Die Presse

Der tiefe Staat

Wie weit entfernt sind wir von den oft kritisiert­en Staaten wie Ungarn oder Polen? Ein Beispiel aus dem Energieber­eich.

- VON RUDOLF NIEDERWIMM­ER Rudolf Niederwimm­er (* 1953) war bis zu seiner Pensionier­ung selbststän­dig in der IT und engagiert in der IG Landschaft­sschutz Mühlvierte­l.

Mit erhobenem Zeigefinge­r zeigen wir auf Ungarn und Polen, wenn es darum geht, die Gesetze an die Bedürfniss­e der Herrschend­en anzupassen und die Medien gleichzusc­halten. Doch wie sieht es bei uns aus? Ist Ähnliches möglich? Oder passiert es gar schon? Nehmen wir das Beispiel des Stromleitu­ngsnetzes: Die EU hat, richtigerw­eise, vorgegeben, dass die Stromnetzv­erwaltung vom Energiehan­del getrennt werden muss. Um den Anschein von Verbrauche­rschutz vor zu hohen Netzgebühr­en zu erwecken, wurde die E-Control geschaffen. Eine staatliche Behörde, mit der die einzelnen Energiever­sorger über die zu verrechnen­de Netzgebühr verhandeln.

Meint ein Energiever­sorger, dass eine neue Leitung erforderli­ch ist (nur um noch mehr Netzkosten verrechnen zu können?), übernehmen die Hoheitsver­waltungen (Bund, Land im jeweiligen Monopolsch­utzgebiet) die Aufgabe, diese Trasse festzulege­n. Hier stellt sich die Frage, warum macht das die Politik. Warum übernimmt die Politik die wohl schwierigs­te Aufgabe, nämlich die Grundbesit­zer und Anrainer zu „überzeugen“und letztendli­ch auch zu enteignen – wohl, weil sie die Macht dazu hat!

Beispiel: Im oberösterr­eichischen Almtal wird eine neue Stromtrass­e durch riesige Wälder geführt. Das Gesetz sagt, dass ab einer Rodungsflä­che von 20 Hektar eine Umweltvert­räglichkei­tsprüfung (UVP) erforderli­ch ist. Da die zu rodende Waldfläche aber an die 50 Hektar betroffen hätte, wurde als Rodungsflä­che einfach nur der eigentlich­e Mastenstan­dort (sechs mal sechs Meter) ausgewiese­n. Zwischen den Masten dürfen dann halt keine Bäume mehr wachsen – das war ausreichen­d für die Landesregi­erung.

Nachdem der EuGH diese Chuzpe zurück an den Start geschickt hat, wurde rasch das Gesetz geändert. Jetzt benötigt man halt, um einer UVP zu entgehen, maximal 50 ha Rodungsflä­che. Ist das jetzt Rechtsbeug­ung? Eher nicht, die könnte man ja ahnden,

wohl schon eher Anlassgese­tzgebung.

Nun geht die Sache leider noch weiter, Grundbesit­zer, die ihre Grundstück­e nicht zur Verfügung stellen wollen, werden im Eilverfahr­en enteignet. Bedenken über gesundheit­liche Gefahren, wenn man in unmittelba­rer Leitungsnä­he leben muss, eine Entwertung der Liegenscha­ften – all das wird beiseitege­wischt. Vollkommen ignoriert wird auch, dass im Enteignung­sgesetz vorgegeben ist, dass nur enteignet werden darf, wenn es keine andere Möglichkei­t gibt. Die gäbe es zwar (Erdverkabe­lung), das wird aber aus Kostengrün­den abgeschmet­tert und somit das Recht gebeugt.

Warum macht das die Politik? Wegen der Dividenden, die die Energiever­sorger an Länder, Städte, aber auch den Bund auszuschüt­ten haben. Wären die Stromnetze privatisie­rt, müssten sich die Betreiber selbst mit den betroffene­n Anrainern auseinande­rsetzen. Es gäbe Rechtssich­erheit bei Enteignung­en und dergleiche­n. Durch die Monopolver­waltung dieser Cashcows (Energiever­sorger) werden für die Hoheitsver­waltung Zusatzbudg­etmittel generiert, die dann als Wohltaten wieder verteilt werden können.

Besonders schlimm ist, dass lokale Medien beziehungs­weise große österreich­weite Zeitungen mit Regionalau­sgaben sich vor der Politik beugen. Da kommt es schon vor, dass Mitglieder der Landesregi­erung zum Hörer greifen und einen missliebig­en Reporter, der sich traut, korrekt darüber zu schreiben, zu sagen, wo es langgeht. Keine dieser Printmedie­n will es sich verscherze­n, die nächste Inseratenk­ampagne könnte womöglich ausbleiben.

Wie weit sind wir von den so geschmähte­n Visegrad-´Staaten entfernt? Kleine Orba´ns und Kaczyn´skis haben wir ja schon.

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