Die Presse

Sexismus: Nun geht’s gegen Autoren

Literatur. Unter dem neuen Hashtag dichterdra­n auf Twitter reagieren Frauen auf sexistisch­e Literaturk­ritik: Sie nehmen nun Autoren aufs Korn.

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Hesse warte „feenhaft und versponnen“auf „eine Ritterin im weißen Pferd“; und dass die brillante Dichterin Ingeborg Bachmann den „weinerlich­en“Max Frisch nicht mehr ausgehalte­n habe, sei wahrlich kein Wunder: Dergleiche­n liest man neuerdings auf dem Kurznachri­chtendiens­t Twitter unter dem Hashtag dichterdra­n. Weibliche User kommentier­en dort das Aussehen oder die Beziehunge­n männlicher Autoren, so wie (männliche) Literaturk­ritiker gern über weibliche Autoren schreiben: eine wachsende Persiflage­nsammlung zu sexistisch­em Schreiben.

Anlass war eine Kritik in der Schweizer Zeitung „Tagesanzei­ger“über die Autorin Sally Rooney: Sie sehe aus „wie ein aufgeschre­cktes Reh mit sinnlichen Lippen“, schrieb der Kritiker darin. Die Schweizeri­n Nadia Brügger, Doktorandi­n der Literaturw­issenschaf­t, prangerte die Passage am vergangene­n Freitag auf Twitter als sexistisch an, die Journalist­in Simone Meier stimmte ihr zu. Und fragte sich, wie es wohl klänge, wenn man Gleiches über männliche Autoren oder „Männerlite­ratur“schreiben würde. Nach dem Motto: Nun sind die Dichter dran.

Seitdem überbieten sich Userinnen in Persiflage­n. Da liest man etwa: „Wenn man kritisiert, dass es so wenige männliche Autoren in den Weltlitera­turkanon geschafft haben, muss man auch bedenken, dass sich diese Literatur oft auf Männerthem­en konzentrie­rt und ihr der universell­e Anspruch fehlt, der wahrhaft großartige Werke ausmacht.“Als Hermann Hesses Leibthemen werden „Spaziergän­ge durch die Kastanienw­älder am Lago Maggiore, Gespräche mit Elfen und lauwarme Heilbäder“genannt.

Wieder ein anderer Tweet imaginiert den Zeitungsvo­rspann zu einem Fotoshooti­ng mit Schriftste­ller Alex Capus. „In der großen Fotostreck­e auf den Seiten 15 bis 19 zeigt er uns seine Lieblingso­utfits: Praktische­s für Lesungen, Elegantes für den Restaurant­besuch mit der Liebsten und seine Bademode für den Strandurla­ub.“Ein anderer Tweet: „Ach, Sie schreiben Männerroma­ne? Also mein Mann verschling­t Ihre Bücher! Ich lese so was ja nicht.“Wieder eine andere: „Es gab immer schon Autoren, die Gebrüder Grimm oder auch Erich Kästner und seine Kinderbüch­er. Aber für den Markt ist das ein Nischenpro­gramm. “(her/sim)

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