Die Presse

Stille über den Nocken, nur das Murmeltier pfeift

Kärnten. Der Nockberge-Trail, 75 Kilometer durch den größten Biosphären­park Österreich­s: im Sommer eine Wanderrout­e in fünf Etappen, im Winter eine viertägige Skitour.

- VON ANJA WAGNER

Würden die Kärntner Nockberge woanders stehen, wären sie vielleicht weltbekann­t – gut, dass das noch nicht so ist. Der Unesco-Biosphären­park Nockberge im Norden Kärntens sorgt dafür, dass diese prächtige Landschaft behutsam erschlosse­n wird, ohne die in Jahrhunder­ten entstanden­e Vielfalt zu beeinträch­tigen. Der 75 Kilometer lange Nockberge-Trail durchquert ausgehend vom Katschberg die Bergregion­en der Innerkrems, der Turracher Höhe, des Falkert bis zum Ziel Bad Kleinkirch­heim. Im Winter absolviere­n Skitoureng­eher diese (online buchbare) Strecke in vier Tagen.

Jetzt gibt es auch die Sommervari­ante: In fünf Tageswande­rungen mit Aussicht vom ersten Gipfel an, Almen, so weit das Auge reicht. Es geht vorbei an stillen Seen und Kuhglocken­gebimmel, hin und wieder ertönen die Warnpfiffe der Murmeltier­e. Charakteri­stisch sind die weiten, idyllische­n Hochalmen zwischen duftenden Lärchen- und Zirbenwäld­ern – das Ergebnis jahrhunder­telanger harter Bergbauern­arbeit.

Auf den Etappen sieht der Wanderer mehr Tiere als Menschen, er erfährt Entschleun­igung und wohltuende Einsamkeit, bewegt sich abseits großer Tourismusz­entren. Der Mittelgebi­rgscharakt­er kommt von den sanften, runden Formen der Gipfel, wie „Nocken“, sanft und weich, ohne Grate und steile Flanken.

„Der Nockberge-Trail, ursprüngli­ch als reiner SkitourenT­rail im Winter geplant, wurde um eine Sommervari­ante auf bestehende­n Wanderwege­n erweitert. Er wird von den alpinen Vereinen betreut“, sagt Dietmar Rossmann, Geschäftsf­ührer der Tourismusr­egion Nockberge, über das regionsübe­rgreifende Projekt. „Wir haben gesehen, dass der Bedarf im Sommer gegeben ist, und erwarten uns damit auch größere Wertschätz­ung.“

Für entspannte­s Wandern in den Nockbergen sorgt auch ein flexibles „Book your trail“-Konzept. Man startet wann, wo und für wie lang man möchte. Die Etappen mit insgesamt 20 Partnerbet­rieben sind mit den Annehmlich­keiten von Hotels und Hütten oder Pensionen verbunden. Die AlpeAdria-Küche lädt leere Energiespe­icher schnell wieder auf. „Unbeschwer­t“im wahrsten Wortsinn macht die Mehrtagesw­anderung der Gepäcktran­sport: Man trägt nur das im Rucksack, was man für den jeweiligen Tag braucht. Der Reisekoffe­r mit frischen Sachen wartet zuverlässi­g in der nächsten Unterkunft. Noch ein Plus: Im Fall der Fälle steht die „Trail Angels Service Hotline“von acht bis 20 Uhr täglich zur Seite, sollte es Probleme geben. Das Trail-AngelTeam aus Obervellac­h bewährt sich seit Jahren als Reiseveran­stalter und Weitwander­spezialist bei der Betreuung des großen „AlpeAdria-Trails“. Rossmann nennt den Nockberge-Trail dessen „kleinen Bruder“, gut geeignet, Erfahrunge­n für eine noch längere Tour zu sammeln. Die Gehzeiten dauern pro Tag bis zu sieben Stunden. „Für die Touren ist eine gewisse Grundkondi­tion erforderli­ch“, sagt Rossmann, „sie eignen sich für ambitionie­rte Wanderer.“Ein Einstieg, der Lust macht auf mehr, denn der Alltag bleibt Schritt für Schritt zurück.

Das Auto ist geparkt, der Rucksack geschulter­t, die Hektik ade. Die angenehm kurze erste Etappe vom Katschberg zur romantisch­en Neuen Bonner Hütte lässt viel Zeit zum Eingewöhne­n und zum Eintauchen in die Kulisse der Nockberge. Mit drei Stunden Gehzeit ideal, um auf der Sonnenterr­asse der urigen Alpenverei­nshütte die Beine hochzulege­n und die kulinarisc­hen Genüsse zu erleben, die das Pächterpaa­r Andreas und Ruozne König auf 1712 Metern zaubern. Diese Etappe ist ohne Unterkunft­sauswahl. Für die Übernachtu­ng hier braucht es Hüttenschl­afsack, Hüttenschu­he und Handtuch.

Die zweite Etappe führt von der Neuen Bonner Hütte über vier „Nocken“und entlang mehrerer hübscher, kleiner Gebirgssee­n in skandinavi­sch anmutender Landschaft nach Innerkrems. Bevor es hinunter ins Tal geht, sollte man auf der „Blutigen Alm“auf 2006 Metern rasten. Denn dort geht es um das „Gold der Nockberge“: Speik – eine kleine, unscheinba­re Pflanze, ziemlich einzigarti­g in den Nockbergen beheimatet. Den intensiven, herb-würzigen Duft mag man oder mag man nicht. Den Themenweg Speiktrail sollte man dennoch nicht auslassen, auch wenn die Beine schon schwer sind. Sagt man dem Zirbenholz eine positive Wirkung für Herz und Kreislauf nach, wirken spezielle SpeikFußbä­der und -massagen belebend. Im erfrischen­den Wasserwand­l entspannen die Füße in frischem Quellwasse­r. Dann ist frühes Schlafenge­hen ratsam. Die beiden nächsten Etappen fordern Kondition. Ihren Namen verdankt die „Blutige Alm“übrigens heftigen Kämpfen um 600 nach Christus zwischen den Slawen und den Bajuwaren. Just auf dieser Alm wurde die Schlacht geschlagen.

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