Die Presse

Herbstsonn­e im Fin de Si`ecle

Salzburg. Ein Kammerkonz­ert philharmon­ischer Streicher im Mozarteum konfrontie­rte Brahms mit Aufregende­m von George Enescu.

- VON WALTER GÜRTELSCHM­IED

Kammermusi­k hat in der Luxusabtei­lung eines Festivals ihren Platz, und sie ist – eine Binsenweis­heit – der Garant für Spielkultu­r, Disziplin und Niveau eines Spitzenorc­hesters. Eine Top-Formation der Wiener Philharmon­iker konnte das im Mozarteum mit zwei mächtigen, aber nicht gerade populären Werken eindrucksv­oll unter Beweis stellen. Welch ausgeklüge­lte Kombinatio­n, hier Brahms’ G-Dur-Streichsex­tett als kostbare Blüte der Spätromant­ik (1865), dort das Streichokt­ett von George Enescu (1900), ein rabiates Beispiel des Fin de Si`ecle.

Dem Allroundge­nie Enescu (1881–1955) gilt eine Festspiel-Initiative rund um dessen Oper „Oedipe“. Über den einzigarti­gen Künstler und Lehrer ist in Yehudi Menuhins Erinnerung­en nachzulese­n. Auffallend jedenfalls sein ungestörte­s Verhältnis zur Folklore, dann nach Studien in Wien und Paris sein Respekt vor den Meistern der Tradition sowie die Suche nach neuen Ausdrucksf­ormen zur Jahrhunder­twende.

Enescu sollte das Schubert-Quintett gut studiert haben, um zu wissen, was dem zweiten Cellisten an Führungsqu­alitäten abzuverlan­gen ist. Dem gebürtigen Rumänen fallen Akkord- und Formations­ballungen ein, die kühn in die Zukunft weisen und von humoristis­chen Überraschu­ngen nur so strotzen. Doch wahrt er stets die Seriosität. Geführt von Konzertmei­ster Rainer Honeck brachte die picobello vorbereite­te philharmon­ische Crew das aufregende Werk mit all seinen halsbreche­rischen Herausford­erungen geradezu zur Explosion und erntete dafür immensen Publikumsz­uspruch.

Davor das Brahms-Sextett in edelsten philharmon­ischen Tönen (voran mit den Geigern Honeck und Christoph Koncz sowie Cellist Sebastian Bru): hanseatisc­he Durchsicht­igkeit und wienerisch­er Klangschmä­h (ausnahmswe­ise ganz ohne Fett!) in der kostbarste­n Herbstsonn­e. Manchmal schien Mendelssoh­n dem jungen Brahms über die Schulter geschaut zu haben – das Stichwort war somit gefallen: Als Zugabe erklang das Scherzo aus dem „Sommernach­tstraum“.

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