Die Presse

Die dunkle Vergangenh­eit der Freiheitli­chen

FPÖ. Die Partei will sich mit ihrer Historie auseinande­rsetzen. Zu wenig, zu spät, finden Kritiker. Der Bericht liegt nur in Teilen vor.

- DIENSTAG, 6. AUGUST 2019 VON IRIS BONAVIDA UND JULIA NEUHAUSER

Es gibt diese Anekdote, erzählt von Jörg Haiders Mutter Dorothea, über die Gründung der FPÖ an ihrem Küchentisc­h in Bad Goisern: Haiders Vater Robert saß mit Friedrich Peter, zuletzt SS-Obersturmf­ührer, sowie Anton Reinthalle­r, ein ehemaliger hochrangig­er Nationalso­zialist, NSDAP-Reichstags­abgeordnet­er und Unterstaat­ssekretär in Berlin, zusammen. Sie besprachen die Zukunft des sogenannte­n Dritten Lagers, also der Deutschnat­ionalen und Nationalli­beralen. Welche Partei sollte sie in Österreich repräsenti­eren?

Der „Verband der Unabhängig­en“, der 1949 gegründet wurde, war den drei Männern zu liberal. Die Partei war ohnehin geschwächt, nicht zuletzt durch eine Abspaltung namens Freiheitsp­artei. Man beschloss also, eine neue Partei zu gründen: die Freiheitli­che Partei Österreich­s. Sie sollte Liberale und (ehemalige) Nazis vereinen. Der Gründungsp­arteitag der FPÖ fand am April 1956 statt. Und Reinthalle­r wurde zu ihrem ersten Parteiobma­nn ernannt.

Allein von ihrer Entstehung­sgeschicht­e berühren die Freiheitli­chen also die NS-Zeit. Bis heute muss die Partei immer wieder mit rechtsextr­emem Gedankengu­t in den eigenen Reihen kämpfen, die sogenannte­n Einzelfäll­e in der Partei wurden zu einem geflügelte­n Wort. Und dennoch hatte die FPÖ auf Eigeniniti­ative ihre Vergangenh­eit noch nie wissenscha­ftlich analysiere­n lassen, sich nie eindringli­ch historisch mit den braunen Flecken befasst.

Zumindest bis heute. Die Freiheitli­chen luden am frühen Mon

tagabend zu einer Präsentati­on des Historiker­berichts. Allerdings sollte, wie die Partei schon vorab wissen ließ, nur eine Rohfassung vorgelegt werden. Der 1100-seitige Endbericht wird später veröffentl­icht. Wann es soweit sein wird, steht aber noch nicht fest. Laut Parteichef Norbert Hofer peile man einen Termin noch vor der Nationalra­tswahl am 29. September an, sicher sei dies aber noch nicht.

„Unprofessi­onelles Verhalten“

Nicht nur die bereits mehrmals verzögerte Veröffentl­ichung des Berichts, die eigentlich schon Ende des Vorjahres erfolgen hätte sollen, sorgt für Kritik. Sondern auch die intranspar­ente Entstehung. Die Namen der Historiker, die an dem Bericht gearbeitet haben, hat die Partei nie offen kommunizie­rt. Klar war nur, dass Wilhelm Brauneder, der emeritiert­e Professor für Rechtsgesc­hichte mit FPÖ-Vergangenh­eit, die Historiker­kommission leiten wird. Nach und nach sind auch Namen anderer Autoren aufgetauch­t – darunter der FPÖ-nahe Historiker Lothar Höbelt, der zuletzt im Kabinett von Heinz Christian Strache beschäftig­te Historiker Thoma Grischany und der ehemalige FAZ-Korrespond­ent und „Alles Roger“-Autor Reinhard Olt. Es gab aber nicht nur parteinahe Autoren. So hat auch der einstige rote Stadtschul­ratspräsid­ent Kurt Scholz einen Beitrag verfasst.

Das besänftigt­e Kritiker nicht. „So etwas Unprofessi­onelles hat es noch nicht gegeben“, sagte Oliver Rathkolb, Vorstand des Instituts für Zeitgeschi­chte der Uni Wien im ORF und im „Kurier“. Dass die Fakultät nicht beigezogen worden sei und die Mitglieder der Kommission nicht genannt wurden, sei „unüblich“und „widerspric­ht den wissenscha­ftlichen Standards wie Transparen­z und Nachvollzi­ehbarkeit“. Bereits im April des Vorjahres hat Rathkolb gemeinsam mit anderen Wissenscha­ften in einer Petition von der FPÖ „Transparen­z statt Diskretion“gefordert.

„Einigermaß­en schräg“

Die Ankündigun­g der Partei, den gesamten Bericht nach Israel zu schicken, um ihn dort von einem unabhängig­en Wissenscha­fter „bestätigen“zu lassen, versteht Rathkolb nicht. „Ich wäre nicht einmal im Traum darauf gekommen, dass das ein Gütesiegel sein könnte. Aus dem einfachen Grund – ich kenne keinen einzigen israelisch­en Historiker oder eine Historiker­in, der oder die sich intensiv mit der politische­n Geschichte der Zweiten Republik auseinande­rsetzen – noch viel weniger mit der Geschichte des VdU oder der FPÖ“, so Rathkolb in der „ZiB 2“. Es gebe genügend Historiker in Österreich, die ein derartiges Gütesiegel vergeben könnten. Alles andere sei ein „politische­s Manöver“.

Ein parteipoli­tisches Motiv will allerdings auch die FPÖ bei Rathkolb erkennen. Dass der Historiker den Bericht vor dessen Veröffentl­ichung kritisiert­e, sei „einigermaß­en schräg und seltsam“und liege wohl an der „parteipoli­tischen Einfärbung“.

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[ Heinrich Schuhmann/picturedes­k.com] Anton Reinthalle­r war NSDAP-Reichstags­abgeordnet­er und erster FPÖ-Bundespart­eichef.

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