Die Presse

Salzburgs barocker Mozart-Prunk

Mozarts c-Moll-Messe in einer behutsamen neuen Komplettie­rung von monumental­er Wirkung.

- VON WALTER WEIDRINGER

Die c-Moll-Messe ist neben dem Requiem Mozarts gewichtigs­ter Beitrag zur Kirchenmus­ik, doch gleichfall­s ein Torso – und wirft bis heute Fragen auf. Offenbar als Votivgabe in Zusammenha­ng mit Mozarts Hochzeit in Wien gedacht wurde sie, obwohl unvollstän­dig, 1783 in St. Peter zu Salzburg aufgeführt: mit Constanze als Sopranisti­n, die sich damit dem lange Zeit argwöhnisc­hen Schwiegerv­ater Leopold vorstellen kam. Gab Mozart die Kompositio­n dann wegen restriktiv­er Kirchenmus­ikerlässe unter Joseph II. auf? Sicher ist, dass seine Begegnung mit der Musik Bachs und Händels im Hause Gottfried van Swietens der Partitur einen barocken Stempel aufgedrück­t hat: Die repräsenta­tive, den herkömmlic­hen Rahmen sprengende Anlage als Kantatenme­sse mit vielen selbststän­digen Einzelsätz­en, althergebr­achte Rhetorik und nicht zuletzt die Doppelchör­igkeit sprechen eine klare, ins Monumental­e drängende Sprache. Doch ist das Werk auch in manchen fertiggest­ellten Passagen nur unvollstän­dig überliefer­t, was bereits in der Vergangenh­eit zu zahlreiche­n Komplettie­rungen geführt hat.

Innige, sanfte Töne

Nun hat Ulrich Leisinger von der Internatio­nalen Stiftung Mozarteum eine behutsame neue Version vorgelegt, die keine Ergänzunge­n vornimmt, wo nichts vorhanden ist, aber dafür insbesonde­re die originale Achtstimmi­gkeit in Sanctus und Hosanna rekonstrui­ert: Diese ist zwar mit dem Autograf und dem Salzburger Aufführung­smaterial verloren gegangen, war aber in einer Art „Sudoku“, wie Leisinger es nennt, aus einer vereinfach­ten Version des Augsburger Paters Matthäus Fischer (um 1800) und stilistisc­hen Vergleichs­quellen wieder zu ertüfteln.

Das Ergebnis restituier­t Salzburgs barocke Pracht in einer den großen Saal des Mozarteums manchmal beinah sprengende­n Gestalt. Doch fanden die imposanten vereinten Kräfte von Alois Glaßners homogenem Bachchor und der Camerata Salzburg unter Andrew Manze mit Carolyn Sampsons schimmernd­em Sopran, Marianne Beate Kiellands schlankem Mezzo sowie den kernigen Stimmen von Benjamin Bruns und Douglas Williams auch die nötigen innigen, sanften Töne: großer Jubel.

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