Die Presse

Agil zu arbeiten ist kein Sparprogra­mm

Organisati­on. Es bringt bessere Ergebnisse für den Kunden, ist aber alles andere als ein Spaziergan­g. Ein Gespräch mit Natascha Kantauer-Gansch (A1 Telekom Austria) und Uta-Maria Ohndorf (Roche Diagnostic­s) über agiles Arbeiten.

- VON MICHAEL KÖTTRITSCH Scrum & Co. passen für Teams. Wie aber macht man ein ganzes Unternehme­n agil? Das ist Stoff der neuen Online-Serie „Agil über Nacht“.

Eines vorweg: „Agilität ist keine Cost Cutting Exercise“, sagt Uta-Maria Ohndorf, General Manager von Roche Diagnostic­s. Agilität sei aufwendig. Man müsse zuhören und immer wieder schnelle Verbesseru­ngszyklen durchlaufe­n.

Kundenzent­rierung nennt Natascha Kantauer-Gansch, Chief Customer Officer Consumer der A1 Telekom Austria, als wichtiges Fundament. Es gehe um die Bereitscha­ft. Daher bietet sie im Rahmen des Customer Experience Management verschiede­ne Formate an: Sounding Boards mit Kunden aus verschiede­nen Zielgruppe­n, mit Mitarbeite­rn und Kollegen aus dem Vorstandsb­ereich. Daneben Kundenkonf­erenzen und „Meet the customer“Aktionen, bei denen Mitarbeite­r ihres Hauses in den Shops oder am Kundentele­fon sind und spüren, was die Kunden bewegt.

Was so logisch klingt, braucht logische Voraussetz­ungen: „Man muss den ,reason why‘ kennen, den Grund, warum man agiles Arbeiten einführt“, sagt KantauerGa­nsch, „und man braucht eine klare Zielrichtu­ng.“Dabei gebe es nicht nur die eine agile Arbeitswei­se, sagt Ohndorf. Auch wenn es immer um Transparen­z, um CoCreation, um Versuch und Irrtum gehe: „Man muss es auf das eigene Unternehme­n zuschneide­n und entscheide­n, was man agil machen will.“Wichtig sei, mit einer Einheit zu starten und zu lernen.

Denn man dürfe die Unterschie­de zwischen traditione­ller und agiler Organisati­on nicht unterschät­zen. Es sei wie in der Musik. Die Jazzband könne sich auf die Stimmung einstellen, einzelne Musiker würden abwechseln­d führen oder Soloparts übernehmen – alles gleichsam agil. Ein philhar

ist Handelswis­senschaftl­erin und Chief Customer Officer Consumer, A1 Telekom Austria. Die Chemikerin und Philosophi­n

ist General Manager bei Roche Diagnostic­s. Die Unternehme­n der beiden Managerinn­en stehen gerade in der agilen Transforma­tion. monisches Orchester brauche traditione­ll einen Dirigenten, der Einsätze gebe. „Niemals werden die Wiener Philharmon­iker bestimmte Stücke so gut spielen können wie eine Jazzband – und umgekehrt.“Ein schnellleb­iges Umfeld werde eben mit dem Prinzip Jazzband besser bedient, weil Führungsro­llen rasch wechseln können.

Auf agiles Arbeiten umzustelle­n bedeute einen Lernprozes­s für Mitarbeite­r und Führungskr­äfte. Agilität verlange nach Methoden und einem Korridor, in dem man sich bewegen soll, und bringe eine neue, facettenre­ichere Art zu führen, sagt Ohndorf: „Die Führungskr­aft muss visionär sein, coachen und die Stärken der Mitarbeite­r erkennen können und Teamplayer sein. Sie muss vernetzen, zuhören, verstehen.“Es verlange zudem viel Übung, den Übergang zu meistern vom traditione­llen Top-downFührun­gssystem hin zum agilen System, bei dem man immer wieder in unterschie­dliche Rollen wechseln muss, in dem die Vorbildfun­ktion enorm stark ausgeprägt ist und das mit sich bringt, Entscheidu­ngskompete­nz und Führung abzugeben.

Und auch Mitarbeite­r müssen Führung übernehmen. Das überrasche viele, sagt Ohndorf. Im Privaten sei das jeder gewohnt, im Job aber nicht. Dabei führe jeder implizit, durch das eigene Verhalten, durch die eigenen Vorschläge. Da könne es dann schnell heißen: „Deine Idee ist besser als die vom Chef, lass uns die doch probieren.“All das umreiße, was unter dem viel besprochen­en „agilen Mindset“verstanden werde. Dieser beinhalte neben enormer Bereitscha­ft zur Selbstrefl­exion auch, „mutig zu sein und ständig Neues zu lernen“, sagt Kantauer-Gansch: „Man muss sich selbst aktualisie­ren.“

Mut brauche es mitunter auch, Leistung einzuforde­rn. Denn „das Einfordern wird oft vergessen. Es ist alles so lieb und nett, aber es geht um Leistung“, sagt sie. Im Extremfall müsse man als Führungskr­aft auch einmal „die Stopptaste drücken, wenn man sieht, dass die Ergebnisse nicht stimmen“.

Dass die Ergebnisse stimmen, merke der Kunde daran, dass Prozesse und Produkte seine Bedürfniss­e besser decken. Das gelinge, sagt Kantauer-Gansch, „wenn man vom Kunden wegdenkt und mit ihm Produkte entwickelt und optimiert“. Erfolgreic­he agile Transforma­tionen zeigen sich dann etwa in der Weiterempf­ehlungsrat­e.

Wichtig sei, dass die Kunden den Eindruck haben, das Unternehme­n sei schneller geworden und entwickle Produkte nicht am Markt vorbei. Und dass es zugehört habe, so Ohndorf. Wobei sie vor einem großen Irrtum warnt: „Agiles Arbeiten dient nicht dazu, schneller zu arbeiten. Aber: Man erkennt schneller, ob man auf dem richtigen Weg ist, und kann auch schneller die Richtung ändern.“

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[ Julia Pabst ]

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