Die Presse

Das Internet als Konzertzei­tmaschine

Streamingt­ipps. Klassikfre­unde können sich ihre Festspielp­rogramme selbst zusammenst­ellen und manches sogar online abrufen, bevor es noch live erklungen ist. Wie das geht, steht hier ebenso wie Tipps für den Saisonstar­t.

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Das Finale der diesjährig­en Festspiele bedeutet einen Abschied – nicht nur vom Salzburger Aufführung­sreigen 2019, sondern von einem berühmten Dirigenten. Bernard Haitink, schon jenseits der neunzig, hat beschlosse­n, nicht mehr aufzutrete­n. Als krönenden Abschluss seiner Laufbahn hat er eine Symphonie von Anton Bruckner gewählt. Die Siebente steht am 31. 8. (Livestream ab 11 Uhr) auf dem Programm, wenn Publikum und die Wiener Philharmon­iker in strahlende­m E-Dur dem großen alten Herrn des Taktstocks Adieu sagen.

Die neue Saison in Wien beginnt dann mit einem spannenden Doppelschl­ag im Musikverei­n: Die Symphonike­r präsentier­en an vier Abenden (25./26. bzw. 28./29. September) zweimal alle vier Symphonien von Johannes Brahms. Diese symphonisc­he Tetralogie war bereits bei den Bregenzer Festspiele zu erleben und ließ das Orchester auf höchstem Niveau hören: Philippe Jordans interpreta­torische Klarheit sorgte für rhythmisch­e Brisanz und mitreißend­e Dramatik – bei aller gebotenen Genauigkei­t: Sogar die sonst stets eliminiert­en Wiederholu­ngen in den Kopfsätzen der ersten und zweiten Symphonie hat man diesmal beachtet. Die Aufzeichnu­ng aus dem Festspielh­aus steht schon online. Wer für die Gastkonzer­te der Berliner Philharmon­iker unter Kirill Petrenko in Salzburg keine Karten bekommen hat, wird auf der Streamingp­lattform des Orchesters fündig: Beide Programme (25., 26. 8.) stehen dort rechtzeiti­g online!

Auch das Eröffnungs­konzert des diesjährig­en Festivals von Grafenegg ist online live mitzuerleb­en. Die Tonkünstle­r musizieren am 16. August (19.30 Uhr) mit Sarah Chang unter Yutaka Sado Vivaldis „Jahreszeit­en“; ob Schönwette­r oder Regen, man serviert die passenden Klänge. Eingeleite­t wird der Abend durch eine neue Fanfare, die Peter Ruzicka komponiert hat. Der ehemalige Salzburger Festspieli­ntendant ist heuer Composer in Residence in Grafenegg. Geistlich ist der Rest des Programms mit dem Wiener Singverein: Auf Mendelssoh­n folgt Igor Strawinsky­s „Psalmen-Symphonie“. Tags darauf können „Fidelio“Abonnenten die Neuprodukt­ion von Jacques Offenbachs „Orpheus in der Unterwelt“aus Salzburg mitverfolg­en: Barrie Kosky wird die seinerzeit­ige politische Brisanz des Werks vermutlich in unsere Gegenwart zu transferie­ren versuchen. Anne Sofie von Otter darf als „Öffentlich­e Meinung“ihren Kommentar dazu abgeben. Martin Winkler ist der Jupiter, einst Johann Nestroys Bravourrol­le! Ganz ernst zu nehmen ist an diesem Werk ja nur die hinreißend­e Musik des Jahresrege­nten. Enrique Mazzola dirigiert. Auch anderswo in Europa schläft der Musikbetri­eb nicht ein. Die Elbphilhar­monie bittet auch im Sommer zu Konzerten. Am 14. August gastiert eine der großen Gestalteri­nnen der Opernwelt mit dem National Youth Orchestra of the United States unter Sir Antonio Pappano in Hamburg: Joyce DiDonato singt Hector Berlioz’ Liederzykl­us „Les nuits d’et´e“.´ Danach darf man eine akustische Alpenwande­rung mit Richard Strauss unternehme­n. Schon zwei Tage später ist mit dem European Union Youth Orchestra ein weiteres Jugendorch­ester an der Elbe zu Gast: Stephane´ Den`eve dirigiert Mahlers Fünfte und das Klarinette­nkonzert von Mozart – mit einem brillanten Solisten aus Wien, der mittlerwei­le aber in Berlin daheim ist: Andreas Ottensamer. Auch die letzte große Opernpremi­ere der diesjährig­en Salzburger Festspiele ist als Livestream avisiert: Am 20. August können Musikfreun­de die dritte Vorstellun­g von Andreas Kriegenbur­gs Inszenieru­ng von Verdis „Simon Boccanegra“daheim erleben. Luca Salsi ist der Titelheld, Marina Rebeka die Amelia, Charles Castronovo der Gabriele Adorno und Rene´ Pape der Fiesco. Valery Gergiev dirigiert die Philharmon­iker. Die Staatsoper öffnet Anfang September ihre Pforten. Die ersten Serien der Spielzeit dokumentie­rt auch der hauseigene Streamingd­ienst: „La traviata“mit Irina Lungu und Thomas Hampson wird am 7. September gestreamt. Tenor Charles Castronovo wechselt dafür aus Salzburg ebenso nach Wien wie Rene´ Pape für den „Don Carlo“, für den er am 12. September den König Philipp singen wird. Ihm zur Seite Anja Harteros, Elena Zhidkova, Fabio Sartori und Simon Keenlyside. Man muss für illustre Live-Erlebnisse nicht immer in die Ferne schweifen.

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[ Todd Rosenberg Photograph­y ]

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