Politik mit Panier
Politisch ist das Schnitzel beliebig einsetzbar. Den jüngsten Beweis lieferte die SPÖ – was intern nicht alle freut.
Politisch ist das Wiener Schnitzel beliebig einsetzbar. Den jüngsten Beweis lieferte die SPÖ – was intern nicht alle freut.
Was den Belgiern die Pommes frites sind und den Italienern die Teigwaren in Pasta- und Pizzaform, ist den Österreichern das Schnitzel. Gegen ihre Leibspeise ist keine Wahl zu gewinnen. Wer (wie die EU-Kommission) die Zubereitung des Schnitzels regulieren oder (wie einst die Grünen) den Fleischpreis erhöhen möchte, muss mit dem blanken Wählerzorn rechnen.
Diesen Schluss hat nun auch die SPÖ gezogen. „Das Schnitzel darf nicht zum Luxus werden“, twitterte Parteichefin Pamela Rendi-Wagner am Wochenende, auf eine Debatte in Deutschland anspielend, wo sich die SPD zum Zwecke des Tier- und des Klimaschutzes für eine Mehrwertsteuererhöhung auf Fleisch erwärmen kann. Mitten im Nationalratswahlkampf wollten die österreichischen Sozialdemokraten offenbar klarstellen, dass sie hier anderer Meinung sind: „Die heimische Landwirtschaft ist klein strukturiert und produziert Fleisch in Topqualität. Darauf sind wir stolz“, schrieb Rendi-Wagner. „Entscheidend sind faire Preise für die Bauern, Tierschutz und leistbares Fleisch.“
Ein Indiz dafür, dass die SPÖ am 29. September Wähler von den Freiheitlichen zurückholen will? In der jüngeren Vergangenheit nämlich war vor allem die FPÖ als Verteidigerin des Schnitzels aufgefallen. Erst vor einigen Wochen wollte der Ring Freiheitlicher Jugend jedem Kind ein Recht auf Schnitzel zugestehen. Anlass waren zwei Kindertageseinrichtungen in Leipzig, die Schweinefleisch vom Speiseplan gestrichen hatten. „Wer aus religiösen Gründen kein Schweinefleisch ist, soll es bleiben lassen“, ärgerte sich RFJ-Obmann Maximilian Krauss. „Aber wir werden es nicht dulden, dass unsere Kinder deshalb zum Verzicht auf Schweinefleisch gezwungen werden.“
Auch Ex-Kanzler Sebastian Kurz bediente sich vor der EuropaWahl im Mai des Schnitzels samt Beilage, um den „Regulierungswahn“in Brüssel zu kritisieren: „Kein Mensch braucht EU-Vorgaben, etwa für die Zubereitung von Schnitzel und Pommes.“Der ÖVPChef spielte auf eine Forderung der EU-Kommission an, wonach Öl beim Frittieren nicht über 175 Grad erhitzt werden solle, weil sonst die Krebsgefahr steige. Auch wenn die Neuregelung zur Reduktion von Acrylamid nicht auf die Panier abzielte, wurde es hierzulande so interpretiert, nicht nur von Kurz.
Steinberger-Kern kritisiert SPÖ
Wenn das Schnitzel politisch wird, ist der Populismusvorwurf meist nicht weit. Im Wahlkampf 2017 versuchte sich Kurz’ Vorgänger im Kanzleramt, Christian Kern, vielleicht auch deshalb als Pizzabote – wenn auch mit mäßigem Erfolg, da sich schon bald herausstellte, dass die Kundschaft von der SPÖ vorbestellt worden war.
Kerns Ehefrau, die Managerin Eveline Steinberger-Kern, kritisierte am Montag den jüngsten Schnitzelvorstoß der SPÖ: Der Teuerung mit dem Schnitzel und einem „undurchdachten und damit populistischen“Öffi-Ticket für drei Euro am Tag begegnen zu wollen mache sie als potenzielle Wählerin nur noch nachdenklich, so Steinberger-Kern auf Twitter. „Bin absolut für Lösungen von handfesten sozialen Problemen, aber bitte jetzt g’scheit.“
Politisch ist das Schnitzel beliebig einsetzbar. Minister Martin Bartenstein ließ es einst, wie auch die Salzburger Nockerln, für eine Tourismuskampagne auf Plakate drucken. Bürgermeister Michael Häupl kombinierte es für eine Wien-Werbung mit dem Slogan „Endlich wieder daham“(zum Einsatz kamen damals, im August 1996, auch das Brotkörberl und der Apfelstrudel). Und Andreas Khol verwendete es im übertragenen Sinn. Ob die Pensionsdebatte die schwarz-blaue Koalition gefährden könne, wurde er 2003 gefragt. „Wir haben Brösel“, gab der damalige Nationalratspräsident zu. „Am Schluss ist es aber immer gelungen, ein Wiener Schnitzel zu machen.“Den Scherz mit Ibiza und paniert verkneifen wir uns jetzt.