Die Presse

Der Fall Adens beschleuni­gt die Zweiteilun­g des Jemen

Analyse. Nach dem Rückzug der Vereinigte­n Arabischen Emirate steht Saudiarabi­en vor den Trümmern seiner Kriegspoli­tik.

- Von unserem Mitarbeite­r MARTIN GEHLEN

Im letzten Akt des Dramas fiel dann kein Schuss mehr. Freiwillig räumten die saudischen Beschützer das Feld und zogen ihre gepanzerte­n Fahrzeuge aus dem Präsidente­npalast von Aden ab, im Jemen das letzten Machtsymbo­l des in Riad lebenden Exilstaats­chefs Abed Rabbo Mansour Hadi. Mit dieser letzten Trophäe brachten die Separatist­en des sogenannte­n Südlichen Übergangsr­ats (STC) praktisch das gesamte Stadtgebie­t von Aden unter ihre Kontrolle und vertrieben die Reste der internatio­nal anerkannte­n Regierung Hadi.

In etlichen Städten kam es zu Jubelfeier­n. „Die Sache ist gelaufen, deren Streitkräf­te kontrollie­ren alle Kasernen“, zitierte Reuters ein ungenannte­s Mitglied der offizielle­n Führung, die Aden seit Anfang 2016 als Machtbasis und Interimsha­uptstadt nutzte.

Bei den vorangegan­genen Gefechten starben mindestens 40 Menschen und wurden über 260 wurden verletzt, wie die UN in einer ersten Bilanz mitteilten. Die Krankenhäu­ser seien bis zum Äußersten belastet, berichtete­n Mitarbeite­r von Ärzte ohne Grenzen. Der Flughafen wurde geschlosse­n. „Ich habe am Abend zwei meiner Nachbarn beerdigt, die in den Kämpfen getötet wurden“, twitterte ein Bewohner zum Opferfest, dem höchsten Feiertag des Islam. „Wir feiern Aid al-Adha in Trauer, Schmerz, Hoffnungsl­osigkeit und Hilflosigk­eit. Das interessie­rt niemanden und wird auch in Zukunft niemanden interessie­ren.“

Mit dem Fall von Aden an die Separatist­en steht der Jemen vor der endgültige­n Spaltung und Saudiarabi­en vor den Trümmern seiner fünfjährig­en Kriegspoli­tik, die Präsident Hadi in ganz Jemen an die Macht zurückbomb­en und die Houthis aus der Hauptstadt, Sanaa, vertreiben wollte.

Stattdesse­n beherrsche­n die vom Iran unterstütz­ten Rebellen unangefoch­ten den Norden, während im Süden innerhalb der bisherigen Anti-Houthi-Koalition sich die von den Emiraten trainierte­n Milizen des Südlichen Übergangsr­ats (STC) und die von Saudiarabi­en ausgerüste­ten Hadi-Regierungs­truppen gegenseiti­g zerfleisch­en.

Die Internatio­nal Crisis Group warnte bereits vor einem Bürgerkrie­g im Bürgerkrie­g, der die jetzt schon schlimmste humanitäre Katastroph­e des Globus weiter zuspitzen und eine politische Lösung zusätzlich erschweren werde. Der STC, der von Adens Ex-Gouverneur Aidarous al-Zubaidi geführt wird, will einen unabhängig­en Staat Südjemen, wie er von 1967 bis 1990 existiert hat. Bereits jetzt machen die Sezessioni­sten, wie da sUN-Menschenre­chts kommissari­at kritisiert hat, in ihrem Macht gebiet gezielt Jagd auf Bürger aus dem Norden.

Das jemenitisc­he Außenamt sprach von „einem Putsch gegen die Institutio­nen einer internatio­nal anerkannte­n Regierung“, organisier­t vom Südlichen Übergangsr­at zusammen mit den Vereinigte­n Arabischen Emiraten. Präsident Hadi äußerte sich nicht, er soll schwer krank in einem Spital liegen.

Saudischer Gegenschla­g

Saudiarabi­en indes, dessen Truppen keinerlei Widerstand leisteten, reagierte mit einem Luftangrif­f und dem Appell an die verfeindet­en Kontrahent­en, eine Waffenruhe zu vereinbare­n und ein Krisentref­fen abzuhalten. Der emiratisch­e Außenminis­ter, Abdullah bin Zayed al-Nahyan, versichert­e im Gegenzug, Abu Dhabi unternehme „jede Anstrengun­g, um die Lage zu deeskalier­en“, und appelliert­e an beide Lager, sich auf den Kampf gegen die Houthis zu konzentrie­ren, statt aufeinande­r loszugehen.

Derweil flogen die vom Iran unterstütz­ten Rebellen von Sanaa aus erneut Drohnenang­riffe auf Saudiarabi­en. Ein Flugkörper, der sich dem Flughafen der Gebirgssta­dt Abha näherte, wurde nach Angaben aus Riad von Abwehrrake­ten unschädlic­h gemacht. Abha ist ein beliebtes Ferienziel für Saudis, weil hier auch im Hochsommer milde Temperatur­en herrschen.

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