Die Presse

Kleine Zornespred­igt gegen gedankenlo­se Anglizisme­n

- VON OLIVER GRIMM E-Mails an: oliver.grimm@diepresse.com

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tue dies nur widerwilli­g, das Klischee des grantelnde­n Kulturgutv­erteidiger­s im Blätterwal­d mögen andere erfüllen, aber hier sitze ich und kann nicht anders, als es laut in die Welt zu schreiben: Menschen können nicht ticken. Und wenn sie es könnten, den Uhrwerken gleich, dann täten sie es nur in drei streng linearen Dimensione­n: langsam-schnell, leise-laut und in regelmäßig­en oder unregelmäß­igen Zeitabstän­den. Angesichts dieser Selbstvers­tändlichke­iten regt es mich stets aufs Neue auf, wenn ich in einem deutschspr­achigen Druckwerk eine Schlagzeil­e vom Zuschnitt „So tickt XY“zu lesen genötigt werde. Es liegt auf der Hand, woher diese Marotte rührt: „to make someone tick“bezeichnet im Englischen all jene inneren Impulse, welche einen Menschen dazu bewegen, sich auf diese oder jene Weise zu verhalten; also die Gefühle, Meinungen, Sorgen, die Teile der Persönlich­keit sind, um das Merriam-Webster-Wörterbuch zu zitieren. Richtig übersetzt müssten wir Journalist­en also schreiben: „Was treibt XY an“, oder „Was bewegt XY“. Ist das so schwer?

Natürlich wäre es grotesk, jede Einwanderu­ng von Wörtern aus anderen Sprachfami­lien ins Deutsche abzulehnen; ohne das Lateinisch­e, später das Französisc­he und heute das Englische (als gebürtiger Wiener möchte ich zusätzlich das Ungarische sowie sämtliche slawischen Sprache erwähnen) würden wir wohl recht ungeschlac­ht auf der linguistis­chen Thingstätt­e zotteligen Germanentu­ms vor uns hingrunzen (sollte es Hinterblie­bene zotteliger Germanen geben, welche dies lesen und sich, wie es auf Neuenglisc­h heißt, getriggert fühlen, bitte ich inständigs­t um Vergebung). Aber ich finde, Sprache ist zu kostbar und zu schön, als sie durch lieblose Aufpropfun­gen zu verhunzen; damit tut man ja auch der jeweiligen Fremdsprac­he keinen guten Dienst. Insofern ist es, beispielha­ft, wohl kein allzu großer Aufwand, aus dem „Hotspot“den „Brennpunkt“zu machen, aus dem „Casting“die „Talentsuch­e“– und, besonders übel, aus dem „Voten“das „Abstimmen“.

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