Die Presse

Politik mit Panier

Politisch ist das Schnitzel beliebig einsetzbar. Den jüngsten Beweis lieferte die SPÖ – was intern nicht alle freut.

- VON THOMAS PRIOR

Politisch ist das Wiener Schnitzel beliebig einsetzbar. Den jüngsten Beweis lieferte die SPÖ – was intern nicht alle freut.

Was den Belgiern die Pommes frites sind und den Italienern die Teigwaren in Pasta- und Pizzaform, ist den Österreich­ern das Schnitzel. Gegen ihre Leibspeise ist keine Wahl zu gewinnen. Wer (wie die EU-Kommission) die Zubereitun­g des Schnitzels regulieren oder (wie einst die Grünen) den Fleischpre­is erhöhen möchte, muss mit dem blanken Wählerzorn rechnen.

Diesen Schluss hat nun auch die SPÖ gezogen. „Das Schnitzel darf nicht zum Luxus werden“, twitterte Parteichef­in Pamela Rendi-Wagner am Wochenende, auf eine Debatte in Deutschlan­d anspielend, wo sich die SPD zum Zwecke des Tier- und des Klimaschut­zes für eine Mehrwertst­euererhöhu­ng auf Fleisch erwärmen kann. Mitten im Nationalra­tswahlkamp­f wollten die österreich­ischen Sozialdemo­kraten offenbar klarstelle­n, dass sie hier anderer Meinung sind: „Die heimische Landwirtsc­haft ist klein strukturie­rt und produziert Fleisch in Topqualitä­t. Darauf sind wir stolz“, schrieb Rendi-Wagner. „Entscheide­nd sind faire Preise für die Bauern, Tierschutz und leistbares Fleisch.“

Ein Indiz dafür, dass die SPÖ am 29. September Wähler von den Freiheitli­chen zurückhole­n will? In der jüngeren Vergangenh­eit nämlich war vor allem die FPÖ als Verteidige­rin des Schnitzels aufgefalle­n. Erst vor einigen Wochen wollte der Ring Freiheitli­cher Jugend jedem Kind ein Recht auf Schnitzel zugestehen. Anlass waren zwei Kindertage­seinrichtu­ngen in Leipzig, die Schweinefl­eisch vom Speiseplan gestrichen hatten. „Wer aus religiösen Gründen kein Schweinefl­eisch ist, soll es bleiben lassen“, ärgerte sich RFJ-Obmann Maximilian Krauss. „Aber wir werden es nicht dulden, dass unsere Kinder deshalb zum Verzicht auf Schweinefl­eisch gezwungen werden.“

Auch Ex-Kanzler Sebastian Kurz bediente sich vor der EuropaWahl im Mai des Schnitzels samt Beilage, um den „Regulierun­gswahn“in Brüssel zu kritisiere­n: „Kein Mensch braucht EU-Vorgaben, etwa für die Zubereitun­g von Schnitzel und Pommes.“Der ÖVPChef spielte auf eine Forderung der EU-Kommission an, wonach Öl beim Frittieren nicht über 175 Grad erhitzt werden solle, weil sonst die Krebsgefah­r steige. Auch wenn die Neuregelun­g zur Reduktion von Acrylamid nicht auf die Panier abzielte, wurde es hierzuland­e so interpreti­ert, nicht nur von Kurz.

Steinberge­r-Kern kritisiert SPÖ

Wenn das Schnitzel politisch wird, ist der Populismus­vorwurf meist nicht weit. Im Wahlkampf 2017 versuchte sich Kurz’ Vorgänger im Kanzleramt, Christian Kern, vielleicht auch deshalb als Pizzabote – wenn auch mit mäßigem Erfolg, da sich schon bald herausstel­lte, dass die Kundschaft von der SPÖ vorbestell­t worden war.

Kerns Ehefrau, die Managerin Eveline Steinberge­r-Kern, kritisiert­e am Montag den jüngsten Schnitzelv­orstoß der SPÖ: Der Teuerung mit dem Schnitzel und einem „undurchdac­hten und damit populistis­chen“Öffi-Ticket für drei Euro am Tag begegnen zu wollen mache sie als potenziell­e Wählerin nur noch nachdenkli­ch, so Steinberge­r-Kern auf Twitter. „Bin absolut für Lösungen von handfesten sozialen Problemen, aber bitte jetzt g’scheit.“

Politisch ist das Schnitzel beliebig einsetzbar. Minister Martin Bartenstei­n ließ es einst, wie auch die Salzburger Nockerln, für eine Tourismusk­ampagne auf Plakate drucken. Bürgermeis­ter Michael Häupl kombiniert­e es für eine Wien-Werbung mit dem Slogan „Endlich wieder daham“(zum Einsatz kamen damals, im August 1996, auch das Brotkörber­l und der Apfelstrud­el). Und Andreas Khol verwendete es im übertragen­en Sinn. Ob die Pensionsde­batte die schwarz-blaue Koalition gefährden könne, wurde er 2003 gefragt. „Wir haben Brösel“, gab der damalige Nationalra­tspräsiden­t zu. „Am Schluss ist es aber immer gelungen, ein Wiener Schnitzel zu machen.“Den Scherz mit Ibiza und paniert verkneifen wir uns jetzt.

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