Versicherungen bunkern Bargeld
Geldpolitik. Deutsche Versicherungen reagieren auf die Negativzinsen: Kundengelder sollen als Bargeld im Tresor gelagert werden. Auch in Österreich schließt man dieses Szenario nicht aus.
Wien. Die anhaltende Nullzinsphase macht vielen zu schaffen: den Sparbuchsparern, die ihrem Vermögen täglich dabei zusehen, wie es angesichts der Inflation immer kleiner wird. Den Banken, die Negativzinsen zahlen müssen, sobald sie Gelder bei der Europäischen Zentralbank parken. Und den Versicherungen, die auf so vielen Milliarden Euro sitzen, dass sie sich in den vergangenen Jahren schon ziemlich schwer damit getan haben, das Geld gewinnbringend zu veranlagen.
An der Situation dürfte sich so bald nichts ändern. Denn statt der ursprünglich geplanten Zinserhöhung wird die Europäische Zentralbank im Herbst wohl eher damit beginnen, die Konjunktur erneut zu stimulieren, um einem Abschwung entgegenzutreten. Zu welchen Instrumenten die Notenbanker greifen werden, steht noch nicht fest. Erneute Anleihenkäufe oder eine weitere Senkung des derzeitigen Einlagenzinssatzes von minus 0,4 Prozent stehen aber im Raum (siehe Grafik). Diesen Zinssatz müssen Geschäftsbanken in Kauf nehmen, wenn sie Kapital bei der EZB parken wollen. Sollte dieser Satz weiter erodieren, hätte das wohl gravierende Folgen. Es könnte sich für die Finanzbranche dann nämlich rechnen, Geld als Bargeld im Tresor zu lagern, statt es auf Konten liegen zu lassen.
Angesichts dessen wirkt es höchst brisant, was der Chefvolkswirt des Gesamtverbands der Deutschen Versicherungswirtschaft, Klaus Wiener, nun in einem Interview mit dem deutschen „Tagesspiegel“sagt: „Je niedriger die Zinsen sind, desto attraktiver wird es, Geld in Tresoren zu lagern. Einige Versicherer schauen sich das derzeit sehr genau an.“Unter der Voraussetzung freilich, dass es Bargeld weiter geben und es nicht verboten wird. Erst in der Vorwoche hatte die ÖVP vorgeschlagen, den Einsatz von Bargeld in der Verfassung zu verankern.
Keine abstrusen Gedankenspiele
Die deutschen Versicherer sind im Übrigen nicht irgendwer, sie zählen mit einem Volumen von 1,7 Billionen Euro zu den größeren Anlegern auf den Kapitalmärkten. Wenn sie Geld verschieben, ist das also spürbar. Die österreichischen Gesellschaften verwalten deutlich weniger, 107 Milliarden Euro sind trotzdem kein Kleinbetrag. 3,4 Prozent davon befinden sich derzeit in Form von Guthaben bei Kreditinstituten.
So weit wie die Münchener Rück ist man in Österreich zwar noch nicht. Die hat angesichts des miesen Zinsumfeldes schon vor einigen Jahren beschlossen, neben Gold auch Bargeld zu bunkern. Eine verstärkte Bargeldhaltung stelle aber keine wirkliche Alternative dar, weil der Aufwand sehr hoch sei, teilte der Rückversicherer mit.
Als abstrus werden die Gedankenspiele über Bargeld im Tresor auch hierzulande nicht bezeichnet: „Wenn sich die Zinssituation noch weiter verschlechtert, können wir das nicht ausschließen“, sagt Wolfgang Haas, Pressesprecher der Vienna Insurance Group, einer der größten Versicherungen des Landes. Derzeit versuche man eher auf andere Veranlagungsformen auszuweichen. Und auf geringe Cashbestände zu achten. 1,3 Milliarden Euro befinden sich auf Konten, Geld, das man etwa für Auszahlungen an Kunden benötigt. Bei der Uniqa, der zweiten großen Versicherung in Österreich, waren es zuletzt 1,5 Milliarden Euro. Dort sagt man: „Wir werden sorgfältig prüfen, wie die Entwicklung weitergeht.“
Die Befürworter des Bargelds wird das freuen. Nicht vergessen darf man aber, dass Lagerung, Transport und Sicherungskosten mit Spesen verbunden sind. Wie eine 2015 veröffentlichte Studie von WU-Professor Guido Schäfer ergab, beliefen sich die volkswirtschaftlichen Kosten des Bargelds in Österreich auf rund 0,36 Prozent des Bruttoinlandsproduktes, das waren 1,17 Mrd. Euro.
Die Möglichkeit, Bargeld den Vorzug zu geben, hätten die Versicherer in Österreich jedenfalls. Es gibt keine quantitativen Veranlagungsvorschriften mehr. Die Assekuranzen müssen nur nach dem Grundsatz der unternehmerischen Vorsicht handeln.