Die Presse

Fragen zum Fußballmär­chen: Wer ist Bakery´ Jatta?

Deutschlan­d. Die Zweifel an der Identität des HSV-Stürmers mehren sich. Nun werden auch die Hamburger Behörden aktiv. Der Verein selbst soll bereits vor dreieinhal­b Jahren möglichen Unstimmigk­eiten nachgegang­en sein.

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Die Karriere des Bakery´ Jatta glich bis vor wenigen Tagen einem Fußballmär­chen. Aus solchem Stoff macht Hollywood Blockbuste­r. Der Gambier war im Sommer 2015 im Alter von 17 Jahren allein als Flüchtling über die Mittelmeer­route nach Deutschlan­d gekommen und wurde dort zu einem begehrten Fußballpro­fi.

Doch nun könnte dieses Märchen eine drastische Wendung nehmen, denn an Jattas Identität sind schwere Zweifel aufgekomme­n. Der „Sport Bild“zufolge könnte Jatta in Wahrheit einen anderen Namen haben und älter als von ihm behauptet sein. Den Recherchen zufolge soll er bei der Einreise nach Deutschlan­d schon etwa zweieinhal­b Jahre älter als damals angegeben und daher volljährig gewesen sein, was das Asylverfah­ren für den Gambier schwierige­r gemacht hätte. Das Bezirksamt Hamburg-Mitte hat ein Anhörungsv­erfahren eröffnet.

Bei seiner Ankunft war Jatta vor vier Jahren im Erstaufnah­mezentrum in Bremen gelandet. Mit dem Geburtsdat­um 6. Juni 1998 galt er als unbegleite­ter Minderjähr­iger, er erhielt eine Duldung und durfte im Land bleiben. Damals fand er Aufnahme in einer Jugendhilf­eeinrichtu­ng.

Sein fußballeri­sches Talent blieb nicht verborgen, und nach einem Probetrain­ing stattete ihn der HSV mit einem Vertrag mit einem Fixgehalt von 120.000 Euro pro Jahr aus. Kaum zu glauben, dass er in Afrika meist barfuß und auf Beton gekickt habe, wie er in einem Interview erzählte. Der Durchbruch gelang vollends im April 2019, als Jatta nach dem Pokal-Fight des HSV gegen RB Leipzig trotz der Niederlage zum „Spieler des Spiels“gekürt wurde. Sein aktueller Marktwert wird auf 2,5 Millionen Euro geschätzt.

Doch in Wahrheit soll Jatta ein ganz anderer sein. Demnach ist ein Spieler mit dem Namen Bakery Daffeh beim afrikanisc­hen Fußballver­band gemeldet, der eine starke optische Ähnlichkei­t mit dem HSV-Stürmer aufweist. Zufällig ist dieser Daffeh seit der Ankunft Jattas in Bremen vor vier Jahren wie vom Erdboden verschluck­t und hat kein Spiel mehr absolviert, obwohl er zuvor regelmäßig in Senegals Topliga gespielt hatte. Zudem erhielten die Mutmaßunge­n zu Jatta durch Aussagen seines Entdeckers neue Nahrung. „Wir hatten alle Zweifel, ob er nicht älter als 17 sein könnte“, sagte Lothar Kannenberg, ehemaliger Leiter der mittlerwei­le geschlosse­nen Bremer Jugendhilf­eeinrichtu­ng.

Noch stellt sich der HSV voll hinter seinen Offensivsp­ieler, für das Cupspiel in Chemnitz am Sonntag steht er im Kader. Er finde es unglaublic­h und erschütter­nd, dass sich der Spieler teilweise einem gesellscha­ftlichen Spießruten­lauf ausgesetzt sehe, ließ HSVSportvo­rstand Jonas Boldt verlauten. Doch wie viel wusste der Klub wirklich? Denn laut interner Dokumente der Enthüllung­splattform Football Leaks war man auch dort schon vor dreieinhal­b Jahren Zweifeln an der Identität Jattas nachgegang­en, wie der „Spiegel“nun berichtet. Damals soll ein HSV-Mitarbeite­r keine eindeutige­n Beweise gefunden haben, sondern nur eine Tendenz. Sein Hauptverda­cht sei, so schrieb er im Januar 2016 in einem Mail, dass es sich bei dem Spieler tatsächlic­h um Bakary Daffeh handeln könnte. Aufklärung kann wohl nur der Fußballer selbst bringen. Doch der schweigt vorerst noch. (herbas)

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