Die Presse

Sharing Economy ist nicht wirklich ökologisch­er

Konsum. Wirtschaft­sforscher haben herausgefu­nden, dass Sharing Economy allenfalls einen geringen Nutzen für die Umwelt hat. Die Unterkunft­plattform Airbnb sorge sogar für mehr Flugreisen. Nur jeder Zehnte nutzt Sharing-Angebote.

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Köln. Man muss kein Millionär sein, um alles zu haben: ein Auto, einen E-Scooter, ein Fahrrad, ein Apartment in Barcelona. Für eine schnelle Buchung ist meist nur ein paar Mal Wischen auf dem Smartphone nötig. Es boomt die Kultur des Teilens, in der Ökonomie auch als Sharing Economy bezeichnet. Während Carsharing, Miet-E-Scooter und Airbnb den meisten bekannt sein dürften, sprießen auch zunehmend Nischenang­ebote aus dem Boden: So kann man sich online Spielzeug ausleihen, in Bochum Bienenvölk­er mieten oder in Köln seinen Kleidersch­rank mit fremden Menschen teilen.

Wer leiht, muss nicht kaufen – und verschwend­et somit keine Ressourcen. So sind die SharingMod­elle oft nicht nur gut für den Geldbeutel, sondern auch für das Gewissen. Aber sind die Angebote so nachhaltig, wie sie klingen?

Maike Gossen vom Institut für ökologisch­e Wirtschaft­sforschung hat mit Kollegen genau das untersucht und Folgendes herausgefu­nden: So wie die Sharing-Angebote heute genutzt werden, kann man allenfalls von einem geringen Nutzen für die Umwelt sprechen. „Das Verspreche­n, Sharing leiste einen Beitrag zur Entlastung der Umwelt, kann man zwar bejahen – aber die Effekte sind geringer, als immer suggeriert wird“, sagt Gossen.

Die ernüchtern­de Ökobilanz hängt nach Ansicht der Forscher davon ab, wie die Angebote genutzt werden. „Man spart oder erhält sogar Geld – und das gibt man dann an anderer Stelle wieder aus“, erklärt Gossen. In einigen Fällen entstehe durch ein SharingAng­ebot zusätzlich­er Konsum. Als Beispiel nennt Gossen die Unterkunft­splattform Airbnb, durch die möglicherw­eise erst der Anreiz für manche Reise geschaffen wird – die dann wiederum eine zusätzlich­e Belastung der Umwelt ist. Eine relativ positive ökologisch­e Bilanz haben hingegen private Mitfahrgel­egenheiten, durch die Extrafahrt­en eingespart werden.

Geschäft mit Ökoschmäh

Für Unternehme­n bietet der Zeitgeist des Teilens neue Möglichkei­ten, um Geld zu verdienen. „Es ist sicherlich so, dass Unternehme­n das als weitere Marktlücke definieren, um weitere Zielgruppe­n zu erreichen“, sagt Verena Bax, die bei der Umweltorga­nisation Nabu für Umweltpoli­tik zuständig ist. „Das Ganze schwimmt natürlich auf einer Nachhaltig­keitswelle.“

Die Nabu-Expertin bewertet Sharing-Modelle grundsätzl­ich als positiven Beitrag zur Umweltentl­astung, fügt allerdings auch hinzu: „Das ist sicherlich nicht etwas für alle. Nur wenige Menschen sind bereit, sich mit anderen Menschen etwas zu teilen und ihre Komfortzon­e zu verlassen.“

Die Erkenntnis­se von Maike Gossen und ihren Kollegen bestätigen diese These: Nur zehn Prozent der Befragten zählen zu den aktiven Nutzern, die das Sharing als Teil ihres Lebensstil­s sehen und viel nutzen. (DPA/APA)

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