Die Presse

Gibt es Schnitzel in Saint-Tropez?

Die SPÖ gibt sich volksnah – und konterkari­ert es gleich wieder. Politikeru­rlaube sollten jedoch ein Randthema sein, der Umgang mit Tieren nicht.

- VON OLIVER PINK E-Mails an: oliver.pink@diepresse.com

Wissen Sie, wie die Milch in Ihr Packerl kommt? Ja? Gut. Sollten Sie nicht auf einem Bauernhof aufgewachs­en sein und das vielleicht nicht wissen: Die Kuh muss dafür trächtig sein. Nach der Geburt des Kalbes wird es von ihr getrennt. Mutter und Kind schreien tagelang nach einander. Das weggesperr­te Kalb bekommt Ersatznahr­ung. Während sich der Mensch die eigentlich für das Kalb bestimmte Muttermilc­h schnappt. Wenn es Glück hat, bekommt es davon auch noch einen kleinen Teil ab. Das Kalb wird dann weiter gemästet und in Folge, sofern männlich, geschlacht­et – und landet als Schnitzel auf dem Teller. Die Mutterkuh wurde in der Zwischenze­it wieder besamt – und der Zyklus beginnt von Neuem. So macht das der Mensch seit Jahrhunder­ten. Ziemlich brutal – oder?

Man darf, soll und muss über Tierleid selbstvers­tändlich reden, und zwar völlig unabhängig vom Klimawande­l. Das Schnitzel ist gerade Thema, die Milch war es in den 1980ern, als es in der Europäisch­en Gemeinscha­ft noch „Milchseen“gegeben hat. Allerdings sollte man es ohne Verbotsreg­ime und Schnappatm­ung tun. S PÖ-Vorsitzend­e Pamela Rendi-Wagner hat am Wochenende einen Tweet verfasst: „Die heimische Landwirtsc­haft ist klein strukturie­rt und produziert Fleisch in Topqualitä­t. Darauf sind wir stolz! Entscheide­nd sind faire Preise für die Bauern, Tierschutz und leistbares Fleisch. Denn das Schnitzel darf nicht zum Luxus werden!“An dem Tweet ist nichts falsch. Vor allem nicht aus Sicht einer Partei, die ihrem Selbstvers­tändnis nach eine Arbeiterpa­rtei ist und das auch bleiben möchte. Dennoch rauschte gleich einmal ein kleiner Shitstorm über RendiWagne­r hinweg. Sinngemäß zusammenge­fasst: Populismus. Verherrlic­hung des Fleisches. Dieses müsse auf jeden Fall teurer werden.

Rendi-Wagner tat genau das nicht, was ihre deutschen Genossen taten: nämlich eine höhere Steuer auf Fleisch zu fordern. Das wäre – rein taktisch betrachtet – in einem Wahlkampf, in dem man den kleinen Mann gewinnen will, auch nicht sehr geschickt. Und das will die SPÖ offensicht­lich, deswegen nimmt sie sich nun auch des Schnitzels, des Lieblingse­ssens des Österreich­ers, an.

Es wäre allerdings nicht die SPÖ, würde sie sich diese neue Volksnähe nicht gleich wieder selbst zusammenha­uen. Denn während sich in Österreich das Internetge­witter über ihr zusammenbr­aute, saß Pamela Rendi-Wagner am südfranzös­ischen Strand von SaintTrope­z, genauer gesagt im berühmten Club 55 in Ramatuelle.

Nun ist es grundsätzl­ich völlig unerheblic­h, wo ein Politiker Urlaub macht, es soll ihm nicht zum Vorwurf gemacht werden, es geht eigentlich auch keinen etwas an. Hier gibt es allerdings eine kleine Diskrepanz: Pamela Rendi-Wagner ließ die Medien zuvor wissen, dass sie heuer in Jesolo urlauben werde, und wenn es sich ausgehe, werde sie noch ein paar Tage in der Steiermark dranhängen. Ganz volksnah also. Von SaintTrope­z kein Wort (außer der Autor dieser Zeilen hat es irgendwo überlesen). Lediglich in der „Tiroler Tageszeitu­ng“vom 14. Juli findet sich der Hinweis, dass sie „nach Jesolo, dann weiter rüber nach Frankreich“fahren werde.

Wie gesagt: Wo Politiker urlauben, sollte, wenn überhaupt, nur ein Randthema sein. Allerdings: Der aktuelle Fall ist halt schon wieder einmal symptomati­sch für die SPÖ: Gusenbauer­s Wein, Drozdas Uhr etc. Wobei es natürlich schon auch eine individuel­le Seite hat: Michael Ludwig könnte man sich in Saint-Tropez nicht vorstellen. Ü ber das Schnitzel sollten wir – ohne diese nervtötend­e Aufregung in den sozialen Medien – aber weiter reden. Über die Entstehung­sbedingung­en, über den Preis, über den Umgang mit Tieren an sich. Man soll Fleisch durchaus als „Luxus“sehen, als etwas, was eben nicht wie von selbst auf den Teller kommt. Es hat seinen Preis. Es sollte dennoch erschwingl­ich bleiben.

Und sollten Sie das nächste Mal in Saint-Tropez Milch in Ihren Kaffee schütten – denken Sie auch an das kleine Kälbchen.

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