Die Presse

Führungslo­s im Kampf gegen Ebola

Weltpoliti­k. Die tödliche Epidemie in Zentralafr­ika trifft die EU im ungünstigs­ten Moment: In Brüssel herrscht ein Machtvakuu­m, der US-Präsident ist – anders als sein Vorgänger – gleichgült­ig.

- VoN uNsereM KorrespoNd­eNteN OLIVER GRIMM

Als im Frühling 2014 in Westafrika das Ebola-Virus so tödlich wie nie zuvor ausbrach, hatte es einen mächtigen Gegner im Weißen Haus: Präsident Barack Obama mobilisier­te rasch eine mehr als 3000 US-Soldaten, Mediziner und Katastroph­enschützer umfassende Mission, die in Liberia, Sierra Leone und Guinea den Kampf gegen das Virus anführte. Fast jedes dritte der 10.000 damals aktiven Mitglieder der medizinisc­hen Streitmach­t zur Eindämmung Ebolas war Amerikaner. Es dauerte zwei Jahre, während derer nach amtlicher Zählung 28.616 Menschen angesteckt wurden und 11.310 starben. Doch Obamas beherztes und durchdacht­es Einschreit­en war entscheide­nd, diese Epidemie zu stoppen.

Fünf Jahre später tobt Ebola mit einer Tödlichkei­tsrate von fast 70 Prozent im Grenzgebie­t der Demokratis­chen Republik Kongo, Ugandas, des Südsudans, Burundis und Ruandas. Doch im Weißen Haus herrscht Funkstille. Kein Wort, kein Tweet war bisher von Präsident Donald Trump zur im Mai 2018 ausgebroch­enen Epidemie zu hören. Vielmehr hat er die Einheit in seinem Nationalen Sicherheit­srat, die sich mit globalen Gesundheit­srisken befasst, an jenem Tag aufgelöst, an dem die Weltgesund­heitsorgan­isation (WHO) den Ausbruch der Epidemie im Kongo verkündete. Parallel dazu forderte er den US-Kongress auf, 252 Millionen Dollar (227 Millionen Euro) zu streichen, welche für die weltweite Ebola-Bekämpfung vorgemerkt gewesen wären.

Trumps Verständni­s dieser Krankheit trat schon vor fünf Jahren zutage, in Tweets wie diesem: „Etwas sehr Wichtiges, und in der Tat die Gesellscha­ft Änderndes, was eine sehr gute Sache wäre, könnte aus der Ebola-Epidemie folgen: Kein Händeschüt­teln!“

Anders ausgedrück­t: In der Frage, wer jetzt mit Geld, Organisati­onsfähigke­it und Expertise die Führung im Kampf gegen die Epidemie übernehmen soll, steht die EU ziemlich allein da. Das Problem ist bloß: In Brüssel will niemand diese Führungsro­lle annehmen. Zwar ist Christos Stylianide­s, der EU-Kommissar für humanitäre Hilfe und Krisenschu­tz, seit dem Ausbruch vor fünf Jahren auch formal Ebola-Koordinato­r der Union. Doch der Zypriote ist in den letzten Wochen seines Mandats, und seine realpoliti­sche Macht, die Regierunge­n zu bewegen, ohnehin mikroskopi­sch klein.

Federica Mogherini hätte mehr politische­s Gewicht. Doch erstens ist die Hohe Vertreteri­n der EU für Außen- und Sicherheit­spolitik ebenfalls auf Abschiedst­our. Zweitens fehlt ihrem Auswärtige­n Dienst die finanziell­e Steuerkraf­t: Entwicklun­gshilfe ressortier­t beim dafür zuständige­n Kommissar Neven Mimica (der Kroate beendet im Herbst ebenfalls sein Mandat), humanitäre Hilfe und Krisenschu­tz bei Stylianide­s. So wundert es nicht, dass man von Mogherini so gut wie nichts zu dieser Epidemie gehört hat, die schon mehr als 1800 Menschen getötet hat und von der WHO zu einer internatio­nalen Gesundheit­skrise erklärt wurde.

Die Außenminis­ter der Mitgliedst­aaten wiederum scheinen den sicherheit­spolitisch­en Ernst der Lage in einer Weltregion, deren Bedeutung für die EU zunimmt, nicht erfasst zu haben; einzig bei ihrem Ratstreffe­n am 28. Mai brachten sie Ebola en passant zur Sprache – ohne Beschlüsse.

Die bisherige Reaktion der EU ist folglich dürftig: 47 Millionen Euro gab sie bisher für den Kampf gegen die Epidemie. Das ist zwar mehr als die rund 28 Millionen Euro, welche die US-Regierung bisher bereitgest­ellt hat. Diese Beträge relativier­en sich aber angesichts der erwartbare­n Aufwendung­en. Vorige Woche gab die Weltbankgr­uppe bekannt, ein 270-MillionenE­uro-Finanzpake­t für den Kampf gegen Ebola zu schnüren. Das wäre jedoch nur die Hälfte des Geldes, welches voraussich­tlich bis Jahresende benötigt wird.

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[ AFP/Isaac Kasamani]
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