Schlechtes Gewissen rettet das Klima nicht
Wenn ein Internetriese eine exklusive Klima-Mottoparty veranstaltet und die Gäste im Privatflugzeug anreisen, verkommt Klimabetroffenheit zur schicken Attitüde.
Vermutlich gab es schlicht keine Last-minute-Schnäppchen nach Sizilien. Weshalb die Katy Perrys, Orlando Blooms, Madonnas, George Clooneys und all die anderen ausgewiesenen Klimaschutzexperten aus den Weltregionen (Einfluss-)Reich-und-Schön dann eben doch wieder auf Privatjets und Luxusjachten zurückgreifen mussten, um zeitgerecht im Sommercamp der Google-Gründer Sergey Brin und Larry Page auf Sizilien einzutrudeln. Und drei Tage lang unter höchster Geheimhaltung – Social-Media-Verbot! – im eleganten Verdura Golf & Spa Resort, wo der Sand am Strand feinste Importware ist und die drei Golfplätze (wenig umweltschonend) durchgehend bewässert werden, das Klima zu retten.
Das „Giornale di Sicilia“zählte 114 Privatflieger, die in Palermo landeten – geradezu läppisch wenig im Vergleich zu jenen 1500, in denen die Elite aus Politik und Wirtschaft im Jänner zum Weltwirtschaftsforum in Davos düste, um, ja genau, den Klimawandel zu beklagen. Allerdings kann man in Davos ja auch nicht mit der eigenen Jacht anlegen, in Sizilien schon: Gut und gern 1000 Liter Diesel/Stunde soll so ein Luxusschiff verbrauchen. Eventuell diskutierten die 300 GoogleCamper auf dieser exklusiven KlimaMottoparty auch ein Dieselfahrverbot – für Autos der Normalos freilich, nicht für ihre Jachten. Und die Maseratis und SUVs, mit denen sie zwischendurch die Insel erkundet haben, werden sowieso nicht mit Diesel betankt.
Freilich flogen nicht alle Gäste Langstrecke. Aber 114 Flüge Los Angeles–Palermo würden, so errechnete die „New York Post“, insgesamt rund 100 Tonnen CO2 verursachen. Ah so! Na dann müssen ja zum Ausgleich nur genügend Menschen auf Urlaubsreisen oder Städteflüge in der vollgestopften Holzklasse verzichten.
Britenprinz Harry verzichtete übrigens angeblich auch: Auf sein Schuhwerk nämlich, als er vor den Privatjettern und Jachtenbummlern über die Verantwortung jedes Einzelnen referierte. Ob er auch darüber sprach, dass die Suchanfra
ge bei Google laut dem Internetportal oeko.eu jeden Monat 260 Tonnen CO2 verursacht – so viel wie eine Kühltruhe in 5400 Jahren oder eine 1.008.263 Kilometer lange, also 25-mal die Welt umrundende Autofahrt –, ist nicht bekannt.
Man muss nicht klassenkämpferisch veranlagt sein, um zu befürchten, dass die Klimadebatte die Gesellschaft zunehmend spaltet. In solche, die sich alles leisten können, und solche, die sich gefälligst schämen sollen. In solche, für die Klimabetroffenheit eine schicke Attitüde ist, und solche, die aufrichtig besorgt sind. Klimawandel, Erderwärmung, Ressourcenknappheit, drohender Wassermangel: Ja, es wird einem angesichts der prognostizierten Schreckensszenarien wahrlich bange. Andererseits ist das mit den Prognosen eine zwiespältige Sache, weil: Sie basieren auf dem gegenwärtigen Wissensstand und lassen zukunftsweisende Forschung, das Nochundenkbare außer Acht. Beispiele? Stadtplaner warnten um 1850, New York werde wegen der Zunahme an Kutschen bis zum Jahr 1910 in meterhohem Pferdemist versinken. Und der Physiker William Thomson alias Lord Kelvin, der mit nur 24 Jahren die später nach ihm benannte thermodynamische Temperaturskala eingeführt hatte, bezweifelte 1895, dass „Flugmaschinen, die schwerer als Luft sind“, überhaupt gebaut werden könnten. Bekanntlich erstickte New York nicht unter Rossknödeln, weil das 1886 von Carl Benz erfundene Automobil mit Verbrennungsmotor die Pferdefuhrwerke ablöste, und Flugmaschinen sind mittlerweile für 2,69 Prozent des weltweiten CO2-Ausstoßes verantwortlich.
Das bedeutet, dass die Politik massiv in innovative Forschung investieren muss. Denn sehr wahrscheinlich kann die bevorstehende Klimakatastrophe eher durch wissenschaftlichen Fortschritt als durch Verbote, Prominentenauftriebe oder die Pflege schlechten Gewissens abgewendet werden.