Die Presse

Der Doktor verliert den Anschluss

Moto GP. Valentino Rossi ist nach wie vor einer der größten Sportstars der Welt. Doch heuer fährt der mittlerwei­le 40-jährige Yamaha-Pilot meist hinterher. Wann verlässt der Altmeister die Bühne?

-

Die „46“ist in Wahrheit vierzig. Aber sein Alter sei nur eine Zahl, die ihn nicht weiter interessie­re, sagte Valentino Rossi einmal. Im Februar, wenige Wochen vor dem Auftakt zu seiner 20. Saison in der Königsklas­se des Motorradsp­orts, feierte „Il Dottore“seinen runden Geburtstag zu Hause auf seiner Motor-Ranch in Tavullia inmitten von Weinbergen und Olivenbäum­en. Weltstars des Sports wie Lewis Hamilton, Sebastien Loeb, Rafael Nadal, Roger Federer und Diego Maradona richteten ihre Glückwünsc­he aus.

Was dann aber folgte, war eine der bisher schwächste­n Saisonen in der Karriere des neunfachen Weltmeiste­rs. Mit nur 80 Punkten war Rossi zuletzt in seiner Premierens­aison 1996 (125-cm3-Klasse) in die Sommerpaus­e gegangen. Vor dem Rennwochen­ende in Spielberg (Qualifying Moto GP 14.10 Uhr, Rennen Sonntag ab 10 Uhr, je live Servus TV) ist der Publikumsl­iebling nur WM-Sechster. Für Rossi, der auf 393 Rennen, 115 Siege und 234 Podestplät­ze zurückblic­kt, ist das Problem klar: Seine Yamaha, mit der er vier seiner sieben Moto-GP-Titel gefeiert hat, ist nicht konkurrenz­fähig.

Seit 2013 fährt Rossi wieder für die Japaner, am vergangene­n Wochenende in Brünn reichte es für Platz sechs mit neun Sekunden Rückstand. Danach forderte er: „Yamaha muss intensiv am Motor arbeiten. Wir verlieren beim Beschleuni­gen, aber auch beim Topspeed liegen wir weit zurück.“Im Schnitt fehlten neun km/h auf die Hondas und Ducatis an der Spitze. Zudem erklärte Rossi, dass die Yamaha M1 zu sensibel auf wechselnde Bedingunge­n reagiere. „Wir müssen etwas Großes finden, um den Rückstand zu verkleiner­n.“

Aber es liegt nicht nur am Motorrad. Rossi begeht mittlerwei­le Fehler, die man so von ihm nicht gewohnt war. Im Juni schied er bei drei Rennen in Folge aus, darunter bei seinem Heim-Grand-Prix in Mugello. Noch nie in seiner Karriere war Rossi drei Mal hintereina­nder ohne WM-Punkt geblieben. Sein bisher letzter Sieg liegt nun über zwei Jahre zurück (Assen 2017), der bisher letzte WM-Titel (2009) schon zehn Jahre. Angesichts dieser Zahlen kamen zuletzt Gerüchte über das eigentlich Undenkbare auf: ein mögliches Karriereen­de des Superstars.

Fragen in diese Richtung werden vom Rossi-Lager meist abgeblockt, vergangene Woche erklärte der Altmeister schließlic­h: „Die Meldung, die meinen Rücktritt ankündigt, ist falsch und unbegründe­t. Ich fahre dieses und nächstes Jahr. Daran bestand nie ein Zweifel.“Bis Ende 2020 hat der Yamaha-Werksfahre­r noch einen Vertrag, die Japaner betonen, es solle auf keinen Fall der letzte sein.

Ob Rossi aber noch an den zehnten WM-Titel glaubt? Er sagt, er hätte nie gedacht, mit 40 Jahren überhaupt noch Motorradre­nnen zu fahren. Aber: Solange er um Podestplät­ze kämpfen kann, werde er auch weitermach­en. Mehr Titel (15) und Siege (122) hat ohnehin nur Landsmann und RekordCham­pion Giacomo Agostini.

Zu den vermögends­ten Sportlern des Planeten gehört der Italiener schon jetzt. Mehr als eine halbe Milliarde Euro soll er während seiner Karriere an Gehältern und Sponsoreng­eldern eingenomme­n haben. Auch die Marketing-Maschine mit seinem VR46-Imperium läuft auf Hochtouren (mit Startnumme­r 46 ist schon sein Vater Graziano gefahren).

Mit seiner 2013 gegründete­n VR46-Akademie kümmert er sich um den italienisc­hen Nachwuchs. Geschult wird auch auf seiner Ranch, zu der man nur mit Einladung Zutritt hat. Mit Francesco Bagnaia hat es 2019 der zweite VR46-Pilot nach Franco Morbidelli in die Moto GP geschafft. Auch Marco Bezzecchi, Pilot des KTMTech-3-Teams in der Moto 2, ist Mitglied der Rossi-Akademie.

Mit ihrem Helden in der sportliche­n Krise fürchten Rossi-Fans nun aber vor allem einen Augenblick: Der erst 26-jährige Spanier Marc Marquez,´ der auch in Spielberg das Tempo vorgibt, hält bereits bei sieben WM-Titeln und hat damit nur noch zwei weniger als Rossi. Was also, wenn der Altmeister wirklich 2020 abtritt – und gleichzeit­ig Marquez´ selbst neunfacher Weltmeiste­r wird? (joe)

 ?? [ Reuters ] ??
[ Reuters ]

Newspapers in German

Newspapers from Austria