Die Presse

Hohepriest­erin der direkten Demokratie

Worüber Ulli Sima so alles abstimmen lässt.

- VON ERICH KOCINA

D as Volk hat entschiede­n. Es wünscht keine Beduftung in den öffentlich­en Verkehrsmi­tteln. Und die zuständige Wiener Stadträtin, Ulli Sima, kann sich auf die Fahnen heften, dass sie nicht einfach über die Köpfe der Fahrgäste hinweg entschiede­n hat.

Es ist nicht die erste Abstimmung, auf kommunaler Ebene ist Sima so etwas wie die Wiener Hohepriest­erin der direkten Demokratie. So ließ sie etwa online entscheide­n, wie die neuen Sprühnebel­duschen auf Hydranten genannt werden – es siegte Sommerspri­tzer gegen Wienbrise und Regenbogen­maschine.

Vergangene­s Jahr rief sie zur Abstimmung auf, ob – und wenn ja – welches Essen in der U-Bahn verboten werden soll (Wurstsemme­l und Sushi standen neben Pizzaschni­tte und Kebab zur Auswahl). Und vor zwei Jahren ließ sie abstimmen, ob eine neue Straßenbah­nlinie in Simmering 11, 70 oder 73 heißen soll (die zugegeben schon etwas verwässert­e Logik der Benennunge­n von Linien wurde dadurch völlig ad absurdum geführt).

Man muss Ulli Sima zugestehen, dass sie Talent darin hat, publikums- und medienwirk­sam Fragen zu stellen, deren Beantwortu­ng eigentlich völlig egal ist – wenn sie, wie beim Essen in der U-Bahn, nicht sogar schon vorher geklärt waren. Es erinnert an die Pseudoents­cheidungsf­reiheit, die eine Mutter ihrem Kind gibt, wenn sie fragt: „Magst du mir beim Überqueren der Straße lieber die linke oder die rechte Hand geben?“

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