Vom Mandat zu den Abgeordneten
Wahlrecht. Bis Montag müssen alle Kandidatenlisten stehen. Doch wozu benötigt man drei Wahlebenen, und wie viel kann man als Bürger mitentscheiden?
Wahlrecht: Wozu es drei Wahlebenen braucht und wie viel man als Bürger mitentscheidet.
Vor einer Woche endete die Einreichfrist für die Landeswahlvorschläge der Parteien. Wer die nötige Zahl an Unterstützern hat, durfte seine Kandidaten für die Regional- und Landeswahlkreise benennen. Am nächsten Montag endet dann die Frist für die Bundesliste. Doch wozu benötigt man drei Kandidatenlisten, wer erhält welches der 183 zu vergebenden Mandate, und wie funktioniert die Nationalratswahl überhaupt? Die wichtigsten Fragen und Antworten:
1 Zählt jede Stimme bei der Wahl wirklich gleich viel, oder gibt es regionale Unterschiede?
Grundsätzlich sollte in der Demokratie jede Stimme gleich zählen. Doch das klappt nicht ganz, schließlich gibt es 39 Regional- und neun Landeswahkreise, dazu kommt dann noch die Bundesliste. Und die verschiedenen Wahlkreise vergeben eine unterschiedliche Zahl an Mandaten. Diese Zahl errechnet sich aber nicht aus der Zahl der Stimmberechtigten, sondern aus der Summe der dort wohnenden Staatsbürger. Wenn es in einem Wahlkreis also besonders viele Kinder gibt (die aber nicht abstimmen dürfen), haben die dortigen Wahlberechtigten auch etwas mehr Stimmgewicht.
Das kann dann dazu führen, dass kinderreiche Gegenden mehr regionale Abgeordnete entsenden. Auch eine bestimmte Partei könnte davon profitieren, wenn sie etwa nur in diesem einen Bundesland antritt. In der Praxis sind die Auswirkungen aber gering, weil für die Zahl der Mandate in erster Linie das Stimmergebnis auf Bundesebene (siehe Punkte 3, 4) entscheidend ist.
2 Warum gibt es denn so viele verschiedene Wahlkreise?
Durch die Regionalisierung soll sichergestellt werden, dass im Nationalrat auch die Bevölkerung abgebildet wird und etwa nicht nur Wiener oder nur Vorarlberger im Parlament sitzen. Doch muss man gar nicht in einer bestimmten Gegend wohnen, um dort kandidieren zu dürfen. Wenn eine Partei will, könnte sie also z. B. in der Steiermark mit Kärntnern antreten. Ob das bei den Wählern gut ankäme, ist eine andere Frage.
Beliebt ist es aber durchaus, Spitzenkandidaten einer Partei in ihrem einstigen Heimatbundesland antreten zu lassen, auch wenn sie schon länger in Wien wohnen.
3 Was bringt es überhaupt, regional erfolgreich zu sein?
Das wichtigste Kriterium, um in den Nationalrat einzuziehen, bleibt die bundesweite Vier-Prozent-Hürde. Doch kann eine Partei auch dann ins Parlament kommen, wenn sie diese Hürde verpasst hat, aber in einem Regionalwahlkreis besonders stark ist. Medien sprechen dann gern von einem Grund- oder Direktmandat (wenngleich die Wahlordnung beide Ausdrücke nicht verwendet). Meist schaffen aber nur die großen Parteien, die ohnedies auch die Vier-Prozent-Hürde überspringen, Grundmandate.
Die Hürde für Grundmandate ist unterschiedlich, sie hängt von der Zahl der zu vergebenden Mandate und der Stimmen (siehe Punkt 4) ab. In Osttirol benötigt eine Partei etwa 93 Prozent der Stimmen für ein Grundmandat, im Wahlkreis Graz und Umgebung können hingegen schon elf Prozent der Stimmen dafür reichen. Das kommt diesmal Grünen-Chef Werner Kogler entgegen, der in dem Stimmbezirk auch Listenerster ist.
Am meisten nützen regionale Erfolge naturgemäß den lokalen Kandidaten. Sie können dann ein Mandat abstauben, das sonst jemand anderer aus ihrer Partei erhalten hätte.
4 Und wie werden die Mandate nun in den verschiedenen Wahlkreisen vergeben?
Um die Mandate im Regionalwahlkreis zu bestimmen, benötigt man zunächst die sogenannte Wahlzahl. Sie wird errechnet, indem man die Zahl der im gesamten Bundesland abgegebenen gültigen Stimmen durch die Zahl der im Land zu vergebenden Mandate teilt. Und je nachdem, wie oft eine Partei im Regionalwahlkreis diese Wahlzahl erreicht hat, bekommt sie dementsprechend ihre Mandate.
Nun folgt der Landeswahlkreis. Hier werden nach derselben Methode die restlichen von dem jeweiligen Bundesland zu vergebenden Mandate an die Kandidaten auf der Landesliste verteilt. Also abzüglich jener Mandate, die schon an einen im Regionalwahlkreis antretenden Kandidaten gingen. Mandate auf Landes- (und auch auf Bundesebene) erhalten nur noch Parteien, die österreichweit zumindest vier Prozent der Stimmen erhalten haben.
Auf Bundesebene werden nach einem komplizierteren System die Restmandate vergeben. Das ist jene Zahl an Mandaten, die der Partei nach dem Gesamtergebnis zustehen würde, aber die sie noch nicht auf Landes- oder Regionalebene erhalten hat.
5 Kann man als Wähler die von den Parteien entworfene Kandidatenliste abändern?
Ja, mit Vorzugsstimmen, aber das ist recht schwierig. Im Regionalwahlkreis muss ein Kandidat mindestens 14 Prozent aller Stimmen, die auf seine Parteien entfallen, erreichen. Dann wird er in der Liste auf Platz eins vorgereiht und erhält als Erster seiner Partei das regionale Mandat. Auf Landesebene beträgt diese Hürde zehn, auf Bundesebene sieben Prozent.
6 Können die Parteien nach der Wahl Umreihungen vornehmen?
Wichtige Kandidaten sind meist mehrfach abgesichert und stehen z. B. auf der Landesund der Bundesliste. Sie können sich nach der Wahl aussuchen, auf welcher Liste sie das Mandat annehmen – je nachdem rückt ein jeweils anderer Kandidat in den Nationalrat nach. Theoretisch ist jeder in der Entscheidung, welches Mandat er annimmt, frei. De facto führt die Partei die Regie.
Und auch, wer nach der Wahl in die Regierung geht, legt sein Nationalratsmandat in der Regel zurück, auch wenn er das rechtlich gar nicht müsste. So kann ein weiterer Parteifreund zu Mandat und Salär kommen.