame Unterhaltung zielt etwa die arabisch anmutende Blödelsprache, die der zwielichtige Bettelderwisch Calandro Alis unbedarftem Diener Osmin beibringt: In Manuela Kloibmüllers augenzwinkernd zwischen den Zeiten vermittelnder Inszenierung ist Rafael Fingerlos mit seinem kernig-lockeren Bariton ein Joints rauchender Hallodri, dem Markus Miesenbergers (hier Tenor-)Osmin prompt auf den Leim geht. Wunderbar lyrisch tönt ein Frauenterzett, das die großartige Elisabeth Breuer als Rezia (an der Seite von Anna Willerding und Annastina Malm) mit ihrem leuchtenden, jugendlich-dramatischen Sopran ebenso souverän anführt wie die anderen Ensembles; und sie räumt auch mit ihrer koloraturgespickten Bravourarie des zweiten Akts ab. Eine ähnlich fordernde Nummer mit noch heldischerer Anmutung und großen Sprüngen hat Ali in Gestalt des agilen Tenors Robert Bartneck; zuletzt leiht Michael Wagner seinen passend bedrohlichen, schwarzen Bass dem großmütigen Sultan.