Die dunkle Vergangenheit der Freiheitlichen
FPÖ. Die Partei will sich mit ihrer Historie auseinandersetzen. Zu wenig, zu spät, finden Kritiker. Der Bericht liegt nur in Teilen vor.
Es gibt diese Anekdote, erzählt von Jörg Haiders Mutter Dorothea, über die Gründung der FPÖ an ihrem Küchentisch in Bad Goisern: Haiders Vater Robert saß mit Friedrich Peter, zuletzt SS-Obersturmführer, sowie Anton Reinthaller, ein ehemaliger hochrangiger Nationalsozialist, NSDAP-Reichstagsabgeordneter und Unterstaatssekretär in Berlin, zusammen. Sie besprachen die Zukunft des sogenannten Dritten Lagers, also der Deutschnationalen und Nationalliberalen. Welche Partei sollte sie in Österreich repräsentieren?
Der „Verband der Unabhängigen“, der 1949 gegründet wurde, war den drei Männern zu liberal. Die Partei war ohnehin geschwächt, nicht zuletzt durch eine Abspaltung namens Freiheitspartei. Man beschloss also, eine neue Partei zu gründen: die Freiheitliche Partei Österreichs. Sie sollte Liberale und (ehemalige) Nazis vereinen. Der Gründungsparteitag der FPÖ fand am April 1956 statt. Und Reinthaller wurde zu ihrem ersten Parteiobmann ernannt.
Allein von ihrer Entstehungsgeschichte berühren die Freiheitlichen also die NS-Zeit. Bis heute muss die Partei immer wieder mit rechtsextremem Gedankengut in den eigenen Reihen kämpfen, die sogenannten Einzelfälle in der Partei wurden zu einem geflügelten Wort. Und dennoch hatte die FPÖ auf Eigeninitiative ihre Vergangenheit noch nie wissenschaftlich analysieren lassen, sich nie eindringlich historisch mit den braunen Flecken befasst.
Zumindest bis heute. Die Freiheitlichen luden am frühen Mon
tagabend zu einer Präsentation des Historikerberichts. Allerdings sollte, wie die Partei schon vorab wissen ließ, nur eine Rohfassung vorgelegt werden. Der 1100-seitige Endbericht wird später veröffentlicht. Wann es soweit sein wird, steht aber noch nicht fest. Laut Parteichef Norbert Hofer peile man einen Termin noch vor der Nationalratswahl am 29. September an, sicher sei dies aber noch nicht.
„Unprofessionelles Verhalten“
Nicht nur die bereits mehrmals verzögerte Veröffentlichung des Berichts, die eigentlich schon Ende des Vorjahres erfolgen hätte sollen, sorgt für Kritik. Sondern auch die intransparente Entstehung. Die Namen der Historiker, die an dem Bericht gearbeitet haben, hat die Partei nie offen kommuniziert. Klar war nur, dass Wilhelm Brauneder, der emeritierte Professor für Rechtsgeschichte mit FPÖ-Vergangenheit, die Historikerkommission leiten wird. Nach und nach sind auch Namen anderer Autoren aufgetaucht – darunter der FPÖ-nahe Historiker Lothar Höbelt, der zuletzt im Kabinett von Heinz Christian Strache beschäftigte Historiker Thoma Grischany und der ehemalige FAZ-Korrespondent und „Alles Roger“-Autor Reinhard Olt. Es gab aber nicht nur parteinahe Autoren. So hat auch der einstige rote Stadtschulratspräsident Kurt Scholz einen Beitrag verfasst.
Das besänftigte Kritiker nicht. „So etwas Unprofessionelles hat es noch nicht gegeben“, sagte Oliver Rathkolb, Vorstand des Instituts für Zeitgeschichte der Uni Wien im ORF und im „Kurier“. Dass die Fakultät nicht beigezogen worden sei und die Mitglieder der Kommission nicht genannt wurden, sei „unüblich“und „widerspricht den wissenschaftlichen Standards wie Transparenz und Nachvollziehbarkeit“. Bereits im April des Vorjahres hat Rathkolb gemeinsam mit anderen Wissenschaften in einer Petition von der FPÖ „Transparenz statt Diskretion“gefordert.
„Einigermaßen schräg“
Die Ankündigung der Partei, den gesamten Bericht nach Israel zu schicken, um ihn dort von einem unabhängigen Wissenschafter „bestätigen“zu lassen, versteht Rathkolb nicht. „Ich wäre nicht einmal im Traum darauf gekommen, dass das ein Gütesiegel sein könnte. Aus dem einfachen Grund – ich kenne keinen einzigen israelischen Historiker oder eine Historikerin, der oder die sich intensiv mit der politischen Geschichte der Zweiten Republik auseinandersetzen – noch viel weniger mit der Geschichte des VdU oder der FPÖ“, so Rathkolb in der „ZiB 2“. Es gebe genügend Historiker in Österreich, die ein derartiges Gütesiegel vergeben könnten. Alles andere sei ein „politisches Manöver“.
Ein parteipolitisches Motiv will allerdings auch die FPÖ bei Rathkolb erkennen. Dass der Historiker den Bericht vor dessen Veröffentlichung kritisierte, sei „einigermaßen schräg und seltsam“und liege wohl an der „parteipolitischen Einfärbung“.