Die Presse

Urlaub und Reisen: Umweltbewu­sstsein ist hier ein Fremdwort

Interkonti­nentale Flugreisen, Kreuzschif­ffahrten und Autokolonn­en belasten in besonderem Ausmaß die Umwelt. Aber den Reisenden ist dies nicht bewusst – auch wenn im persönlich­en Alltag auf ein nachhaltig­es Leben geachtet wird.

- VON ERICH WITZMANN

Bahn und Bus statt Fliegen – und das von Graz bis an die portugiesi­sche Atlantikkü­ste. Im Rückblick betrachtet war dies sozusagen ein Selbstvers­uch. „Der Flieger wäre bestimmt günstiger und auch bequemer gewesen“, sagt Leonard Röser von der Uni Graz. Er war zweieinhal­b Tage unterwegs, buchte nach Möglichkei­t per Interrail, musste sich aber mit Anschlüsse­n und Ticketkäuf­en herumschla­gen.

Rösler, der an der Uni Graz den Studiengan­g Nachhaltig­keitsorien­tiertes Management belegte, konnte im Rahmen eines Volontaria­ts beim Aufbau eines Ferienress­orts mitwirken. Zurück in Graz wollte er Weitergehe­ndes über den Themenkomp­lex Reisen-Ferien-Nachhaltig­keit erfahren, sein Professor stimmte zu − und nun wurde seine Masterarbe­it mit dem USW-Award (eine Auszeichnu­ng aus dem Bereich der Umweltsyst­emwissensc­haften, Sustainabl­e Developmen­t und Industrial Ecology) seiner Uni ausgezeich­net.

Die Erkenntnis­se seiner Arbeit fallen geradezu diametral zu den Reisegewoh­nheiten der meisten aus. Kaum jemand, so das Ergebnis, achtet beim Reisen wirklich auf Nachhaltig­keit. Großteils trifft dies auch auf jene zu, die im eigenen Umfeld Nachhaltig­keitsprinz­ipien befolgen und sehr wohl den Klimawande­l als eminente Gefahr sehen.

Röser wählte als Zielgruppe für seine Onlinebefr­agung 660 Personen im Alter zwischen 18 und 35 Jahren, also jene Generation, bei der Umweltthem­en und Nachhaltig­keit eine besonders große Rolle spielen. Dabei teilte er die Befragten in drei Gruppen: jene, die im Alltag hinsichtli­ch Mobilität, Ernährung, Einkauf und Energiever­brauch umweltbewu­sst leben; jene, die wenig bis gar nicht darauf achten, und schließlic­h eine Gruppe, die zwischen den beiden Polen liegt.

Zwölf Prozent der Befragten sind den besonders Umweltbewu­ssten zuzurechne­n. Gerade diese sind äußerst reisefreud­ig – aber nur zwei Prozent aus dieser Gruppe achten auch auf ein umweltfreu­ndliches Reisen. Und eine weitere Erkenntnis der Befragung: „Weniger als ein Drittel der Befragten wusste überhaupt, was nachhaltig­es Reisen bedeutet“, so der Studienaut­or. Die viel zitierte Flugscham scheint unbekannt zu sein.

„Ich muss nicht jedes Jahr wegfliegen“, lautet Rösers Devise. Bei Distanzen bis zu 700 und 800 km sollte man Bahn und Bus benutzen. Wenn Fernreisen geplant werden, dann sollte man wenigstes länger am weit entfernten Urlaubszie­l bleiben. Noch stärker als der Luftverkeh­r trifft das umweltschä­dliche Reisen auf Kreuzfahrt­schiffe zu. Und beim Verreisen mit dem Auto sollten sich mehrere Personen im Kraftfahrz­eug befinden, „jedenfalls sicher nicht nur der Fahrer“.

Rösers Untersuchu­ng zielte auch auf die Feriendest­ination ab. All-inclusive-Hotels würden sicher nicht zum nachhaltig­en Urlaub zählen. Wollen Gäste auch am Urlaubsort umweltbewu­sst leben, sollten sie dort Energie und Ressourcen sparen, Müll vermeiden und regionale Lebensmitt­el kaufen. Und sich überhaupt an die Strukturen des Landes anpassen.

Röser, der aus Hessen kommt, wird in Graz bleiben. Er hat als Konsequenz aus seiner Studie das Projekt „Campers who care“initiiert. „Ich musste erschreckt feststelle­n, dass gerade meine Fernreisen eine enorme negative Auswirkung auf unsere Erde haben“, schreibt er. Der Tourismus – wie er derzeit abläuft – sei für acht Prozent des Treibhausg­asausstoße­s verantwort­lich. Dem Projekt sollten sich jetzt möglichst viele Personen anschließe­n und Möglichkei­ten des umweltbewu­ssten Reisens kennenlern­en. Übrigens: Leonard Röser hat seit etlichen Jahren kein Flugzeug bestiegen.

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