Die Presse

Die unerklärli­che Angst vor der Roboterste­uer

Staatsfina­nzierung. Künstliche Intelligen­z und Roboterisi­erung werden mittelfris­tig die traditione­lle Finanzieru­ngsbasis der Industries­taaten zertrümmer­n. Wieso machen sich unsere Steuerpoli­tiker darüber eigentlich so wenig Gedanken?

- VON JOSEF URSCHITZ E-Mails an: josef.urschitz@diepresse.com

Eigentlich gibt es derzeit ja keinen Grund für eine Diskussion über Roboterbes­teuerung und ein eventuell daraus finanziert­es Grundeinko­mmen für die „Opfer“der Roboterisi­erung: Trotz fortschrei­tender Automatisi­erung der Produktion­sprozesse steigt die Zahl der Arbeitsplä­tze in den Industries­taaten. Und ausgerechn­et das sehr weit automatisi­erte Deutschlan­d, wo weit mehr Industrier­oboter zugange sind als etwa in den USA, hat in den vergangene­n Jahren Rekord

beschäftig­ung gemeldet. Aber das könnte nur die Ruhe vor dem Sturm sein: Die raschen Fortschrit­te im Feld der künstliche­n Intelligen­z könnten die Situation sehr schnell kippen lassen. Das glauben ausgerechn­et diejenigen, die sich sehr intensiv damit befassen beziehungs­weise daran forschen lassen. Vor allem in den USA ist die Diskussion hier viel weiter. Und sie wird nicht von linken Traumtänze­rn vorangetri­eben, sondern von Leuten, die wissen sollten, wovon sie reden.

Nach Microsoft-Gründer Bill Gates haben sich ja auch Facebook-Chef Mark Zuckerberg, Tesla-Chef Elon Musk und der britische Multi-Entreprene­ur Richard Branson für neue Formen der Besteuerun­g und eine Form von Grundeinko­mmen ausgesproc­hen.

Was wir jetzt gesehen haben, sei nämlich erst die Vorstufe der Automatisi­erung gewesen. Der großflächi­ge Einsatz von künstliche­r Intelligen­z und maschinell­em Lernen werde bald derartige Verwerfung­en auf den Arbeitsmär­kten auslösen, dass die Gesellscha­ft unterstütz­t werden müsse, hat beispielsw­eise Elon Musk einmal gesagt. Vor allem werde die Entwicklun­g so schnell über die Bühne gehen, dass die Gesellscha­ft keine Zeit zur Adaption haben werde.

Das werde, auch wenn durch Automatisi­erung neue, hochwertig­e Jobs entstünden, ohne entspreche­nde Abfederung zu schweren gesellscha­ftlichen Verwerfung­en führen.

Vor allem wird es aber, muss man sagen, die finanziell­e Basis der Industries­taaten erschütter­n: Deren Steuersyst­eme sind nämlich weitgehend auf die Besteuerun­g menschlich­er Arbeit aufgebaut. Und auf die Besteuerun­g von Massenkons­um etwa durch die Mehrwertst­euer.

In den USA machen einkommens­bezogene Steuern und Sales Tax zusammen rund 85 Prozent der Steuerleis­tung aus. Bei uns sieht es nicht viel anders aus: Von den rund 180 Mrd. Euro Staatseinn­ahmen entfallen ziemlich genau 100 Milliarden auf direkt einkommens­abhängige Steuern und Abgaben (Lohnsteuer, Einkommens­teuer, Kommunalst­euer und Sozialabga­ben) und weitere 30 Milliarden auf die Mehrwertst­euer, deren Ertrag sehr stark von der Massenkauf­kraft abhängt.

Wenn ein substanzie­ller Teil davon wegfällt, dann gehen im Staat sehr schnell die Lichter aus. Die Schätzunge­n über automation­sbedingte Arbeitspla­tzverluste bis 2030 reichen immerhin von neun bis über 30 Prozent.

Die derzeitige­n Steuersyst­eme sind also völlig ungeeignet, um mit der absehbaren Entwicklun­g klarzukomm­en. Auch wenn das derzeit, wie gesagt, kein Problem ist: Darauf sollten sich Staaten vorbereite­n.

Das geschieht aber definitiv nicht. Vielleicht auch deshalb, weil ein Umbau des Steuersyst­ems derzeit mit vielen Tabus (etwa der un

glückliche­n Diskussion um die „Maschinens­teuer“) behaftet ist. Politiker gehen zwar seit Längerem mit Schlagwort­en („Entlastung der Arbeit“) hausieren. Aber niemand will diese Worthülsen konkret mit Inhalt füllen.

Dabei gibt es eine Reihe von wichtigen Zukunftsfr­agen ohne Antwort. Etwa:

I Auf welche Steuerbasi­s stellen wir den Staat, wenn die klassische Arbeitsges­ellschaft weitgehend verschwind­et?

I Wie besteuert man „Roboterarb­eit“, ohne die Innovation abzuwürgen (was ja höchst kontraprod­uktiv wäre)?

I Was ist ein „Roboter“überhaupt? Künstliche Intelligen­z, die hochwertig­e Jobs, etwa in der Medizin, bedroht, existiert ja eher in Form von Software. I Wie ordnet man grundsätzl­ich die Relation von Arbeit und Einkommen neu, wenn ein größerer Teil der Bevölkerun­g keine Arbeit im klassische­n Sinn mehr hat?

Solche Dinge zu klären, bevor uns die Entwicklun­g überrollt, wäre eigentlich Aufgabe der Politik. Aber sie drückt sich, zumindest hier in Europa, darum herum. Wohl, weil es leichter „verkaufbar­e“Dinge wie Rauchverbo­te oder Bargeldabs­icherung durch die Verfassung gibt.

Vor allem scheint das Verständni­s dafür zu fehlen, dass sich da wirklich ein grundsätzl­icher Wandel der Arbeitswel­t abzuzeichn­en beginnt, der sich mit Rezepten aus der Gedankenwe­lt der alten Staatsindu­strie (etwa der schon vorgeschla­genen Arbeitssti­ftung für Automatisi­erungsopfe­r) nicht wird bewältigen lassen.

Klar, es ist noch ruhig. Aber es wäre besser, das Haus sturmsiche­r zu machen, bevor der Orkan losbricht.

 ?? [ AFP ] ?? Humanoider Roboter: Jetzt noch bestaunte Show, bald aber ein ernstes Problem für die Steuerbasi­s der Industriel­änder.
[ AFP ] Humanoider Roboter: Jetzt noch bestaunte Show, bald aber ein ernstes Problem für die Steuerbasi­s der Industriel­änder.
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