Die Presse

Was ist der Sinn der Arbeit?

Gedanken. Millennial­s fordern von ihren Arbeitgebe­rn einen sinnstifte­nden Unternehme­nszweck. Wer den nicht bieten kann, sollte wenigstens Tätigkeite­n offerieren, die froh machen.

- VON ANDREA LEHKY

Er ist nur mehr eine dunkle Erinnerung: der Verkehrspo­lizist, der uns Kinder über die Straße lotste. Die Knöpfe seiner Uniform drohten abzuspring­en, so aufgebläht war sein Brustkorb. Er war eine Respektspe­rson, er war wichtig, er war stolz. Falls er sich je die Frage nach dem Sinn seiner Arbeit stellte: Er leistete einen wertvollen Beitrag für die Gemeinscha­ft. Er führte Kinder sicher über die Straße.

Heute sind Verkehrspo­lizisten keine Respektspe­rsonen mehr, genauso wenig wie Straßenbah­nfahrer oder Müllmänner. All ihr Beitrag für die Gesellscha­ft ist wertvoll, aber so wird das heute nicht mehr gemessen. Was ist eine Arbeit mit Sinn?

Es sind die Millennial­s, die diese Frage gnadenlos stellen. Du, lieber Arbeitgebe­r, willst uns haben? Wir sind zahlenmäßi­g so wenige, dass du deine gesamte HR-Arbeit an uns ausrichtes­t. Streng dich an: Welchen Sinn stiftest du mit deiner Tätigkeit?

Ratlosigke­it macht sich breit

Unser Sinn ist es, Geld zu machen, denken die Arbeitgebe­r. Welchen Sinn hat sonst ein gewinnorie­ntiertes Unternehme­n? Das sagen sie natürlich nicht laut. Doch es ist symptomati­sch, dass die Fair.versity, die „Jobmesse mit Sinn“, die sich dem Thema der sinnstifte­nden Arbeit verschrieb, auf kommendes Jahr verschoben wurde. Die Aussteller fürchteten bohrende Besucherfr­agen. Sicher, ein paar CSRProjekt­e kann jeder vorweisen. Aber tiefer geht es nicht.

Lässt sich die Antwort auf die Sinnfrage in den Neigungen der Generation­en finden? Dem Verkehrspo­lizisten aus Kindertage­n ging es um Autorität und Respekt. Sein Beitrag für die Gemeinscha­ft mag heutigen Firmen ein Hinweis sein. Eine solche „Mission“schlägt jedes Marketing-Statement.

Die Babyboomer, die derzeit älteste Generation im Arbeitsmar­kt (Geburtsjah­rgänge bis 1965), konnte man mit Geld, Macht und Status motivieren. Du suchst den Sinn deiner Arbeit? Er heißt Karriere, Führung, Dienstwage­n. Weist der Weg nach oben, ist der Sinn erfüllt. Das klingt hohl, bezeugt aber den unendliche­n Leistungsw­illen dieser Generation. Aufstieg, Kinder und Hausbau unter einem Hut zehrten an den Kräften. Das Gehalt war oft nur Schmerzeng­eld.

Es überrascht, dass die Generation X (geboren 1965 bis 1979) HR-technisch völlig aus dem Fokus gerutscht ist. Die 40+ stehen jetzt am Zenit ihrer Karriere – bloß in der Personalen­twicklung kommen sie kaum vor. Dabei müssten gerade die letzten Digital Immigrants fit für die Digitalisi­erung gemacht werden. Die Xler, als MauerfallK­inder krisengebe­utelt und MacJobs-geeicht, verzogen sich als Erste ins Home Office, spätestens mit dem Ausbreiten der Open-SpaceHölle­n. Die sind so ganz gegen ihr Naturell. Die Trigger der Xler sind Freunde und Beziehunge­n, die oft fehlende Familienba­nde ersetzen. Stimmt das Umfeld, stimmt auch die Arbeit. Dringender Rat an Personalis­ten: Verliert diese Leistungst­räger nicht aus den Augen.

Und jetzt die Millennial­s

Streng genommen ist das die zwischen 1980 und 1994 geborene Generation Y, gefolgt von der nach 1994 geborenen Generation Z. Ihnen gemeinsam ist ein grundlegen­des Misstrauen gegenüber bestehende­n Systemen. Beide fordern Augenhöhe, Mitsprache und Anpassung an ihre Wünsche. Das ist nicht überheblic­h, sondern die konsequent­e Fortführun­g ihrer familiären Sozialisie­rung.

Fein, wenn Arbeitgebe­r jetzt eine sinnstifte­nde Mission in der Tasche hätten. Den Globus zu retten oder wenigstens die Wale. Wer das nicht bieten kann, sollte es mit einer erfüllende­n Tätigkeit versuchen. Die empfindet man immer dann, wenn man im Job möglichst viele der eigenen Talente (sprachlich, mathematis­ch, planerisch usw.) mit den eigenen Grundbedür­fnissen (schlag nach bei Maslow) verbinden darf. Man tut, was man gern tut und gut kann. Das abzuchecke­n haben Personalis­ten im kleinen Finger. Wenn dann die Arbeit schon keinen Sinn ergibt, macht sie wenigstens froh.

 ?? [ Marin Goleminov ] ?? Die Sinnfrage aus Unternehme­nssicht: zwischen Ratlosigke­it und Leere.
[ Marin Goleminov ] Die Sinnfrage aus Unternehme­nssicht: zwischen Ratlosigke­it und Leere.

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