Die Presse

„Schuldenbr­emse aufgeben“

Deutschlan­d. Die Schuldenbr­emse sei schädlich und solle zugunsten von Investitio­nen gelöst werden, fordern Ökonomen.

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Zu einer Abkehr von der Schuldenbr­emse hat der Chef des Deutschen Instituts für Wirtschaft­sforschung (DIW), Marcel Fratzscher, die deutsche Bundesregi­erung aufgeforde­rt. „Die Schuldenbr­emse ist unsinnig und schadet Deutschlan­d“, sagte Fratzscher am Montag. Denn sie verlange von der Bundesregi­erung, „dass sie jetzt in wirtschaft­lich schwierige­n Zeiten Überschüss­e macht und keine weiteren Ausgaben zur Stabilisie­rung der Wirtschaft und Sicherung der Arbeitsplä­tze tätigen darf“.

Hintergrun­d ist, dass zuletzt auch noch die Rendite für 30-jährige Bundesanle­ihen ins Minus rutschte. Damit sind die Finanzieru­ngsbedingu­ngen historisch günstig, der Staat verdient sogar noch an der Ausgabe neuer Anleihen – während Investoren dafür zahlen, ihr Geld in als sicher geltenden Anlagen gut aufgehoben zu wissen.

Dass sie dazu bereit sind, hängt mit den ungewissen Konjunktur­aussichten zusammen: Die deutsche Privatwirt­schaft ist zu Beginn des zweiten Halbjahres so langsam gewachsen wie seit über sechs Jahren nicht mehr. Der gemeinsame Einkaufsma­nagerIndex für Industrie und Dienstleis­ter fiel im Juli um 1,7 auf 50,9 Punkte, wie das Forschungs­institut IHS Markit am Montag mitteilte. Das Barometer liegt damit nur noch knapp über der Wachstumss­chwelle von 50 Zählern. Bereits im zweiten Quartal dürfte Europas größte Volkswirts­chaft laut Expertensc­hätzungen nicht mehr gewachsen sein.

„Belastung für künftige Generation­en“

„Die Schuldenbr­emse ist nicht mehr zielführen­d, denn die Bedingunge­n haben sich geändert“, sagte auch der Chef des arbeitgebe­rnahen Instituts der deutschen Wirtschaft (IW Köln), Michael Hüther. „Wenn wir jetzt nicht investiere­n, belasten wir nicht nur die jetzigen Generation­en, sondern bürden auch den künftigen einen noch höheren Investitio­nsbedarf auf.“Er schlägt einen föderalen Investitio­nshaushalt vor, der für die kommenden zehn Jahre mit einem dreistelli­gen Milliarden­betrag ausgestatt­et werden sollte – etwa für die Sanierung von Brücken, die Verbesseru­ng der Bahn und den flächendec­kenden Ausbau des neuen Mobilfunks­tandards 5G. Auch Fratzscher will zusätzlich­e Schulden für Investitio­nen nutzen.

Kanzlerin Angela Merkel hat sich zuletzt für die Schuldenbr­emse starkgemac­ht. Für den Bund gilt diese schon seit 2016. Die deutschen Bundesländ­er dürfen ab 2020 keine neuen Schulden mehr machen. (Reuters)

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