Der alte Mann und die schwere Last der Vergangenheit
Slowakei. Der autoritäre, aber von vielen verehrte Ex-Premier Vladim´ır Meˇciar will in die Politik zurück – und kündigt die Gründung einer Partei an.
Der umstrittene slowakische ExPolitiker Vladim´ır Meciarˇ hat die Gründung einer neuen Partei angekündigt. Zugleich ist der Justizstreit um seine autoritären Machenschaften während seiner Zeit als Regierungschef wieder entbrannt. Ende Juli gerade erst 77 Jahre alt geworden, will der einst allmächtige Staatsgründer offenkundig wieder in der slowakischen Politik mitmischen.
In einem auch als Video veröffentlichten Interview mit der zweitgrößten Boulevardzeitung des Landes bestätigte der Politikveteran vor einer Woche erstmals Gerüchte, dass er an der Gründung einer neuen Partei arbeite. Das müsse jedoch nicht bedeuten, dass er persönlich wieder ein Regierungsamt oder den Parteivorsitz anstrebe, schränkte er ein.
Meciarˇ erregt die Gemüter der slowakischen Öffentlichkeit auch noch 20 Jahre nach der historischen Parlamentswahl von 1998. Damals verjagte die slowakische Wählerschaft die letzte und zugleich umstrittenste der insgesamt drei von ihm geführten Koalitionsregierungen von der Macht, weil Meciarˇ zum Hindernis für den ersehnten EUBeitritt des Landes geworden war.
Was an Meciarˇ inzwischen aber am meisten interessiert, ist nicht mehr die Frage nach seinen politischen Zielen, sondern ob und wie er für die Sünden seiner Regierungszeit zur Verantwortung gezogen werden kann. Kaum war seine Ankündigung einer Parteigründung durch die Medien geeilt, ließ eine andere Nachricht aufhorchen, in der es um die Last seiner politischen Vergangenheit geht, die das Land bis heute spaltet und traumatisiert.
Meciarsˇ Amnestiedekrete
Das seit Juli 2017 gegen den früheren Regierungschef laufende Ermittlungsverfahren wegen Amtsmissbrauchs werde wegen verfassungsrechtlicher Bedenken und fehlender Erfolgsaussicht eingestellt, gaben die zuständigen Ermittler bekannt. Die Generalstaatsanwaltschaft als oberste Anklagebehörde protestierte prompt: Sie werde prüfen, ob das Verfahren nicht doch weitergeführt werden müsse. Dabei geht es um die Frage, ob Meciarˇ vor Gericht gestellt und in weiterer Folge sogar zu einer Gefängnisstrafe verurteilt werden kann. Zu Ende seiner Amtszeit 1998 missbrauchte er nämlich eine Verfassungslücke dazu, um die Verantwortung für seine schwersten politischen Verbrechen durch eine Art präventive Amnestie zu verschleiern.
Mit den Amnestiedekreten verbot Meciar,ˇ weiter zu untersuchen, wer für die mutmaßlich vom eigenen Geheimdienst organisierte Entführung des Präsidentensohns Michal Kova´cˇ junior und die anschließende Ermordung eines Belastungszeugen verantwortlich war.
Erst 2017 fand sich die nötige Verfassungsmehrheit im Parlament, um im Gleichklang mit dem Verfassungsgericht Meciarsˇ damalige Amnestien aufzuheben. Damit schien auch eine Anklage gegen ihn wieder möglich. „Die ganze von ihm betrogene Generation“wünsche Meciarˇ im Gefängnis anstatt wieder zurück in die Politik, kommentierte die liberale Tageszeitung „Sme“dessen Parteigründungspläne.
Korruption und Günstlingswirtschaft
„Sme“war in den 1990er-Jahren als wichtigstes Sprachrohr der Meciar-ˇGegner entstanden, als noch große Teile der Bevölkerung dem Volkstribun zu Füßen lagen. Linienbusfahrer führten damals sein Porträtfoto gemeinsam mit einem Rosenkranz am Rückspiegel befestigt auf ihren Fahrten mit wie ein Heiligenbild. Tausende pilgerten regelmäßig in die Sporthalle Pasienky in Bratislava, wenn Meciarˇ dort seine legendären Auftritte absolvierte.
Dass im Schatten des strahlenden Landesvaters Korruption und Günstlingswirtschaft wucherten, war schon damals selbst seinen glühendsten Anhängern bekannt. Doch ließen sie sich lang von Meciarsˇ Demagogie einlullen, dass alles noch viel schlimmer wäre, wenn seine Gegner an die Macht kämen.