Die Flucht in Anleihen, Gold und Bitcoin
Märkte. Als kürzlich die Aktienmärkte korrigierten, retteten die Anleger ihr Geld in vermeintlich sichere Häfen. Doch Aktien, Bitcoin, Gold und Anleihen gehen zunehmend im Gleichschritt: Sie alle werden von der Geldpolitik getrieben.
Anleihen, Gold und Bitcoin: Das waren die Häfen, in die Anleger geflohen sind, als die Aktienmärkte in den vergangenen Wochen korrigiert haben. Das wirft die Frage auf: Soll man diese Werte in turbulenten Zeiten als Beimischung haben, um das Depot vor Kursrückgängen zu schützen?
Es kommt darauf an. Es gibt nämlich zwei Themen, die derzeit die Märkte beeinflussen. Das eine sind negative Nachrichten um Handelsstreit und Konjunkturabschwächung. Wenn Donald Trump mit Zollerhöhungen und China mit einer Währungsabwertung drohen, sind das keine guten Vorzeichen für Aktien. Die Anleger fliehen dann in sichere Häfen wie Staatsanleihen oder Gold. Als Anfang der Vorwoche der Handelsstreit eskalierte, war sogar Bitcoin gefragt, das angesichts seiner starken Kursschwankungen nicht gerade als sicherer Hafen durchgehen kann. Wer also in solchen Phasen Staatsanleihen, Gold und Bitcoin hat, dessen Aktienkursverluste werden ein wenig abgefedert.
In den vergangenen Monaten sind jedoch die Kurse von Aktien und Staatsanleihen gestiegen. Und das hat einen Grund: die lockere Geldpolitik der Notenbanken. Diese drücken die Zinsen nach unten und kaufen teilweise selbst Anleihen, um Geld in den Geldkreislauf zu pumpen. Anleihen werden teuer, Anleger weichen auf den Aktienmarkt aus, Aktien werden auch teuer, Gold ebenso. Mutige treiben den Bitcoin-Kurs hoch. Das bedeutet auch: Sollten die Notenbanken weltweit damit anfangen, ihre Geldpolitik zu straffen, können alle Werte gleichzeitig ins Trudeln kommen, und keiner wäre mehr als Depotversicherung geeignet.
Derzeit sieht es nur nicht danach aus: Die EZB prüft sogar eine Neuauflage ihres Anleihekaufprogramms. Zwischen 2015 und 2018 hat sie Anleihen im Gesamtvolumen von 2,6 Billionen Euro erworben und auf diese Weise Geld in den Geldkreislauf gepumpt. Jetzt kauft sie nur Ersatz für auslaufende Papiere, hält also ihre Bilanzsumme auf hohem Niveau.
Negativzinsanleihen gefragt
Ein abruptes Ende dürfte die Anleiherallye nicht so bald nehmen. Doch rentieren viele Anleihen bereits negativ. Wer sie erwirbt und bis Laufzeitende hält, verliert sicher. Sie werden dennoch gekauft: von den Notenbanken, von Fonds und Pensionskassen, die einen bestimmten Anteil an sicheren Staatsanleihen haben müssen, und von Spekulanten, die auf weiter steigende Kurse hoffen, zu denen sie die Anleihen dann abstoßen wollen.
Die Experten von JP Morgan glauben, dass das noch eine Weile möglich ist, wie sie in ihrem jüngsten „Bond Bulletin“ausführen: „Negative Renditen sind bei Weitem kein neues Phänomen in Europa, aber ein Ende ist nicht abzusehen; umso unattraktiver erscheinen die Bewertungen.“Sie gehen davon aus, dass die Investoren vorerst weiter Anleihen kaufen werden, weil es an Alternativen fehle.
Für Kleinanleger, die sich selbst im Anleihehandel versuchen, ist das ein riskantes Spiel. Wer fürchtet, dass sich in nächster Zeit der Handelskrieg ein paar Mal zuspitzt, kann sich in ruhigen Zeiten Staatsanleihen zulegen und sie an Krisentagen bei höheren Kursen verkaufen.
Die Experten von Swisscanto Invest glauben aber, dass diese Krisentage gar nicht so häufig sein müssen: In den USA zeigten sich Arbeitsmarkt und Konsum stabil. „Daher glauben wir, dass die Märkte die zukünftige Konjunkturentwicklung zu pessimistisch einschätzen. Bei einer Stabilisierung der Konjunkturindikatoren dürfte auch die Abwärtsbewegung der Renditen von Staatsanleihen nachlassen“, schreiben sie in ihrem Marktbericht. In den USA gibt es noch positive Renditen für Staatsanleihen. Die JP-Morgan-Experten warnen aber, dass „aus Sicht eines europäischen Investors dieser Vorteil so gut wie hinfällig ist, wenn man die Absicherungskosten mit einkalkuliert“. Da scheint Gold ein sichereres Investment als Anleihen zu sein. Das glänzende Edelmetall hat sich kürzlich auf ein neues Sechsjahreshoch bei zeitweise mehr als 1500 Dollar je Feinunze verteuert. Wie aus einer Erhebung des World Gold Council hervorgeht, steigt der Goldpreis bei negativen Realzinsen (wenn die Zinsen niedriger sind als die Inflation) mehr als doppelt so stark wie in Zeiten positiver Realzinsen. Der Theorie zufolge schadet allerdings ein starker Dollar dem Goldpreis. In der Praxis war das zuletzt nicht der Fall. Der Dollar ist zum Euro und den meisten anderen Währungen gestiegen, Gold in Dollar hat sich dennoch verteuert. Die SichereHafen-Funktion von Gold ist derzeit stärker.
Bitcoin als sicherer Hafen?
Auch Bitcoin hat sich von seinem jüngsten Durchhänger erholt und hielt sich zuletzt wacker über 11.000 Dollar. Wie Bloomberg feststellt, gibt es einen Zusammenhang zwischen dem Bitcoin-Kurs und dem Volumen negativ rentierender Anleihen. Seit Oktober des Vorjahres hat sich Letzteres von sechs Billionen auf fast 16 Billionen Dollar erhöht. Gleichzeitig hat sich der Bitcoin-Kurs von 4000 auf fast 12.000 Dollar erhöht. Das zeigt, dass einige Anleger auch den heftig schwankende Bitcoin als alternative Anlage in Nullzinsphasen sehen.
Momentan haben alle Vermögenswerte Rückenwind von der Geldpolitik – mögen sie sich auch in kurzen Phasen von Handelsstreit-Eskalationen gegensätzlich entwickeln. Zugleich bedeutet das, dass die Fallhöhe in all diesen Märkten größer wird.