Die unerklärliche Angst vor der Robotersteuer
Staatsfinanzierung. Künstliche Intelligenz und Roboterisierung werden mittelfristig die traditionelle Finanzierungsbasis der Industriestaaten zertrümmern. Wieso machen sich unsere Steuerpolitiker darüber eigentlich so wenig Gedanken?
Eigentlich gibt es derzeit ja keinen Grund für eine Diskussion über Roboterbesteuerung und ein eventuell daraus finanziertes Grundeinkommen für die „Opfer“der Roboterisierung: Trotz fortschreitender Automatisierung der Produktionsprozesse steigt die Zahl der Arbeitsplätze in den Industriestaaten. Und ausgerechnet das sehr weit automatisierte Deutschland, wo weit mehr Industrieroboter zugange sind als etwa in den USA, hat in den vergangenen Jahren Rekord
beschäftigung gemeldet. Aber das könnte nur die Ruhe vor dem Sturm sein: Die raschen Fortschritte im Feld der künstlichen Intelligenz könnten die Situation sehr schnell kippen lassen. Das glauben ausgerechnet diejenigen, die sich sehr intensiv damit befassen beziehungsweise daran forschen lassen. Vor allem in den USA ist die Diskussion hier viel weiter. Und sie wird nicht von linken Traumtänzern vorangetrieben, sondern von Leuten, die wissen sollten, wovon sie reden.
Nach Microsoft-Gründer Bill Gates haben sich ja auch Facebook-Chef Mark Zuckerberg, Tesla-Chef Elon Musk und der britische Multi-Entrepreneur Richard Branson für neue Formen der Besteuerung und eine Form von Grundeinkommen ausgesprochen.
Was wir jetzt gesehen haben, sei nämlich erst die Vorstufe der Automatisierung gewesen. Der großflächige Einsatz von künstlicher Intelligenz und maschinellem Lernen werde bald derartige Verwerfungen auf den Arbeitsmärkten auslösen, dass die Gesellschaft unterstützt werden müsse, hat beispielsweise Elon Musk einmal gesagt. Vor allem werde die Entwicklung so schnell über die Bühne gehen, dass die Gesellschaft keine Zeit zur Adaption haben werde.
Das werde, auch wenn durch Automatisierung neue, hochwertige Jobs entstünden, ohne entsprechende Abfederung zu schweren gesellschaftlichen Verwerfungen führen.
Vor allem wird es aber, muss man sagen, die finanzielle Basis der Industriestaaten erschüttern: Deren Steuersysteme sind nämlich weitgehend auf die Besteuerung menschlicher Arbeit aufgebaut. Und auf die Besteuerung von Massenkonsum etwa durch die Mehrwertsteuer.
In den USA machen einkommensbezogene Steuern und Sales Tax zusammen rund 85 Prozent der Steuerleistung aus. Bei uns sieht es nicht viel anders aus: Von den rund 180 Mrd. Euro Staatseinnahmen entfallen ziemlich genau 100 Milliarden auf direkt einkommensabhängige Steuern und Abgaben (Lohnsteuer, Einkommensteuer, Kommunalsteuer und Sozialabgaben) und weitere 30 Milliarden auf die Mehrwertsteuer, deren Ertrag sehr stark von der Massenkaufkraft abhängt.
Wenn ein substanzieller Teil davon wegfällt, dann gehen im Staat sehr schnell die Lichter aus. Die Schätzungen über automationsbedingte Arbeitsplatzverluste bis 2030 reichen immerhin von neun bis über 30 Prozent.
Die derzeitigen Steuersysteme sind also völlig ungeeignet, um mit der absehbaren Entwicklung klarzukommen. Auch wenn das derzeit, wie gesagt, kein Problem ist: Darauf sollten sich Staaten vorbereiten.
Das geschieht aber definitiv nicht. Vielleicht auch deshalb, weil ein Umbau des Steuersystems derzeit mit vielen Tabus (etwa der un
glücklichen Diskussion um die „Maschinensteuer“) behaftet ist. Politiker gehen zwar seit Längerem mit Schlagworten („Entlastung der Arbeit“) hausieren. Aber niemand will diese Worthülsen konkret mit Inhalt füllen.
Dabei gibt es eine Reihe von wichtigen Zukunftsfragen ohne Antwort. Etwa:
I Auf welche Steuerbasis stellen wir den Staat, wenn die klassische Arbeitsgesellschaft weitgehend verschwindet?
I Wie besteuert man „Roboterarbeit“, ohne die Innovation abzuwürgen (was ja höchst kontraproduktiv wäre)?
I Was ist ein „Roboter“überhaupt? Künstliche Intelligenz, die hochwertige Jobs, etwa in der Medizin, bedroht, existiert ja eher in Form von Software. I Wie ordnet man grundsätzlich die Relation von Arbeit und Einkommen neu, wenn ein größerer Teil der Bevölkerung keine Arbeit im klassischen Sinn mehr hat?
Solche Dinge zu klären, bevor uns die Entwicklung überrollt, wäre eigentlich Aufgabe der Politik. Aber sie drückt sich, zumindest hier in Europa, darum herum. Wohl, weil es leichter „verkaufbare“Dinge wie Rauchverbote oder Bargeldabsicherung durch die Verfassung gibt.
Vor allem scheint das Verständnis dafür zu fehlen, dass sich da wirklich ein grundsätzlicher Wandel der Arbeitswelt abzuzeichnen beginnt, der sich mit Rezepten aus der Gedankenwelt der alten Staatsindustrie (etwa der schon vorgeschlagenen Arbeitsstiftung für Automatisierungsopfer) nicht wird bewältigen lassen.
Klar, es ist noch ruhig. Aber es wäre besser, das Haus sturmsicher zu machen, bevor der Orkan losbricht.