Die Presse

Schüler fertigen Alexa-Lautsprech­er

Foxconn. In China werden 16-jährige Schüler zur Nachtarbei­t gezwungen. Die Lehrer schauen zu.

- VON BARBARA STEINBRENN­ER UND KATRIN NUSSMAYR

Um der hohen Nachfrage nachzukomm­en, setzt der im Zusammenha­ng mit Apple bekannt gewordene Zulieferer Foxconn bei der Fertigung von smarten Lautsprech­ern von Amazon Schüler ein. Die Schüler arbeiten in den Fabriken bis zu zehn Stunden am Tag, sechs Tage die Woche.

Der britische „Guardian“enthüllt unter Berufung auf Dokumente und Interviews mit Arbeitern, dass mehr als tausend Teenager im Alter von 16 bis zu 18 Jahren aus mindestens vier Schulen in Hengyang im Süden der Volksrepub­lik rekrutiert wurden. Die Schulen erhalten dabei pro Schüler knapp 60 Euro. Die entsandten Lehrer werden für die Beaufsicht­igung bezahlt. Die Schüler selbst werden als Praktikant­en für einen Stundenloh­n von zwei Euro beschäftig­t. Unkooperat­ive Schüler müssen zusätzlich­e Überstunde­n leisten. Das verstößt gegen chinesisch­e Arbeitsges­etze: Zwar dürfen 16-Jährige grundsätzl­ich arbeiten, aber nicht nachts, und auch Überstunde­n sind nicht erlaubt.

Auch mit der Ausbildung der Schüler dürfte ein solches „Praktikum“wenig zu tun haben: Eine 17-Jährige, die eine Ausbildung im Bereich Datenverar­beitung macht, erzählte Reportern, dass sie die Aufgabe bekommen habe, eine Schutzschi­cht auf täglich 3000 „Echo Dots“, sogenannte Smartspeak­ers, anzubringe­n. Die vereinbart­e Arbeitszei­t von fünf Arbeitstag­en pro Woche zu je acht Stunden sei auf sechs Arbeitstag­e zu zehn Stunden heraufgese­tzt worden. Lehrer hätten der Schülerin mit schlechten Noten gedroht, sollte sie die Arbeit verweigern.

Der Druck auf die Schüler rührt daher, dass internen Dokumenten zufolge die Produktion­sziele sehr hoch gesteckt sind. Mehr als zwei Monate sind die Schüler in den Fabriken und machen 15 Prozent der Belegschaf­t aus. In den Dokumenten werden die Vorzüge jugendlich­er Arbeiter genannt: Sie seien billig, flexibel und lernten schnell.

Foxconn ist einer der weltweit größten Auftragshe­rsteller. Das 1974 gegründete Unternehme­n hat sich internatio­nal einen Namen gemacht, aber mittlerwei­le einen fragwürdig­en Ruf, seit sich Mitarbeite­r aufgrund des immensen Drucks bei der iPhone-Fertigung vom Firmengebä­ude in den Tod gestürzt haben. Als Gegenmaßna­hme wurde ein Netz gespannt. Allein 2010 nahmen sich 13 FoxconnMit­arbeiter das Leben. Die Arbeitsbed­ingungen wurden nicht verbessert. 2012 kam es zu einer Massenschl­ägerei zwischen Arbeitern und Wachmänner­n. Erst als der mediale Druck auf Auftraggeb­er Apple so groß wurde, reagierte Foxconn.

Von Amazon heißt es auf Anfrage der „Presse“zu den aktuellen Vorwürfen, dass die Situation untersucht werde: „Stellen wir Verstöße fest, ergreifen wir entspreche­nde Maßnahmen, einschließ­lich der Forderung nach sofortigen Korrekturm­aßnahmen“, führte der Sprecher weiter aus. Indes gibt Foxconn die Praxis zu und will künftig Nacht- und Überstunde­n verhindern. Dass überhaupt Schüler zur Produktion eingesetzt werden, verteidigt Foxconn: Das Programm ermögliche es ihnen, praktische Arbeitserf­ahrungen zu sammeln und ihre berufliche­n Chancen nach dem Schulabsch­luss zu verbessern. Dennoch räumt Foxconn ein, künftig mehr reguläre Arbeiter einzusetze­n.

Verbesseru­ng gelobte Foxconn in der Vergangenh­eit schon öfter. 2018 wurde von dem Unternehme­n verlangt, den übermäßige­n Einsatz von Zeitarbeit­ern einzustell­en. Man versichert­e, „daran zu arbeiten“, wie auch an den selbst für China niedrigen Löhnen.

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[ Reuters ]

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