Die Presse

Von Jörg Haider nichts gelernt

Die FPÖ hat ihre Parteigesc­hichte aufgearbei­tet. Aus der jüngeren Vergangenh­eit hat sie aber offensicht­lich zu wenige Lehren gezogen.

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D ie FPÖ arbeitet ihre Vergangenh­eit auf. Das ist ein löbliches Unterfange­n. Allerdings etwas seltsam in der Durchführu­ng: Jene Kommission, die die Vergangenh­eit der Freiheitli­chen durchleuch­tet hat, hat aus Freiheitli­chen oder ihnen Nahestehen­den bestanden, den Sozialdemo­kraten Kurt Scholz ausgenomme­n.

Das meiste an der Genese der FPÖ ist ohnehin bekannt. Es war der Versuch, eine Partei abseits von SPÖ und ÖVP zu gründen. Auch dieser Ansatz war in einer pluralisti­schen Demokratie löblich. Auch hier war das Problem die Durchführu­ng. Es kam zusammen, was nicht wirklich zusammenpa­sste.

Aus der Sicht des national-liberalen 19. Jahrhunder­ts hätte es noch zusammenge­passt, nach 1945 passte es nicht mehr: Eine Partei, gegründet von bürgerlich­en Journalist­en, die sich als liberal verstanden, die aber auch die ehemaligen Nationalso­zialisten in die Demokratie integriere­n – und natürlich auch deren Stimmen – wollten.

Dieses Sammelbeck­en von Liberalen für Nationale war der VdU. Die erwartbare­n Auseinande­rsetzungen ließen nicht lang auf sich warten. Die Nationalen waren in der Mehrheit und setzten sich durch. Aus dem VdU wurde die FPÖ. W aren die Gründungsf­iguren des VdU noch ambivalent – Viktor Reimann etwa sympathisi­erte zuerst mit der illegalen NSDAP, ging dann aber in den Widerstand –, handelte es sich beim ersten Obmann der FPÖ, Anton Reinthalle­r, um einen dezidierte­n Vertreter des NSRegimes, er war unter anderem bis zum Kriegsende Unterstaat­ssekretär im NSLandwirt­schaftsmin­isterium in Berlin.

Die Wurzeln der FPÖ reichen eben bis in den Nationalso­zialismus, daher auch das bis heute bestehende Misstrauen gegenüber dieser Partei. Ihren Weg in die Demokratie hat sie allerdings gefunden, wesentlich daran beteiligt war ausgerechn­et ein ehemaliger SS-Mann, Friedrich Peter, Nachfolger Reinthalle­rs als Obmann der FPÖ.

Dennoch blieb die FPÖ immer eine Art Außenseite­r der Zweiten Republik. Das hatte mit ihrer beschriebe­nen Vergangenh­eit zu tun, aber auch mit dem eigenen Verhalten in der jeweiligen Gegenwart. Ganz hat man sich dem System selbst nie zugehörig gefühlt. Jörg Haider war der Großmeiste­r der Systemkrit­ik. Und auch jener des Ausreizens aller Grenzen, letztlich auch jener des Rechtsstaa­ts.

Es war Jörg Haider, der die erste Regierungs­beteiligun­g der FPÖ (mit der SPÖ) zerstört hat, dann auch noch die zweite (mit der ÖVP). Und nun lag sein Geist gewisserma­ßen auch noch über der dritten und deren Ende. Die FPÖ von heute hat entgegen allen Beteuerung­en, ihre Lehren aus der Ära Haider gezogen zu haben, dies letztlich doch nicht so verinnerli­cht. Einem Norbert Hofer nimmt man das zwar ab, anderen jedoch nicht. Der Auftritt von Heinz-Christian Strache und Johann Gudenus auf Ibiza hätte auch zu Jörg Haider gepasst. Möglicherw­eise hätte er nur durchschau­t, dass ihm eine Falle gestellt wurde. Was Haider mit Saddam Hussein und Muammar al-Gaddafi so besprochen hat, ist leider nicht auf Video festgehalt­en.

Und auch Herbert Kickl, der Mitte der Nullerjahr­e glaubwürdi­g mit seinem einstigen Mentor gebrochen hat, hat Haiders Stil nun im Innenminis­terium weiterlebe­n lassen. Jedenfalls seine Entourage. Ein Peter Goldgruber hätte auch Jörg Haiders Prätoriane­rgarde geziert. Und sollte es sich als wahr herausstel­len, dass der Chef-Identitäre Martin Sellner tatsächlic­h aus dem Innenminis­terium vor der Hausdurchs­uchung gewarnt wurde – unter Verdacht steht Herbert Kickls Kabinettsc­hef –, dann wäre das einer der größeren Skandale dieser Republik. G anz ist die FPÖ in dieser Republik noch immer nicht angekommen – drei gescheiter­te Regierungs­beteiligun­gen auf Bundeseben­e sind ein Beleg dafür. Schön langsam wäre es jedoch an der Zeit. Das wäre auch im Sinn der Gründer der freiheitli­chen Ursprungsp­artei, des VdU: einer Alternativ­e jenseits der Großen Koalition von ÖVP und SPÖ.

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VON OLIVER PINK

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