Agil zu arbeiten ist kein Sparprogramm
Organisation. Es bringt bessere Ergebnisse für den Kunden, ist aber alles andere als ein Spaziergang. Ein Gespräch mit Natascha Kantauer-Gansch (A1 Telekom Austria) und Uta-Maria Ohndorf (Roche Diagnostics) über agiles Arbeiten.
Eines vorweg: „Agilität ist keine Cost Cutting Exercise“, sagt Uta-Maria Ohndorf, General Manager von Roche Diagnostics. Agilität sei aufwendig. Man müsse zuhören und immer wieder schnelle Verbesserungszyklen durchlaufen.
Kundenzentrierung nennt Natascha Kantauer-Gansch, Chief Customer Officer Consumer der A1 Telekom Austria, als wichtiges Fundament. Es gehe um die Bereitschaft. Daher bietet sie im Rahmen des Customer Experience Management verschiedene Formate an: Sounding Boards mit Kunden aus verschiedenen Zielgruppen, mit Mitarbeitern und Kollegen aus dem Vorstandsbereich. Daneben Kundenkonferenzen und „Meet the customer“Aktionen, bei denen Mitarbeiter ihres Hauses in den Shops oder am Kundentelefon sind und spüren, was die Kunden bewegt.
Was so logisch klingt, braucht logische Voraussetzungen: „Man muss den ,reason why‘ kennen, den Grund, warum man agiles Arbeiten einführt“, sagt KantauerGansch, „und man braucht eine klare Zielrichtung.“Dabei gebe es nicht nur die eine agile Arbeitsweise, sagt Ohndorf. Auch wenn es immer um Transparenz, um CoCreation, um Versuch und Irrtum gehe: „Man muss es auf das eigene Unternehmen zuschneiden und entscheiden, was man agil machen will.“Wichtig sei, mit einer Einheit zu starten und zu lernen.
Denn man dürfe die Unterschiede zwischen traditioneller und agiler Organisation nicht unterschätzen. Es sei wie in der Musik. Die Jazzband könne sich auf die Stimmung einstellen, einzelne Musiker würden abwechselnd führen oder Soloparts übernehmen – alles gleichsam agil. Ein philhar
ist Handelswissenschaftlerin und Chief Customer Officer Consumer, A1 Telekom Austria. Die Chemikerin und Philosophin
ist General Manager bei Roche Diagnostics. Die Unternehmen der beiden Managerinnen stehen gerade in der agilen Transformation. monisches Orchester brauche traditionell einen Dirigenten, der Einsätze gebe. „Niemals werden die Wiener Philharmoniker bestimmte Stücke so gut spielen können wie eine Jazzband – und umgekehrt.“Ein schnelllebiges Umfeld werde eben mit dem Prinzip Jazzband besser bedient, weil Führungsrollen rasch wechseln können.
Auf agiles Arbeiten umzustellen bedeute einen Lernprozess für Mitarbeiter und Führungskräfte. Agilität verlange nach Methoden und einem Korridor, in dem man sich bewegen soll, und bringe eine neue, facettenreichere Art zu führen, sagt Ohndorf: „Die Führungskraft muss visionär sein, coachen und die Stärken der Mitarbeiter erkennen können und Teamplayer sein. Sie muss vernetzen, zuhören, verstehen.“Es verlange zudem viel Übung, den Übergang zu meistern vom traditionellen Top-downFührungssystem hin zum agilen System, bei dem man immer wieder in unterschiedliche Rollen wechseln muss, in dem die Vorbildfunktion enorm stark ausgeprägt ist und das mit sich bringt, Entscheidungskompetenz und Führung abzugeben.
Und auch Mitarbeiter müssen Führung übernehmen. Das überrasche viele, sagt Ohndorf. Im Privaten sei das jeder gewohnt, im Job aber nicht. Dabei führe jeder implizit, durch das eigene Verhalten, durch die eigenen Vorschläge. Da könne es dann schnell heißen: „Deine Idee ist besser als die vom Chef, lass uns die doch probieren.“All das umreiße, was unter dem viel besprochenen „agilen Mindset“verstanden werde. Dieser beinhalte neben enormer Bereitschaft zur Selbstreflexion auch, „mutig zu sein und ständig Neues zu lernen“, sagt Kantauer-Gansch: „Man muss sich selbst aktualisieren.“
Mut brauche es mitunter auch, Leistung einzufordern. Denn „das Einfordern wird oft vergessen. Es ist alles so lieb und nett, aber es geht um Leistung“, sagt sie. Im Extremfall müsse man als Führungskraft auch einmal „die Stopptaste drücken, wenn man sieht, dass die Ergebnisse nicht stimmen“.
Dass die Ergebnisse stimmen, merke der Kunde daran, dass Prozesse und Produkte seine Bedürfnisse besser decken. Das gelinge, sagt Kantauer-Gansch, „wenn man vom Kunden wegdenkt und mit ihm Produkte entwickelt und optimiert“. Erfolgreiche agile Transformationen zeigen sich dann etwa in der Weiterempfehlungsrate.
Wichtig sei, dass die Kunden den Eindruck haben, das Unternehmen sei schneller geworden und entwickle Produkte nicht am Markt vorbei. Und dass es zugehört habe, so Ohndorf. Wobei sie vor einem großen Irrtum warnt: „Agiles Arbeiten dient nicht dazu, schneller zu arbeiten. Aber: Man erkennt schneller, ob man auf dem richtigen Weg ist, und kann auch schneller die Richtung ändern.“