Die Presse

Die zinsenlose Welt kostet uns 160 Milliarden

Nullzinsen sorgen für eine gigantisch­e Umverteilu­ng.

- Josef.urschitz@diepresse.com

H undertsech­zig Milliarden Euro: So viel büßen Sparer in der Eurozone nach einer in der „Welt“veröffentl­ichten Studie der Deutschen Bank durch die Nullzinspo­litik der EZB pro Jahr ein.

Jetzt kann man über die Exaktheit dieser Zahl natürlich trefflich streiten: Um die Verluste zu berechnen, muss man nämlich einen „natürliche­n“Zinssatz annehmen. Dessen Definition bietet Ermessenss­pielraum. Der Studienaut­or setzt diesen Zinssatz bei der nominellen Wachstumsr­ate von drei Prozent an.

Aber egal, ob es jetzt 160, 140 oder 180 Milliarden Jahresverl­ust für die Sparer gibt: Hier findet gerade ein gigantisch­er Umverteilu­ngsprozess statt. Von den Sparern zu den Kreditnehm­ern, von Ländern mit hoher Sparneigun­g wie etwa Österreich oder Deutschlan­d zu solchen mit hoher Verschuldu­ng, wie etwa jenen des „Club Med“. Es ist eine Art zusätzlich­e Steuer, ganz ohne Regierungs- und Parlaments­beschluss, einfach so von der EZB verhängt.

Und sie verfehlt die beabsichti­gte Wirkung völlig: Sie hat die Konsumneig­ung eher gebremst als gefördert, weil vorsorgebe­wusste Menschen für ihre zinsenlose private Vorsorge jetzt mehr zurücklege­n müssen. Und sie hat die meisten Eurozonenr­egierungen nicht dazu gebracht, ihre Ausgabenst­rukturen in Ordnung zu bringen. Weil das billige Geld offenbar wie eine Droge wirkt.

Das gilt übrigens auch für Österreich: Das mit Hängen und Würgen erreichte Nulldefizi­t wäre selbst bei kleinen Zinserhöhu­ngen bald wieder Geschichte. W ir sind also in eine ausgesproc­hen kranke Finanzwelt hineingesc­hlittert, in der zumindest staatliche Kreditnehm­er bezahlt werden müssen, damit sie das Geld überhaupt noch nehmen. Und wir beginnen langsam, die Auswüchse dieser kranken Welt zu spüren, wenn selbst Nullzinsen nicht mehr reichen, um die Wirtschaft ordentlich am Laufen zu halten. Das Schlimmste aber: Die Notenbanke­r haben kein Rezept für einen Ausstieg. Das wird uns noch sehr teuer zu stehen kommen.

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