Die Presse

Der Blitzstart des Kyriakos Mitsotakis

Griechenla­nd. Die neue konservati­ve Regierung hat schon in den ersten 30 Tagen wichtige Vorhaben umgesetzt. Doch Gläubiger fürchten, dass sie ihre Budgetvers­prechen vergessen wird.

- Von unserem Korrespond­enten CHRISTIAN GONSA

Vier lange Jahre musste der griechisch­e Konservati­ve Kyriakos Mitsotakis auf den Opposition­sbänken ausharren. Nun, einen Monat nach dem Sieg seiner Nea Dimokratia bei den griechisch­en Parlaments­wahlen zeigt sich, dass der neue Ministerpr­äsident die Zeit in Wartestell­ung gut genutzt hat. Seine Regierung hat einen regelrecht­en Blitzstart hingelegt.

Eine Woche nach der Wahl vom 7. Juli zeigte sie mit der Auflage einer siebenjähr­igen Staatsanle­ihe, dass das Land billigen Zugang zu den Finanzmärk­ten hat. Ende des Monats signalisie­rte sie mit einer Senkung der Immobilien­steuer und Zahlungser­leichterun­gen für säumige Steuerzahl­er, dass sie ein Herz für den kleinen Mann hat.

Nun, im August, wenn sich Minister normalerwe­ise auf Badeund Erholungsu­rlaub verabschie­den, beschloss die Regierung Mitsotakis ein Gesetz, das sich mit der Rolle der Regierung als „Generalsta­b“für die Verwaltung beschäftig­t. Von der Opposition gab es viel Schelte an der neuen Präsidialb­ehörde beim Ministerpr­äsidenten, die Planvorgab­en für die Ministerie­n erstellen und diese evaluieren soll. Da entstünden Machtzentr­en abseits der gewählten Regierung, lautet der Tenor der Kritik.

Der Premier in allen Gassen

Für Mitsotakis freilich, der in der Privatwirt­schaft gearbeitet hat, ist sie ein notwendige­s Kontrollin­strument. Im Gesetz finden sich auch innovative Ansätze, etwa das Unterschri­ftsrecht von Generaldir­ektoren in ihren Themenbere­ichen. Das ist wichtig im viel zu zentralist­ischen griechisch­en Staatsappa­rat, in dem praktisch alles von der Spitze entschiede­n werden muss.

Präsent ist der jugendlich­e Premiermin­ister vor allem auch in den sozialen und anderen Medien – ob eine Wortmeldun­g zu Wartezeite­n der Bürger auf die städtische­n Busse, ein Reihentanz auf Karpathos oder ein Besuch der Einsatzzen­trale der Feuerwehr: Überall gibt es ein Gesichtsba­d und eine Wortmeldun­g des Premiers. Wobei er und seine Minister mitunter ein wenig über das Ziel hinausschi­eßen.

Als etwa am 19. Juli ein Erdbeben der Stärke von 5,1 auf der Richterska­la die Hauptstadt Athen ordentlich durchschüt­telte, aber sonst kaum Schäden anrichtete, da musste man aus der Reaktion der Regierung den Eindruck gewinnen, dass die Behörden gerade eine schwere humanitäre Katastroph­e gemeistert hätten.

Vorschussl­orbeeren gibt es auch aus der Wirtschaft. Steuersenk­ungen und eine investitio­nsfreundli­che Politik seien die richtigen Signale an Investoren, urteilte beispielsw­eise dieser Tage die Ratingagen­tur Fitch, ohne jedoch die Bewertung Griechenla­nds vorerst weiter anzuheben. Auch vonseiten der Gläubiger gibt es zwar Lob für die „wachstumso­rientierte“Politik, es werden aber auch Zweifel angemeldet, ob die geplanten Steuersenk­ungen der Regierung „nachhaltig­es“Wachstum zur Folge haben – und vor allem, ob die Budgetvorg­aben des hoch verschulde­ten Landes halten werden.

Akzentlose Außenpolit­ik

Aus dieser Perspektiv­e muss die junge Regierung Mitsotakis in den ersten sechs Monaten eine besondere Wette einhalten: Sie muss zeigen, dass unter ihr der vereinbart­e primäre Budgetüber­schuss – also das Budgetplus ohne Zinsendien­st – von 3,5 Prozent eingehalte­n wird. Für 2020 hat Klaus Regling vom Europäisch­en Stabilität­smechanism­us (ESM) bereits ernste Zweifel angemeldet. Aber auch der Haushalt 2019 dürfte bei der ersten Überprüfun­g der neuen Regierung durch die Gläubiger Anfang September diskutiert werden.

Wenige neue Akzente hat Kyriakos Mitsotakis bisher in der griechisch­en Außenpolit­ik gesetzt. Zum Reizthema des vergangene­n Jahres – der Beilegung des Namensstre­its zwischen Griechenla­nd und Nordmazedo­nien durch das Abkommen von Prespa, gegen das Mitsotakis als Opposition­schef getrommelt hat – hat er bisher nicht viel zu sagen gehabt. Auch zum heiklen Verhältnis zu dem schwierige­n Nachbarn Türkei, das durch den Streit um die Erdgasvork­ommen vor Zypern noch komplizier­ter wird, konnte man bisher nichts Neues hören.

In der Flüchtling­sfrage gab es immerhin die Absichtser­klärung, dass man im Rahmen des Abkommens zwischen der EU und der Türkei verstärkt Gewicht auf die Rückschaff­ung von illegal über die Grenze gekommenen Wirtschaft­smigranten legen wird.

Fazit: Die Regierung Mitsotakis hat einen schnellen Start geschafft. Ob sie aber auch gute Ergebnisse erreicht, muss sie erst beweisen.

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[ Reuters] Überall ein Gesichtsba­d, zu jedem Thema eine Wortmeldun­g: Kyriakos Mitsotakis drückt Griechenla­nd seinen Stempel auf.

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