Kein Genierer, viel Provokation: Der „Einzelfall“FPÖ-Bericht
Entweder die FPÖ fürchtet sich vor etwas oder wollte gar keine politische Bewertung der braunen Flecken. Das Resultat ist vorsätzliche Augenauswischerei.
Die Berichterstattung über den Bericht der Irgendwaskommission der FPÖ sollte bis zur Veröffentlichung der gesamten 1000 Seiten, genehmigt oder nicht, eingestellt werden. Nach der Augenauswischaktion von Dienstag fällt es schwer, sich zu entscheiden: Wovor fürchtet sich die FPÖ? Ist das Ergebnis nach eineinhalb Jahren und mehrmaligen Verschiebungen Unfähigkeit oder Schamlosigkeit geschuldet? Für wie blöd halten Wilhelm Brauneder & Co. die Menschen eigentlich?
Von all diesen Fragen ausgenommen ist der ehemalige Wiener Stadtschulrat, Vorsitzender des Zukunftsfonds der Republik Österreich und ehemaliger Sonderbeauftragter der Stadt Wien für Restitutionsfragen, Kurt Scholz. Seine Mitarbeit war sicher gut gemeint, wenn auch vielleicht naiv. Er hat nach eigenen Angaben im Vorjahr einen 16-Seiten-Text abgeliefert und war seither in nichts mehr eingebunden. (Siehe seinen Text rechts, Anmerkung der Redaktion.)
Die Einsetzung der Irgendwaskommission im Vorjahr war eine politische Entscheidung, um die Schande des Liederbuchs der Burschenschaft Germania in Niederösterreich zu neutralisieren. Daher sollte das Ergebnis auch politisch zu beurteilen sein. Die Kritik, es fehle an Wissenschaftlichkeit, ist völlig überflüssig. Wissenschaftlich ist die Vergangenheit der Partei eingehend durchleuchtet. Die 1100 Seiten sind wissenschaftlich überflüssig und, wie es aussieht, politisch unbrauchbar.
Wenn sich die Neigungsgruppe „Freiheitliche Verschleierung“jetzt noch vor einer Veröffentlichung vor der Wahl mit dem Argument drückt, man suche erst ein Gütesiegel oder – besser: einen Persilschein – in Israel, dann handelt es sich dabei um Chuzpe erster Ordnung. Der deutsche Begriff ihrer Wahl kann sein: Unverfrorenheit. Dreistigkeit, Anmaßung, Frechheit, Unverschämtheit.
Grandios, wenn ein israelischer Wissenschaftler den Bericht dahingehend korrigieren wird, dass die erste Regierungsbeteiligung der FPÖ, jene mit der SPÖ, nicht von 1980 bis 1983 stattgefun
den hat (Seite 12), sondern von 1983 bis 1987. Solche Fehler machen jedes Wort zur Wissenschaftlichkeit überflüssig.
Eine politische Schlussfolgerung gab es allerdings schon. Brauneder nannte die FPÖ „eine Partei wie nahezu jede andere“. Sehr nahe kann sie jedoch nicht sein, denn keine andere Partei ist bisher so fulminant in Regierungsämtern gescheitert, hat drei Mal den Abbruch einer Legislaturperiode zu verantworten gehabt, was das Land in keiner Weise weitergebracht hat: zweimal aus internen Machtkämpfen, die mit Sachpolitik nichts zu tun hatten, einmal aus Korruptionsverdacht und Dummheit – detto.
In welcher Welt leben Brauneder oder der freiheitliche Mann für alles (und jedes FPÖ-Regime), Andreas Mölzer, also, wenn sie die Partei „nahezu“gleich mit allen anderen sehen: Gut, SPÖ und ÖVP hatten ihre eigenen braunen Schatten in der Vergangenheit, aber bis in die Gegenwart reichen diese nicht. Sollte die Irgendwaskommission anderes behaupten, das diese zwei Parteien in die Nähe der FPÖ mit all ihren „Einzelfällen“rücken könnte, müsste sie Beweise vorlegen. Von Grünen und Neos ganz zu schweigen. Die sind ja auch „andere Parteien“.
Es ist die Aufregung bis auf Weiteres nicht wert. Schon gar nicht so läppische Einwände wie: Unter den 16 Autoren sei keine einzige Frau zu finden. Derartige Hinweise verniedlichen nur das Ausmaß der Provokation, das sich die FPÖ mit diesen Historikern leistet. Man kann sie getrost in die lange Liste der „Einzelfälle“einreihen. Die bisherigen dienten ja auch alle ganz offensichtlich dazu auszutesten, was sich die Öffentlichkeit und der Koalitionspartner ÖVP noch alles bieten lassen.
Eines aber muss man den Freiheitlichen lassen: Wieder lenken sie geschickt vom Strache-Video und rechtem Treiben ab. Dem sollte man mit einem Nicht-einmal-Ignorieren und dem Augenmerk auf politische Inhalte jetzt (!) begegnen.