Der Fall Adens beschleunigt die Zweiteilung des Jemen
Analyse. Nach dem Rückzug der Vereinigten Arabischen Emirate steht Saudiarabien vor den Trümmern seiner Kriegspolitik.
Im letzten Akt des Dramas fiel dann kein Schuss mehr. Freiwillig räumten die saudischen Beschützer das Feld und zogen ihre gepanzerten Fahrzeuge aus dem Präsidentenpalast von Aden ab, im Jemen das letzten Machtsymbol des in Riad lebenden Exilstaatschefs Abed Rabbo Mansour Hadi. Mit dieser letzten Trophäe brachten die Separatisten des sogenannten Südlichen Übergangsrats (STC) praktisch das gesamte Stadtgebiet von Aden unter ihre Kontrolle und vertrieben die Reste der international anerkannten Regierung Hadi.
In etlichen Städten kam es zu Jubelfeiern. „Die Sache ist gelaufen, deren Streitkräfte kontrollieren alle Kasernen“, zitierte Reuters ein ungenanntes Mitglied der offiziellen Führung, die Aden seit Anfang 2016 als Machtbasis und Interimshauptstadt nutzte.
Bei den vorangegangenen Gefechten starben mindestens 40 Menschen und wurden über 260 wurden verletzt, wie die UN in einer ersten Bilanz mitteilten. Die Krankenhäuser seien bis zum Äußersten belastet, berichteten Mitarbeiter von Ärzte ohne Grenzen. Der Flughafen wurde geschlossen. „Ich habe am Abend zwei meiner Nachbarn beerdigt, die in den Kämpfen getötet wurden“, twitterte ein Bewohner zum Opferfest, dem höchsten Feiertag des Islam. „Wir feiern Aid al-Adha in Trauer, Schmerz, Hoffnungslosigkeit und Hilflosigkeit. Das interessiert niemanden und wird auch in Zukunft niemanden interessieren.“
Mit dem Fall von Aden an die Separatisten steht der Jemen vor der endgültigen Spaltung und Saudiarabien vor den Trümmern seiner fünfjährigen Kriegspolitik, die Präsident Hadi in ganz Jemen an die Macht zurückbomben und die Houthis aus der Hauptstadt, Sanaa, vertreiben wollte.
Stattdessen beherrschen die vom Iran unterstützten Rebellen unangefochten den Norden, während im Süden innerhalb der bisherigen Anti-Houthi-Koalition sich die von den Emiraten trainierten Milizen des Südlichen Übergangsrats (STC) und die von Saudiarabien ausgerüsteten Hadi-Regierungstruppen gegenseitig zerfleischen.
Die International Crisis Group warnte bereits vor einem Bürgerkrieg im Bürgerkrieg, der die jetzt schon schlimmste humanitäre Katastrophe des Globus weiter zuspitzen und eine politische Lösung zusätzlich erschweren werde. Der STC, der von Adens Ex-Gouverneur Aidarous al-Zubaidi geführt wird, will einen unabhängigen Staat Südjemen, wie er von 1967 bis 1990 existiert hat. Bereits jetzt machen die Sezessionisten, wie da sUN-Menschenrechts kommissariat kritisiert hat, in ihrem Macht gebiet gezielt Jagd auf Bürger aus dem Norden.
Das jemenitische Außenamt sprach von „einem Putsch gegen die Institutionen einer international anerkannten Regierung“, organisiert vom Südlichen Übergangsrat zusammen mit den Vereinigten Arabischen Emiraten. Präsident Hadi äußerte sich nicht, er soll schwer krank in einem Spital liegen.
Saudischer Gegenschlag
Saudiarabien indes, dessen Truppen keinerlei Widerstand leisteten, reagierte mit einem Luftangriff und dem Appell an die verfeindeten Kontrahenten, eine Waffenruhe zu vereinbaren und ein Krisentreffen abzuhalten. Der emiratische Außenminister, Abdullah bin Zayed al-Nahyan, versicherte im Gegenzug, Abu Dhabi unternehme „jede Anstrengung, um die Lage zu deeskalieren“, und appellierte an beide Lager, sich auf den Kampf gegen die Houthis zu konzentrieren, statt aufeinander loszugehen.
Derweil flogen die vom Iran unterstützten Rebellen von Sanaa aus erneut Drohnenangriffe auf Saudiarabien. Ein Flugkörper, der sich dem Flughafen der Gebirgsstadt Abha näherte, wurde nach Angaben aus Riad von Abwehrraketen unschädlich gemacht. Abha ist ein beliebtes Ferienziel für Saudis, weil hier auch im Hochsommer milde Temperaturen herrschen.