Viel Kritik an Historikerbericht
Geschichte. Erste Details des freiheitlichen Historikerberichts liegen vor – die Partei sucht noch Experten aus Israel für eine Stellungnahme. „Fast absurd“, befindet die Expertin in Österreich.
Die am Montag veröffentlichte Kurzzusammenfassung des FPÖ-Historikerberichts zur Beleuchtung brauner Flecken hat viel Kritik geerntet. Politberater Thomas Hofer sprach von einer „Pflichtübung“, „getrieben vom Marketinggedanken“. Die Historiker Oliver Rathkolb und Heidemarie Uhl orteten wissenschaftliche Mängel und den Versuch einer Reinwaschung. Die ÖVP sah die FPÖ gefordert, aus der Geschichte zu lernen, die FPÖ benötige „eine Gegenwartskommission, keine Vergangenheitskommission“. Bereits am Montagabend hatte die SPÖ die Veröffentlichung des Teilberichts als „peinlichen Eiertanz“bezeichnet. FPÖ-Generalsekretär Christian Hafenecker und weitere Autoren hatten am Montag den rund 1100 Seiten starken „Rohbericht“präsentiert, öffentlich gemacht wurde aber nur eine 32-seitige Kurzzusammenfassung.
Für den Showeffekt hatte man sie mitgenommen: Mehr als 1100 Seiten, in dicken Mappen verpackt, aufgeteilt in die einzelnen Kapitel. Sie lagen also aufgestapelt in den FPÖ-Klubräumlichkeiten, als papierner Beweis dafür, dass es ihn gibt: den Rohbericht der Historikerkommission der Freiheitlichen.
Aber den Inhalt verteilen, die Mappen mit nach Hause nehmen lassen oder online zur Verfügung stellen? Nein, so weit sei die Partei noch lang nicht. Zuerst müsse man den Text redigieren, editieren und gegebenenfalls ergänzen. Zeitpunkt der Veröffentlichung: unbekannt. Womöglich vor der Nationalratswahl am 29. September, vielleicht aber auch nicht.
Der freiheitliche Generalsekretär, Christian Hafenecker, hatte am frühen Montagabend die wichtigsten Mitarbeiter der Historikerkommission versammelt, um über ihre Arbeit berichten zu lassen. Der Leiter des Projekts, der emeritierte Professor für Rechtsgeschichte Wilhelm Brauneder, hielt sich mit Details zurück – die sollten dann im Endbericht nachzulesen sein. Er verriet aber schon das Resümee des Berichts: Im Laufe der Entwicklung sei die FPÖ „eine Partei wie nahezu jede andere“.
Zur Beurteilung der Freiheitlichen sei es natürlich „interessant und spannend“, sich mit Geschichte zu befassen. Für eine Beurteilung einer Partei zum gegenwärtigen Zeitpunkt sei aber vieles irrelevant. Zum Beispiel die Vergangenheit des ersten Parteiobmannes Anton Reinthaller, ein ehemaliger hochrangiger Nationalsozialist. „Relevant ist: Wie sahen Parteiprogramme aus, wie wurden diese umgesetzt, wie waren die Schlüsselreden der Abgeordneten, was wurden für Anträge gestellt, wie wurde abgestimmt?“, so Brauneder. Die Antwort findet sich in einer kurzen Zusammenfassung wieder: Wenn, dann müsse man die FPÖ als nationalliberal bezeichnen. Mehr nicht.
Nicht nur FPÖ-Experten
Überhaupt habe man sich nicht nur auf die eigene Expertise verlassen, argumentiert die FPÖ. Und legt erstmals die Namen aller 16 Historiker (Frauen sind nicht dabei) vor, die Beiträge für den Bericht eingesandt haben. Der langjährige FPÖ-Chefideologe Andreas Mölzer, für die Koordinierung der Kommission zuständig, betonte vor allem die Namen jener Experten, die keine Freiheitlichen sind. Den Sozialdemokraten Kurt Scholz etwa, den ÖVP-nahen Professor Stefan Karner oder den Historiker Michael Wladika, der auch einen Bericht über die Verbindungen der ÖVP zur NS-Zeit verfasst hat.
Man sei noch auf der Suche nach weiteren Historikern – aus Israel: Die Kapitel zu Antisemitismus und Restitution wolle man einem Experten vorlegen, der den Bericht „mit einer Stellungnahme bereichern soll“, so Hafenecker.
„Relativierende Darstellung“
Und was sagen Experten in Österreich zu dem Bericht? Margit Reiter, Dozentin für Zeitgeschichte an der Universität Wien, wird im September ein Buch über die Anfänge der FPÖ publizieren. Sie hält fest: „Eine wirklich seriöse wissenschaftliche Bewertung ist erst möglich, wenn alles auf dem Tisch liegt – auch die Quellen.“Ob sie denn zumindest dem Resümee zustimmen würde, dass die FPÖ eine Partei wie jede andere sei? „Nein“, sagt Reiter. „Diese relativierende Darstellung lässt sich nicht halten.“Es gebe große Unterschiede: Sowohl ÖVP als auch SPÖ seien „traditionell gewachsene Parteien mit klarem Wählerkern und ideologischen Inhalten“. Auch sie hätten ehemalige Nationalsozialisten integriert. Aber: „Der Verband der Unabhängigen (Vorgängerpartei der FPÖ, Anm.) wurde als Sammelbecken für ehemalige Nationalsozialisten gegründet.“Sich für diese Nationalsozialisten einzusetzen „war die zentrale politische Agenda des VDU und später der FPÖ“.
Dass die Vorgeschichte des ersten Parteiobmanns Reinthaller für jetzige Politiker nicht mehr relevant sei, findet Reiter nicht. „Bis dato hat sich die FPÖ immer positiv auf ihn berufen“, sagt sie. „Nun wird er quasi als harmloser Nazi dargestellt.“Er sei schon 1928 der NSDAP beigetreten. Man könne also davon ausgehen, dass er ein gesinnungstreuer Nationalsozialist gewesen sei.
Dass die Partei sozusagen ein Gütesiegel für ihren Bericht von einem Historiker in Israel suche, „ist fast absurd – das ist ein taktisches Manöver“, sagt Reiter. „Die Vorstellung, dass man einfach irgendeinen Israeli, ohne wissenschaftliche Kompetenz, hernehmen will, der sie entlasten soll, ist ganz hanebüchen.“Da herrsche in der FPÖ offenbar „kein Bewusstsein, was geht und was nicht geht“.