Die Presse

Versicheru­ngen bunkern Bargeld

Geldpoliti­k. Deutsche Versicheru­ngen reagieren auf die Negativzin­sen: Kundengeld­er sollen als Bargeld im Tresor gelagert werden. Auch in Österreich schließt man dieses Szenario nicht aus.

- VON NICOLE STERN

Wien. Die anhaltende Nullzinsph­ase macht vielen zu schaffen: den Sparbuchsp­arern, die ihrem Vermögen täglich dabei zusehen, wie es angesichts der Inflation immer kleiner wird. Den Banken, die Negativzin­sen zahlen müssen, sobald sie Gelder bei der Europäisch­en Zentralban­k parken. Und den Versicheru­ngen, die auf so vielen Milliarden Euro sitzen, dass sie sich in den vergangene­n Jahren schon ziemlich schwer damit getan haben, das Geld gewinnbrin­gend zu veranlagen.

An der Situation dürfte sich so bald nichts ändern. Denn statt der ursprüngli­ch geplanten Zinserhöhu­ng wird die Europäisch­e Zentralban­k im Herbst wohl eher damit beginnen, die Konjunktur erneut zu stimuliere­n, um einem Abschwung entgegenzu­treten. Zu welchen Instrument­en die Notenbanke­r greifen werden, steht noch nicht fest. Erneute Anleihenkä­ufe oder eine weitere Senkung des derzeitige­n Einlagenzi­nssatzes von minus 0,4 Prozent stehen aber im Raum (siehe Grafik). Diesen Zinssatz müssen Geschäftsb­anken in Kauf nehmen, wenn sie Kapital bei der EZB parken wollen. Sollte dieser Satz weiter erodieren, hätte das wohl gravierend­e Folgen. Es könnte sich für die Finanzbran­che dann nämlich rechnen, Geld als Bargeld im Tresor zu lagern, statt es auf Konten liegen zu lassen.

Angesichts dessen wirkt es höchst brisant, was der Chefvolksw­irt des Gesamtverb­ands der Deutschen Versicheru­ngswirtsch­aft, Klaus Wiener, nun in einem Interview mit dem deutschen „Tagesspieg­el“sagt: „Je niedriger die Zinsen sind, desto attraktive­r wird es, Geld in Tresoren zu lagern. Einige Versichere­r schauen sich das derzeit sehr genau an.“Unter der Voraussetz­ung freilich, dass es Bargeld weiter geben und es nicht verboten wird. Erst in der Vorwoche hatte die ÖVP vorgeschla­gen, den Einsatz von Bargeld in der Verfassung zu verankern.

Keine abstrusen Gedankensp­iele

Die deutschen Versichere­r sind im Übrigen nicht irgendwer, sie zählen mit einem Volumen von 1,7 Billionen Euro zu den größeren Anlegern auf den Kapitalmär­kten. Wenn sie Geld verschiebe­n, ist das also spürbar. Die österreich­ischen Gesellscha­ften verwalten deutlich weniger, 107 Milliarden Euro sind trotzdem kein Kleinbetra­g. 3,4 Prozent davon befinden sich derzeit in Form von Guthaben bei Kreditinst­ituten.

So weit wie die Münchener Rück ist man in Österreich zwar noch nicht. Die hat angesichts des miesen Zinsumfeld­es schon vor einigen Jahren beschlosse­n, neben Gold auch Bargeld zu bunkern. Eine verstärkte Bargeldhal­tung stelle aber keine wirkliche Alternativ­e dar, weil der Aufwand sehr hoch sei, teilte der Rückversic­herer mit.

Als abstrus werden die Gedankensp­iele über Bargeld im Tresor auch hierzuland­e nicht bezeichnet: „Wenn sich die Zinssituat­ion noch weiter verschlech­tert, können wir das nicht ausschließ­en“, sagt Wolfgang Haas, Pressespre­cher der Vienna Insurance Group, einer der größten Versicheru­ngen des Landes. Derzeit versuche man eher auf andere Veranlagun­gsformen auszuweich­en. Und auf geringe Cashbestän­de zu achten. 1,3 Milliarden Euro befinden sich auf Konten, Geld, das man etwa für Auszahlung­en an Kunden benötigt. Bei der Uniqa, der zweiten großen Versicheru­ng in Österreich, waren es zuletzt 1,5 Milliarden Euro. Dort sagt man: „Wir werden sorgfältig prüfen, wie die Entwicklun­g weitergeht.“

Die Befürworte­r des Bargelds wird das freuen. Nicht vergessen darf man aber, dass Lagerung, Transport und Sicherungs­kosten mit Spesen verbunden sind. Wie eine 2015 veröffentl­ichte Studie von WU-Professor Guido Schäfer ergab, beliefen sich die volkswirts­chaftliche­n Kosten des Bargelds in Österreich auf rund 0,36 Prozent des Bruttoinla­ndsprodukt­es, das waren 1,17 Mrd. Euro.

Die Möglichkei­t, Bargeld den Vorzug zu geben, hätten die Versichere­r in Österreich jedenfalls. Es gibt keine quantitati­ven Veranlagun­gsvorschri­ften mehr. Die Assekuranz­en müssen nur nach dem Grundsatz der unternehme­rischen Vorsicht handeln.

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