Es wird eng auf der Erde
Die globale Agrarindustrie beanspruche zu große Teile der Landmasse für sich, lauge die Böden aus und befeuere die Klimakrise, warnen Forscher. Sie fordern weniger Fleisch auf dem Teller und mehr Bäume.
Die Welt wird voller, reicher, hungriger – und langsam wird der Platz knapp. Vor gut hundert Jahren lebten 1,6 Milliarden Menschen auf dem Planeten, heute sind es 7,7 Milliarden, in drei Jahrzehnten werden es zehn Milliarden sein. Schon heute braucht die Menschheit 72 Prozent der eisfreien Landflächen, um sich (und ihre Tiere) zu ernähren, zu wärmen und Milliarden an Gütern zu produzieren. Diese Art der Bodennutzung hat drastische Folgen, warnen nun Hunderte Wissenschaftler in einem Spezialbericht des Weltklimarats IPCC.
Denn während Politiker im Kampf gegen die Klimakrise von Elektroautos und Solarkraftwerken sprechen, sei die Land- und Forstwirtschaft für ein Viertel aller weltweiten Treibhausgasemissionen verantwortlich. Die Erderwärmung könne nur dann im Zaum gehalten werden, wenn die Menschheit ihre Zugang zu Landwirtschaft, Ernährung und Wäldern radikal ändert.
Die Ausgangslage
Seit 1961 leben nicht nur deutlich mehr Menschen auf der Erde (siehe Grafik), sie essen auch viel mehr als früher. Der Konsum von Fleisch und pflanzlichen Ölen hat sich in den letzten Jahrzehnten etwa verdoppelt. Das schadet nicht nur den Menschen selbst, zwei Milliarden sind übergewichtig oder krankhaft fett. Es fördert auch eine Agrarindustrie, die große Umweltschäden in Kauf nimmt, um (mehr als) genug Nahrungsmittel zu erzeugen. In vielen Schwellenländern werden Regenwälder abgeholzt, um Platz für Acker- und Weideland zu schaffen. Die Emissionen durch Düngemittel haben sich seit den 1960ern verneunfacht. In Industrienationen kommt dazu ein starker Trend zur Verbauung. Allein in Österreich werden jährlich 12,9 Hektar oder etwa zwanzig Fußballfelder an Grünland zubetoniert.
Die Auswirkungen
Gerade der Rückgang der Waldfläche hat für das Klima negative Konsequenzen. Mit dem Verschwinden des Grünlands steigen nicht nur die Temperaturen im verbauten Gebiet. Der Planet verliert auch das wichtigste Gegengewicht zu steigenden Emissionen, da Bäume für die Fotosynthese Kohlendioxid brauchen. Besonders drastisch sind die Effekte, wenn Regenwald für Weideflächen für Rinder gerodet wird, wie es in Brasilien und Kolumbien an der Tagesordnung ist. Kein anderes Fleisch hat in der Produktion so eine klimaschädliche Wirkung wie Rindfleisch. Zudem ist ein Viertel der Landmasse so ausgelaugt, dass fruchtbare Böden über kurz oder lang austrocknen werden. Die Forscher warnen vor breiter Wüstenbildung in Asien und Afrika. Für die reicheren Industrienationen auf der Nordhalbkugel heißt das: Da die Bevölkerung gerade in Asien und Afrika am stärksten wächst, wird der Migrationsdruck auf die vermeintlichen „Gewinnerländer“der Klimakrise deutlich zunehmen, erwartet der Weltklimarat.
Die Antworten
Um all das zu verhindern, brauche es zwei Dinge: weniger Weiden (für Viehhaltung) und mehr Bäume. Forscher der ETH Zürich errechneten kürzlich, dass eine Trillion Bäume gepflanzt werden müssten, damit die Wälder zwei Drittel des Kohlenstoffs binden könnten, den die Zivilisation in die Luft geblasen hat. Auch eine stärkere Ausrichtung der Agrarsubventionen auf kleine Betriebe wäre sinnvoll. Aber all das brauche Zeit, warnt der Weltklimarat und drängt auf unmittelbare Änderungen der Lebensgewohnheiten: Heute landen 30 Prozent etwa aller Lebensmittel im Müll. Ein bewussterer Umgang könnte helfen, diese Überproduktion zu vermeiden. Der Bericht empfiehlt aber auch „Umweltkosten in Nahrungsmittelpreise miteinzubeziehen“. Das kann als verklausulierte Empfehlung an die Politik gelesen werden, eine unpopuläre Umweltsteuer auf Fleisch und andere tierische Produkte einzuführen – oder aber Gemüse und vegetarische Alternativen zu subventionieren.