Die Presse

Vom Mandat zu den Abgeordnet­en

Wahlrecht. Bis Montag müssen alle Kandidaten­listen stehen. Doch wozu benötigt man drei Wahlebenen, und wie viel kann man als Bürger mitentsche­iden?

- VON PHILIPP AICHINGER

Wahlrecht: Wozu es drei Wahlebenen braucht und wie viel man als Bürger mitentsche­idet.

Vor einer Woche endete die Einreichfr­ist für die Landeswahl­vorschläge der Parteien. Wer die nötige Zahl an Unterstütz­ern hat, durfte seine Kandidaten für die Regional- und Landeswahl­kreise benennen. Am nächsten Montag endet dann die Frist für die Bundeslist­e. Doch wozu benötigt man drei Kandidaten­listen, wer erhält welches der 183 zu vergebende­n Mandate, und wie funktionie­rt die Nationalra­tswahl überhaupt? Die wichtigste­n Fragen und Antworten:

1 Zählt jede Stimme bei der Wahl wirklich gleich viel, oder gibt es regionale Unterschie­de?

Grundsätzl­ich sollte in der Demokratie jede Stimme gleich zählen. Doch das klappt nicht ganz, schließlic­h gibt es 39 Regional- und neun Landeswahk­reise, dazu kommt dann noch die Bundeslist­e. Und die verschiede­nen Wahlkreise vergeben eine unterschie­dliche Zahl an Mandaten. Diese Zahl errechnet sich aber nicht aus der Zahl der Stimmberec­htigten, sondern aus der Summe der dort wohnenden Staatsbürg­er. Wenn es in einem Wahlkreis also besonders viele Kinder gibt (die aber nicht abstimmen dürfen), haben die dortigen Wahlberech­tigten auch etwas mehr Stimmgewic­ht.

Das kann dann dazu führen, dass kinderreic­he Gegenden mehr regionale Abgeordnet­e entsenden. Auch eine bestimmte Partei könnte davon profitiere­n, wenn sie etwa nur in diesem einen Bundesland antritt. In der Praxis sind die Auswirkung­en aber gering, weil für die Zahl der Mandate in erster Linie das Stimmergeb­nis auf Bundeseben­e (siehe Punkte 3, 4) entscheide­nd ist.

2 Warum gibt es denn so viele verschiede­ne Wahlkreise?

Durch die Regionalis­ierung soll sichergest­ellt werden, dass im Nationalra­t auch die Bevölkerun­g abgebildet wird und etwa nicht nur Wiener oder nur Vorarlberg­er im Parlament sitzen. Doch muss man gar nicht in einer bestimmten Gegend wohnen, um dort kandidiere­n zu dürfen. Wenn eine Partei will, könnte sie also z. B. in der Steiermark mit Kärntnern antreten. Ob das bei den Wählern gut ankäme, ist eine andere Frage.

Beliebt ist es aber durchaus, Spitzenkan­didaten einer Partei in ihrem einstigen Heimatbund­esland antreten zu lassen, auch wenn sie schon länger in Wien wohnen.

3 Was bringt es überhaupt, regional erfolgreic­h zu sein?

Das wichtigste Kriterium, um in den Nationalra­t einzuziehe­n, bleibt die bundesweit­e Vier-Prozent-Hürde. Doch kann eine Partei auch dann ins Parlament kommen, wenn sie diese Hürde verpasst hat, aber in einem Regionalwa­hlkreis besonders stark ist. Medien sprechen dann gern von einem Grund- oder Direktmand­at (wenngleich die Wahlordnun­g beide Ausdrücke nicht verwendet). Meist schaffen aber nur die großen Parteien, die ohnedies auch die Vier-Prozent-Hürde überspring­en, Grundmanda­te.

Die Hürde für Grundmanda­te ist unterschie­dlich, sie hängt von der Zahl der zu vergebende­n Mandate und der Stimmen (siehe Punkt 4) ab. In Osttirol benötigt eine Partei etwa 93 Prozent der Stimmen für ein Grundmanda­t, im Wahlkreis Graz und Umgebung können hingegen schon elf Prozent der Stimmen dafür reichen. Das kommt diesmal Grünen-Chef Werner Kogler entgegen, der in dem Stimmbezir­k auch Listenerst­er ist.

Am meisten nützen regionale Erfolge naturgemäß den lokalen Kandidaten. Sie können dann ein Mandat abstauben, das sonst jemand anderer aus ihrer Partei erhalten hätte.

4 Und wie werden die Mandate nun in den verschiede­nen Wahlkreise­n vergeben?

Um die Mandate im Regionalwa­hlkreis zu bestimmen, benötigt man zunächst die sogenannte Wahlzahl. Sie wird errechnet, indem man die Zahl der im gesamten Bundesland abgegebene­n gültigen Stimmen durch die Zahl der im Land zu vergebende­n Mandate teilt. Und je nachdem, wie oft eine Partei im Regionalwa­hlkreis diese Wahlzahl erreicht hat, bekommt sie dementspre­chend ihre Mandate.

Nun folgt der Landeswahl­kreis. Hier werden nach derselben Methode die restlichen von dem jeweiligen Bundesland zu vergebende­n Mandate an die Kandidaten auf der Landeslist­e verteilt. Also abzüglich jener Mandate, die schon an einen im Regionalwa­hlkreis antretende­n Kandidaten gingen. Mandate auf Landes- (und auch auf Bundeseben­e) erhalten nur noch Parteien, die österreich­weit zumindest vier Prozent der Stimmen erhalten haben.

Auf Bundeseben­e werden nach einem komplizier­teren System die Restmandat­e vergeben. Das ist jene Zahl an Mandaten, die der Partei nach dem Gesamterge­bnis zustehen würde, aber die sie noch nicht auf Landes- oder Regionaleb­ene erhalten hat.

5 Kann man als Wähler die von den Parteien entworfene Kandidaten­liste abändern?

Ja, mit Vorzugssti­mmen, aber das ist recht schwierig. Im Regionalwa­hlkreis muss ein Kandidat mindestens 14 Prozent aller Stimmen, die auf seine Parteien entfallen, erreichen. Dann wird er in der Liste auf Platz eins vorgereiht und erhält als Erster seiner Partei das regionale Mandat. Auf Landeseben­e beträgt diese Hürde zehn, auf Bundeseben­e sieben Prozent.

6 Können die Parteien nach der Wahl Umreihunge­n vornehmen?

Wichtige Kandidaten sind meist mehrfach abgesicher­t und stehen z. B. auf der Landesund der Bundeslist­e. Sie können sich nach der Wahl aussuchen, auf welcher Liste sie das Mandat annehmen – je nachdem rückt ein jeweils anderer Kandidat in den Nationalra­t nach. Theoretisc­h ist jeder in der Entscheidu­ng, welches Mandat er annimmt, frei. De facto führt die Partei die Regie.

Und auch, wer nach der Wahl in die Regierung geht, legt sein Nationalra­tsmandat in der Regel zurück, auch wenn er das rechtlich gar nicht müsste. So kann ein weiterer Parteifreu­nd zu Mandat und Salär kommen.

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