Die Presse

Europäer wachsen zusammen

Eurobarome­ter-Umfrage. Immer weniger EU-Bürger fremdeln gegenüber ihren europäisch­en Nachbarn. Und immer mehr haben ein positives Bild von der EU.

- VON MICHAEL LACZYNSKI

Die Freude war nicht zu überhören, als die EU-Kommission vor wenigen Tagen die Ergebnisse des jüngsten Eurobarome­ters veröffentl­ichte. Die seit den frühen 1970er-Jahren zweimal im Jahr in allen EU-Mitgliedst­aaten stattfinde­nde Umfrage ist der exakteste Stimmungsm­esser, den die Kommission zur Verfügung hat. Das aus Brüsseler Perspektiv­e wichtigste Ergebnis: Das Vertrauen der Europäer in ihre Union nimmt zu. Im Vergleich zur Herbstumfr­age 2018 ist der Anteil jener, die die EU für vertrauens­würdig halten, um zwei Prozentpun­kte auf 44 Prozent gestiegen – das ist der höchste Stand seit dem Ausbruch der Eurokrise 2009. Einen Höchststan­d seit 2009 erzielte mit 45 Prozent auch der Anteil jener, die sich von der EU ein generell positives Bild machen.

Abseits dieser EU-freundlich­en Überschrif­ten bietet der jüngste Eurobarome­ter eine Vielzahl interessan­ter Detailerge­bnisse. „Die Presse“hat den statistisc­hen Annex der Umfrage durchforst­et und liefert vier weitere Highlights. Eine warnende Anmerkung am Rande: Die Statistik bietet (wie immer) keine Aufschlüss­e über etwaige Kausalität­en.

1

Fangen wir mit dem Vertrauen an. Als Laie würde man davon ausgehen, dass ein Zuwachs des Vertrauens mit steigendem Interesse einhergehe­n müsste. Dem scheint allerdings nicht so zu sein. Denn jene Fragen, die das politische Interesse messen, weisen in die gegenläufi­ge Richtung. So ist der Anteil der Befragten, die sich mit ihren Freunden nie über Europa unterhalte­n, um drei Prozentpun­kte auf 34 Prozent gestiegen (siehe Grafik). Weniger gesprochen wird auch über nationale Politik (24 %) und lokale Angelegenh­eiten (29 %). Zugleich ist das Vertrauen in die Medien um einen Prozentpun­kt auf 39 Prozent gesunken.

Ein Zyniker würde an dieser Stelle wohl anmerken, dass Desinteres­se kein Hindernis, sondern im Gegenteil eine vertrauens­bildende Maßnahme sein kann. In Österreich liegt die Zahl der apolitisch­en Zeitgenoss­en übrigens deutlich unter dem EU-Schnitt: Nur 17 Prozent der Befragten gaben hierzuland­e an, niemals über EUAngelege­nheiten zu sprechen

(+2 % gegenüber der letzten Umfrage). Und nur sieben Prozent (-1 %) sprachen mit ihren Freunden nie über die Innenpolit­ik.

2

Wer die Brüsseler Interna kennt, weiß, dass die drei Institutio­nen der EU – Kommission, Europaparl­ament und Rat der Europäisch­en Union – um Einfluss rittern. Das EU-Parlament hatte in den vergangene­n Jahren an Statur gewonnen. In der öffentlich­en Wahrnehmun­g ist zuletzt allerdings das Gremium der Unionsmitg­lieder sichtbarer geworden: Der Anteil der befragten EU-Bürger, denen der Rat der EU ein Begriff ist, ist seit dem Vorjahr um vier Prozentpun­kte auf 66 Prozent gestiegen. Und der Europäisch­e Rat, also die offizielle­n Gipfel der EU-Staats- und Regierungs­chefs, war zuletzt 72 Prozent der Europäer ein Begriff – ebenfalls ein Plus von vier Prozentpun­kten. Diese neue Prominenz dürfte damit zu tun haben, dass die EU-Mitglieder zuletzt öfter Krisenfeue­rwehr spielen mussten – Stichwort Brexit – und dadurch sichtbarer geworden sind.

3

Ein integraler Bestandtei­l des Eurobarome­ters sind Fragen nach Gemeinsamk­eiten unter den EUBürgern. Hier gab es zuletzt eine deutliche Veränderun­g: Der Anteil der Befragten, die der Aussage „Menschen in der EU haben viele Dinge gemeinsam“zustimmten, kletterte um zwölf Prozentpun­kte auf 63 Prozent. In Österreich lag die Zustimmung­srate bei 68 Prozent, ein Plus von sieben Prozentpun­kten. Selbst in Großbritan­nien, das auf einen harten Bruch mit der EU zusteuert, stimmten 62 Prozent der Befragten zu (+8 %).

4

Immer mehr Europäer erleben die positiven Aspekte der EU beim Reisen: So ist der Anteil jener, die persönlich vom Wegfall der Grenzkontr­ollen, von der Abschaffun­g der Roamingtar­ife und von medizinisc­hen Leistungen im EU-Ausland profitiert haben, gestiegen. Minimal gesunken (um einen Prozentpun­kt auf 21 Prozent) ist der Anteil der EU-Bürger, die zuletzt in einem anderen EU-Land gearbeitet haben.

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