Wiens Märkte mit Licht und Schatten
Bilanz. Monate nach Einführung ärgern sich viele Standbetreiber nach wie vor über die Reform der Marktordnung. Stadträtin Sima spricht hingegen von so vielen Besuchern wie nie zuvor. Neue Nummer eins: der Brunnenmarkt.
Monate nach der Einführung ärgern sich Standbetreiber über die Reform der Marktordnung.
Nur wenige Leute spazieren an diesem Donnerstagvormittag über den Brunnenmarkt. Doch an der Ecke Schellhammergasse hat sich eine Menschentraube gebildet. „Willkommen auf dem beliebtesten Markt der Stadt“, ruft Bezirksvorsteher Franz Prokop.
Mit Stadträtin Ulli Sima will er bei der Pressekonferenz eigentlich darüber sprechen, dass die Wiener Märkte mit 357.917 Besuchern pro Woche so gut besucht seien wie noch nie. Und dass der Brunnenmarkt den Naschmarkt überholt habe und nun die meisten Besucher aufweisen könne. Doch ein junger Mann bringt die Politiker mit einem Zwischenruf gleich zu Beginn des Medientermins in Erklärungsnot.
„Wissen Sie eigentlich, dass die Standler wegen der neuen Marktordnung in Konkurs gehen?“, ruft er Sima zu. Er sei Anrainer, um die Ecke müsse nun sein Freund den Gemüsestand auf dem samstäglichen Bauernmarkt schließen. Während Sima vor der Presse über die Erfolge der Verordnung spricht, nimmt Marktamtsleiter Andreas Kutheil den Zwischenrufer zur Seite. Mit 1. Mai sei die Marktordnung so abgeändert worden, dass die Standler auf dem Bauernmarkt nur mehr am Wochenende geöffnet haben müssen, erklärt er. „Diese sind in einer besonderen Situation, weil sie ja unter der Woche produzieren.“Von Oktober bis zur Änderung im Mai mussten sie allerdings geöffnet haben. „Mir ist aber kein einziger Konkurs bekannt“, sagt Kutheil.
Befürworter
Der Markt-Chef ist grundsätzlich überzeugt: „Es ist ein Vorteil für die Händler, dass sie die Kernöffnungszeiten einhalten müssen.“Man erarbeite gerade ein Konzept, mit dem alle Beteiligten leben können sollen. Auch Sima versteht die Kritik nicht: Ziel der Marktordnung sei es, den Markt zu beleben, sie helfe etwa gegen die große Konkurrenz von den Supermärkten. „Es gibt Gespräche mit den Betroffenen, um Klarheit zu schaffen“, sagt die Stadträtin.
Kutheil betont, dass kein Obst- und Gemüsetarif erhöht worden sei – lediglich der Gastro-Tarif um zehn Prozent. „Ich bin ja daran interessiert, die Standler wirtschaftlich am Leben zu erhalten. Ich möchte sie nicht umbringen, sondern vielmehr, dass der Markt floriert“, sagt er. „Und man sieht ja deutlich an den Zahlen, dass unser Konzept funktioniert.“750 Standler gebe es auf den Wiener Märkten, es seien weniger als zehn, die den medialen Aufschrei gegen die Marktordnung verursachten, sagt Kutheil.
Ein junger Mann mit Baseballkappe beobachtet die Szenerie, er verkauft hier Obst und Gemüse. Schon vor der Verordnung sei sein Stand jeden Tag geöffnet gewesen. Er sehe für sein Geschäft keine großen Änderungen: „Es gibt eben ein paar Vorschriften mehr, und man muss es melden, wenn man auf Urlaub geht.“Er stehe der Marktordnung aber zumindest neutral gegenüber.
Gegner
Bettina Thallmaier sieht das anders. Sie verkauft hinter der Theke Chilispeck und Grammeln – ein Familienbetrieb seit den 1960er-Jahren. Die Pressekonferenz ein paar Meter weiter sei bloße „Schönrederei“. „Wir werden plötzlich nicht mehr wie Selbstständige, sondern wie Angestellte behandelt“, sagt sie zu den neuen Öffnungszeiten. „Ich hätte dann aber auch gern Urlaubsgeld und bezahlten Krankenstand.“Früher stand Thallmaier nur von Mittwoch bis Samstag auf dem Brunnenmarkt. Die Fixkosten würden mit den längeren Öffnungszeiten steigen und man müsse mehr Personal auftreiben. „Ich habe eine Tochter, da ist es nicht einfach, jeden Tag hier zu sein.“Gleichzeitig nehme sie nicht merklich mehr Geld ein.
Vergangenen Winter sei es ab 16.30 Uhr stockfinster gewesen, und die Standler hätten auf dem schlecht beleuchteten Brunnenmarkt kaum Ware verkauft. Aber auch andere Märkte, vor allem die kleineren, seien betroffen. Mit der Kampagne „Widerstandl“des Vereins Zukunft Wiener Märkte will Doris Knor gegen die Marktordnung vorgehen. Sie widerspricht Kutheil: „Wir haben hundert registrierte Mitglieder, die unsere Kampagne gegen die Marktordnung unterstützen.“
Neben den Öffnungszeiten kritisiert Knor auch die Regelung zur Schanigartengebühr. „Früher konnte man monatlich einreichen, jetzt muss man von März bis November fix zahlen.“Außerdem seien viele Formulierungen in der Verordnung schwammig. „Das lässt viel Willkür zu“, ärgert sich Knor. Seit der neuen Regelung bekomme sie eine Flut an E-Mails, Standbetreiber würden ihr Anzeigen zuschicken und um Hilfe bitten. Manche würden durch die strengeren Regeln ihre Zuweisung verlieren, etwa wegen zu vieler Stühle vor dem Stand. Von der Erarbeitung eines neuen Konzepts, von der Kutheil spricht, wisse Knor noch nichts: „Das würden wir aber natürlich begrüßen.“