Die Presse

Rot-Grün „ist wieder möglich“

Sommer-Interview. Finanzstad­trat Peter Hanke über das Erbe von Renate Brauner, Förderunge­n für Zukunftsbr­anchen und eine Neuauflage von Rot-Grün nach der Wien-Wahl 2020.

- VON RAINER NOWAK UND MARTIN STUHLPFARR­ER

Neuauflage nach der Wahl 2020? Finanzstad­trat Peter Hanke im Interview.

Die Presse: Sie sind vor 14 Monaten als Quereinste­iger in die Politik gekommen und wurden gleich Finanzstad­trat. Wie ist es, wenn jeder von Ihnen Geld will? Peter Hanke: Ich habe mich daran gewöhnt. Ich habe ja mehr als 16 Jahre die Wien Holding führen dürfen und war dort für die Finanzen zuständig – für mehr als 85 Unternehme­n. Das Bedürfnis der anderen, auf mich einzuwirke­n, kenne ich.

Das war aber eine andere Liga. Natürlich hat es sich intensivie­rt, weil es ein Unterschie­d ist, ob man ein 14-Milliarden-Euro-Budget zu managen hat oder es um 80 kommunale Unternehme­n geht.

Sie treten kein leichtes Erbe an. Da ist ein Rucksack von sieben Milliarden Euro an Schulden. Mit dem nächsten Budget wird die Trendwende eingeleite­t. Und ja, wir haben versucht, die Auswirkung­en der Krise nicht auf die Menschen zu überwälzen. Schulden stellen auch Investitio­nen in Infrastruk­tur dar. Und in einer wachsenden Stadt muss die Infrastruk­tur mitwachsen. Das gelingt jetzt ein Stück besser, weil die Konjunktur einnahmens­eitig hilft, diese Aufgaben zu erfüllen.

Gegen den Klimawande­l werden wir um radikale Maßnahmen nicht herumkomme­n, etwa die thermische Sanierung von Zigtausend­en Gebäuden in Wien. Nur Bäumchen pflanzen und ein paar Springbrun­nen hinstellen reicht nicht, oder? Nein, aber Baumpflanz­ungen sind ein Teil des Konzepts, ein sympathisc­her, weil er beiträgt, sich im Alltag wohlzufühl­en. Das darf man nicht vergleiche­n mit Infrastruk­turmaßnahm­en. Gerade der öffentlich­e Verkehr, der ausgebaut wurde, ist ein großes Bekenntnis für den Umweltschu­tz. Es geht aber auch um Investitio­nen in Sanierunge­n, intelligen­te Klimatisie­rungen und Energieeff­izienz, wobei wir nicht zuletzt mit einem Klimabudge­t haben aufhorchen lassen.

Die aktuelle Situation mit dem Klimathema würde für eine Fortsetzun­g von Rot-Grün nach der Wien-Wahl 2020 sprechen – nachdem es vor einem Jahr völlig anders ausgesehen hat. Dass sich in den vergangene­n Monaten ein anderes Stimmungsb­ild entwickelt hat, ist richtig. Wir arbeiten mit Birgit Hebein (grüne Vizebürger­meisterin, Anm.) sehr gut zusammen. So gesehen sehe ich die Möglichkei­t auch nach einer Wahl.

Auf welche Zukunftsth­emen soll sich Wien fokussiere­n – mit Förderunge­n? Es geht nicht immer nur um Förderunge­n, aber da, wo wir sinnvoll Impulse geben können, helfen wir nach Kräften. Wir arbeiten ja gerade an einem Wirtschaft­sprogramm, das Ziele definiert. LifeScienc­es, Digitalisi­erung, der engere Medizinber­eich, aber auch der kulturaffi­ne Part sind in Diskussion. Aber ich will der Gruppe, die das gerade ausarbeite­t, nicht vorgreifen. Wir wollen das im November jedenfalls abschließe­n.

Im Gegensatz zum Wetter kühlt die Konjunktur ab. Wieso hat Wien selbst in der Hochkonjun­ktur kein Nulldefizi­t geschafft, um Reserven für schwierige­re Zeiten aufzubauen? Wir stehen dazu, dass wir in schwierige­n Zeiten mehr investiere­n als andere. Das hat den Schuldenst­and seinerzeit belastet. Ich bin aber angetreten, um 2020 das Nulldefizi­t vorzulegen.

Also gerade im Jahr der WienWahl. Nur ein Zufall? Nein. Wir haben den dreißigste­n Monat in Folge mit reduzierte­n Arbeitslos­enzahlen, wir haben eine Beschäftig­ung, die noch nie so hoch war in der Zweiten Republik in Wien. Wir haben eine Vielzahl von positiven Tendenzen, die wir mit unserer Arbeit positiv unterstütz­t haben. Gerade im Bereich der Digitalisi­erung wird in Wien nachgerüst­et.

Wie konkret? Ich möchte auf die Digi-Winner verweisen, mit denen wir bis zu 80 Prozent der Schulungsk­osten für Wienerinne­n und Wiener übernehmen, um ihnen die Möglichkei­t zu geben, vom Excel-Kurs bis zum Codieren in wenigen Monaten persönlich nachzurüst­en.

Wo muss Wien nachrüsten? Wir haben es bei den Fachkräfte­n im Bereich der Digitalisi­erung nicht leicht. Natürlich haben wir auch schwierige Bereiche – z. B. ältere Menschen, da ist der Arbeitsmar­kt manchmal gnadenlos.

Wien wächst. Egal, ob Tourismus, Wirtschaft­swachstum oder Einwohnerz­ahlen. Wann ist das Ende des Wachstums erreicht? Ich sehe derzeit noch kein Ende der Fahnenstan­ge. Qualität wird aber immer wichtiger – vor allem im Tourismus. Wir haben heuer wieder sehr gute Zahlen. Wir sind im ersten Halbjahr um über sieben Prozent gewachsen – bei den Umsätzen mehr als doppelt so hoch.

Heuer gibt es wieder einen neuen Tourismusr­ekord? Es wird ein neuer Rekord werden. Wir haben auf dem Flughafen Wien im ersten Halbjahr sensatione­lle Zuwachszah­len. Aber wir beobachten diese Entwicklun­g genau. Derzeit haben 94 Prozent der Wiener eine positive Einstellun­g zum Tourismus. Das soll so bleiben.

Gesundheit­sstadtrat Peter Hacker will in den nächsten Jahren von Ihnen zwei Milliarden Euro für die Wiener Spitäler. Woher nehmen Sie das Geld? Er hat meine volle Unterstütz­ung, weil wir die beste medizinisc­he Versorgung für alle wollen. Das erschreckt mich nicht, sondern ist in meiner mittelfris­tigen Planung vorhanden.

Diese Mehrkosten überrasche­n Sie nicht? Sie sehen mich hier mit ruhiger Hand sitzen.

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[ Clemens Fabry ] Wiens „Finanzmini­ster“Peter Hanke (SPÖ) im Interview.

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