Die Presse

Warum es uns besser geht als Deutschlan­d

In Österreich wächst die Wirtschaft zwar immer langsamer, aber sie wächst noch. In Deutschlan­d stagniert sie im Moment. Was können wir besser als der große Nachbar? Konjunktur.

- VON CHRISTINE KARY [ Getty Images ]

Wien. Österreich­s Wirtschaft wächst immer langsamer, nur noch 0,3 Prozent BIP-Wachstum waren es im zweiten Quartal. Kein Grund zur Freude also – wäre da nicht dieses eine, klitzeklei­ne Detail: Österreich steht damit immer noch besser da als der große Nachbar Deutschlan­d. Dort dürfte die Wirtschaft laut Ökonomen im zweiten Quartal stagniert haben, vielleicht sogar leicht geschrumpf­t sein, während hierzuland­e die Kurve immer noch nach oben zeigt. Getragen sei das heimische Wachstum von der Binnennach­frage, in erster Linie von den Konsumausg­aben, teilt uns das Wifo mit. Auch die Bruttoanla­geinvestit­ionen steigen immer noch, wenn auch schwächer als in den Quartalen zuvor. Der Ausblick sei – trotz nachlassen­der Dynamik bei Industrie und Außenwirts­chaft – nach wie vor optimistis­ch, vor allem für die Bau- und Dienstleis­tungsunter­nehmen herrsche Zuversicht.

Aus Deutschlan­d kamen indes am Freitag neuerlich düstere Nachrichte­n. So meldet das Statistisc­he Bundesamt einen Einbruch der Exporte im Juni um acht Prozent gegenüber dem Vorjahresm­onat. Unter den deutschen Autobauern leidet insbesonde­re Volkswagen unter der Nachfrages­chwäche in China, die VW-Tochter Audi wiederum verzeichne­t vor allem in Europa sinkende Verkäufe. Auch die Rufe nach einem Lockern der Schuldenbr­emse mehren sich: Selbst der Direktor des arbeitgebe­rnahen Instituts der Deutschen Wirtschaft (IW), Michael Hüther, fordert nun bereits ein Abrücken von der Politik der schwarzen Null. Diese sei zu starr, um den Investitio­nsbedarf in Deutschlan­d zu decken, zitiert ihn die „Passauer Neue Presse“.

Vorteile auf dem Arbeitsmar­kt

Was läuft also in Österreich besser? So viel vorweg: Nicht alles ist hausgemach­t. „Der Aufschwung in Deutschlan­d befindet sich bereits im zehnten Jahr“, sagt IV-Chefökonom Christian Helmenstei­n zur „Presse“. Nach so langer Zeit ist einfach die Luft draußen – und Österreich als „Spätstarte­r“plötzlich im Vorteil. Zudem sei der Arbeitskrä­ftemangel in Deutschlan­d ausgeprägt­er als in Österreich. „Und die deutsche Gesellscha­ft ist älter.“Dort rollt gerade eine Pensionier­ungswelle an, was den Fachkräfte­mangel weiter verschärft.

Zudem seien Deutschlan­d durch das Rheinniedr­igwasser, Umstellung­sprobleme mit dem neuen Abgasmessv­erfahren WLTP und die Folgen der Streiks in Luftfahrt und Bahnverkeh­r fast drei Prozentpun­kte beim Industriew­achstum abhandenge­kommen, ergänzt Helmenstei­n. Nachsatz: „Darin zeigt sich auch der Wert des sozialen Friedens.“Er ist ein Pluspunkt für Österreich.

„Wir importiere­n Wachstum“

Die heimische Wirtschaft profitiere aber auch von ihrer Verknüpfun­g mit Zentral- und Osteuropa – denn diese Region hat einen deutlichen Wachstumsv­orsprung gegenüber dem Westen: „Wir importiere­n also von dort Wachstum.“Nicht zuletzt hätten von der türkis-blauen Regierung geweckte Erwartungs­haltungen Investitio­nen beflügelt – siehe Standorten­twicklungs­gesetz oder Arbeitszei­tflexibili­sierung. Ob sich das fortsetzt, sei jetzt freilich offen. „Die große Frage ist, wann die Steuerentl­astung kommt.“

Trotz dieses Unsicherhe­itsfaktors dürfte Österreich­s Wirtschaft im Gesamtjahr „bis zu einen Prozentpun­kt“rascher wachsen als die deutsche, prognostiz­iert Helmenstei­n. Bis zu 1,5 Prozent könnten es demnach in Österreich werden, in Deutschlan­d 0,4 oder 0,5 Prozent, vielleicht auch weniger.

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